Nur wenige Schritte liegen zwischen der Bochumer Kneipe Linie 5 und dem Alsenwohnzimmer. Seit Sommer 2024 trifft sich in dem selbstverwalteten Nachbarschaftsraum die Initiative Klare Linie gegen Rechts. Anwohner*innen haben hier einen Ort des Widerstands geschaffen. Die umstrittene Traditionskneipe Linie 5, seit 2021 unter neuer Leitung, geriet zunehmend wegen ihres rechten Publikums in die Kritik. Mit dem Jahreswechsel feierte die Initiative nun den Erfolg: Die Kneipe stellt ihren Betrieb ein.
Im Juni 2024 kam es zur Gründung der Nachbarschaftsinitiative. Anlass war ein mutmaßliches Kneipenkonzert der Band Kategorie C, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird. Offiziell bestätigt ist das Konzert nicht. Jedoch berichten Anwohner*innen in einem Interview mit dem WDR von Musik und Gesang hinter den verschlossenen Rollläden. Auch die Anwesenheit des Frontsängers ist durch Fotos belegt. Die Polizei löste die Veranstaltung auf und kontrollierte mehrere Personen aus dem rechten Spektrum – nicht zuletzt erkennbar durch Fanshirts und Merch der besagten Band.
Zeitgleich veröffentlichte das Infoportal antifaschistischer Gruppen aus Bochum ihre Recherche zur Linie 5. Detaillierte Berichte und Fotos auf der Plattform stellen seitdem die Verbindungen zur rechten Szene dar. Im Fokus steht der Personenkreis um die Pächterin Monja Oberfeld. Neben dem Kategorie-C-Konzert sollen weitere Treffen von rechten Gruppierungen stattgefunden haben, unter anderem von der Bürgerwehr Herne und Der Störtrupp (DST). Beide sind bekannt für ihre hetzerischen Ideologien.
Cornern gegen rechte Wohlfühlzonen
Zusätzlich zu ihrer Recherche kritisiert das Infoportal die Berichterstattung über die Linie 5 und werfen der Presse Verharmlosung und Entpolitisierung der Kneipe vor. Zwar bestritten die Betreiber*innen wiederholt Verbindungen zur rechten Szene, doch zahlreiche Fotos zeigen Besucher*innen mit charakteristischen Symbolen, darunter Tätowierungen oder Kleidung der Neonazimarke Thor Steinar. Eine Kritik, die das Infoportal mit der Nachbarschaftsinitiative teilt. Auch sie äußern sich besorgt und verärgert. Im Fokus steht ein Beitrag der WAZ, der die Aussagen der Betreiber*innen unhinterfragt wiedergibt.
Ausbleibende Reaktionen von Politik und Presse sowie die wachsende Sorge der Anwohner*innen führten schließlich zum Handeln. Als im Juli 2024 gesprühte Nazi-Symbole in der Alsenstraße auftauchten, versammelten sich 80 Menschen zu einem Protest. Seitdem setzte die Initiative Klare Linie gegen Rechts auf ein breites Spektrum von Aktionen. Im Mittelpunkt stand das Cornern gegen Rechts. Wöchentliches Präsenz zeigen vor der Linie 5 schuf einen Raum für Widerstand und Austausch. Dabei kamen Unterstützer*innen aus der ganzen Stadt zusammen. Zusätzlicher Rückhalt kam von der Brauerei Fiege, die auf Anfrage ihr Leuchtschild von der Kneipe entfernte. Auch dem Verkehrsunternehmen Bogestra danke die Initiative für ihr Engagement.
Endstation für Linie 5
Nach vier Monaten des friedlichen Protestes dann das Aufatmen: Die Linie 5 kündigte über ihren Facebook-Account die Schließung an. Die Gründe hierfür seien privat, allerdings verheimlichten die Betreiber*innen nicht ihre Missgunst gegenüber der Bewegung. Mit ihren Aktionen setzte die Nachbarschaftsinitiative ein wichtiges Zeichen in Zeiten des rechten Aufschwungs. Ermöglicht wurde das durch bereits bestehende zivilgesellschaftliche Strukturen, aus denen Mitglieder der Initiative beigetreten sind und ihr Wissen über Organisation und Aktionen teilten. Rund um die Alsenstraße befinden sich neben dem Nachbarschaftswohnzimmer und einem Gemeinschaftsgarten, weitere Vereine und Kollektive. Auch das jährlich stattfindende Alsenstraßenfest bringt die Anwohner*innen zusammen. Sie haben deutlich gemacht, dass für rechte Wohlfühlzonen kein Platz ist.
Seit Bekanntwerden der Schließung stehen neue Fragen im Raum: Eine alte Kneipe sucht neue Betreiber*innen. Die Diskussion hält auch Einzug in das Alsenwohnzimmer. Mit der Schließung der Linie 5 ergibt sich ein neues Potenzial für die Nachbarschaft. Die Initiative ist sich sicher: Es sollte eine Kneipe bleiben – ein Ort, der wieder für viele Menschen zugänglich ist. Gleichzeitig stehen Ideen für Kunst und Kultur im Raum. Ob die Klare Linie gegen Rechts einen Einfluss auf die Mitgestaltung hat, ist unklar. Sicher ist nur, dass die Gruppe bestehen bleiben möchte und den Kampf für ein sicheres Viertel weiterführt. Es kommen zwar deutlich weniger Menschen zu den Treffen, trotzdem ist das Alsenwohnzimmer gut gefüllt – mit Nachbar*innen und kämpferischer Stimmung.
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