Fühlt es sich für euch gerade auch an wie eine wahrhaftige Zeitenwende? Falls ja, kann ich euch beruhigen, es ist nur eine Stunde Zeitumstellung. Und halt der Winter, der sich langsam einschleicht. Und die weltpolitische Lage. Und der November. Machste nix. Zeit für Eskapismus. Ich lade ein zum Vodka-E mit Gabel trinken. Ok, stopp! Jetzt aber Kopf hoch, also ich vor allem, ihr aber auch gerne, ich fang nochmal an:
Juhu, es ist November, wie toll, man sieht kaum noch Tageslicht, herrlich, nur noch fünf Monate, dann wird langsam wieder Frühling, großartig, Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. Ich geb’ mir Mühe, die Glühwein-Tasse halbvoll zu sehen. Nichtsdestotrotz ist es tatsächlich Zeit für Eskapismus. Und zwar mit Endorphin-Ausschüttung durch Erlebnisse. Wir lassen uns doch nicht unterkriegen. Hier sind ein paar tolle Events, die dabei helfen.
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Jonas (Hildebrandt) kommt ursprünglich aus Essen. Lebt nach den Kategorien lustig / nicht lustig und würde letzteres gerne aus der Welt verbannen. War mal länger in Toulouse, vor allem für das kosmopolitische Lebensgefühl. Und ist für die monatlichen Eventtipps von STROBO verantwortlich.
Duisburger Filmwoche im Kino filmforum vom 3.11. bis zum 9.11.
Die Duisburger Filmwoche bezeichnet sich selbst als Festival des Dokumentarfilms aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dokumentarfilme sind Filme, die tatsächlich auf der veralteten und langweiligen Tugend der Faktentreue basieren, Fantasy-Fans dürften also enttäuscht sein. Spannend kann es natürlich trotzdem werden, denn die besten Geschichten schreibt ja bekanntlich das Leben. Wobei das Leben natürlich auch einen extrem hohen Output an Geschichten hat. Wenn man den bedenkt, ist die Quote der qualitativ hochwertigen Geschichten in Bezug auf die Quantität dann doch gar nicht mal so hoch. Zum Glück werden die schlechten Geschichten meist nicht verfilmt. Das Programm der Duisburger Filmwoche und Tickets findet ihr hier.
Literaturdistrikt Festival in Essen vom 3.11. bis zum 12.11.
Im November scheint die Festivalsaison nochmal loszugehen, allerdings ohne Camping, Trichtern und nachhaltige Schäden für Körper und Geist, aber dafür mit intellektuellem Anspruch. Von Dokumentarfilmen in Duisburg gehts zu Literatur in Essen. Nicht zu verwechseln mit Literatur im Essen, das ist, wenn mir im Restaurant die Speisekarte in die Suppe fällt. Das gesamte Programm und Tickets gibt’s hier.
Hinnerk Köhn mit „Schwindel“ in der Zeche Carl in Essen am 5.11.
Beim Programmnamen „Schwindel“ besteht natürlich ein Rest-Risiko, dass Hinnerk Köhn euch was vorschwindelt und nur das Geld aus der Tasche zieht. Deshalb klickt doch gerne auf diesen vertrauenswürdigen Link und gewinnt mit Glück im Lotto oder erbt reich! Nein, Spaß beiseite, ich kann aus persönlicher Erfahrung berichten, dass eine Hinnerk Köhn Show kein Schwindel, sondern tatsächlich ziemlich lustig ist. Also in diesem Fall ist sie natürlich trotzdem irgendwo auch „Schwindel“, ihr wisst schon, wie ich meine. Tickets bekommt ihr ab 25,20 Euro unter dem Link oben – ehrlich, kein Schwindel.
Woyzeck als Electropop Opera im Rabbit Hole Theater in Essen am 7.11.
Wo fängt man hier an? Für mich klingt und sieht alles an dieser Veranstaltung aus wie irgendwas zwischen oder auch jenseits von Fiebertraum und LSD-Trip. Woyzeck ist für mich eine klassische Schullektüre, von dem Genre Electropop Opera habe ich noch nie in meinem Leben gehört und doch könnte es in meiner Vorstellung nicht weiter von Georg Büchners Dramenfragment (Synonym für Woyzeck) entfernt sein. Nichts daran macht für mich Sinn (oder ergibt, ihr Sprachpuristen!), ich kann mir auch inhaltlich absolut gar nichts darunter vorstellen, kurzum: ich liebe alles daran. Tickets bekommt ihr ab 13 Euro hier.
ARTe Kunstmesse in der Messe Dortmund vom 7.11. bis zum 9.11.
Die Messe hat nichts mit dem deutsch-französischen TV-Sender zu tun, dessen Dokus ihr überschwänglich lobt, um im Freundeskreis als intellektuell und informiert rüberzukommen, obwohl ihr sie bekifft um 3 Uhr nachts geschaut habt, während ihr mit einem Auge durch TikTok gescrollt habt. Sorry, ich habe mich in dieser klischee-getränkten und bewusst provokant überspitzten Beobachtung verloren, so wie ihr euch auf den 1800 Quadratmetern der ARTe Kunstmesse zwischen Kunstwerken aus etwa 85 Galerien verlieren könnt (taff wäre neidisch auf diese gelungene Überleitung). Tickets und Infos findet ihr hier.
LesArt. Literaturfestival Dortmund vom 7.11. bis 15.11.
Da ist es: Das nächste Festival mit Gehirnzellenbeanspruchung statt -abbau. Und versprochen, es ist hier nicht nur aufgeführt, um meine mühsam aufgestellte These der winterlich-intellektuellen Festival-Saison aufrecht zu erhalten. Ich glaube übrigens, so oft wie dieses Mal ist das Wort intellektuell noch nie in dieser Kolumne gefallen und es ist bezeichnend, dass es mir jedes Mal wieder von meinem Schreibprogramm rot markiert wird, weil das doppelte Doppel-L meine persönlichen intellektuellen Kapazitäten an ihre Grenzen treibt. Anders ist es sicherlich bei den schriftstellerischen Talenten, die ihr auf dem LesArt. Literaturfestival antreffen könnt (taff-esque Überleitung Nr. 2). Programm und Tickets findet ihr hier.

Kamener Kneipennacht am 8.11.
Es ist DAS handverlesene Kult-Event dieses Monats, ach was, vielleicht sogar des Jahres. Es ist eines dieser Events für das diese Kolumne existiert, eines, dass ihr niemals ohne sie entdecken würdet, weil ich selber auch nur durch Zufall drauf gekommen bin, eines dieser Events, die ihr nicht auf TikTok-Hipster Accounts findet, sondern bei KamenWeb, ein wahrer Underground Tipp und ein Event, das sich gleichermaßen in die Kategorien „muss man dabei gewesen sein“ und „einfach auf sich wirken lassen“ einordnen lässt. Mein persönlicher Top-Tipp ist der Auftritt der Cover-Band „Der kleine dicke Junge“ in der ehemaligen Admiral-Spielhalle, welche für eine Nacht die Magie und den Geist der einstigen Kult-Kneipe „82 West“ wieder aufleben lässt. Alle Infos auf einen Blick gibt es, na klar, bei kamen-web.de, lang lebe der Lokaljournalismus.
blicke Filmfestival in Bochum vom 14.11. bis zum 15.11.
Der Festival-Counter steigt weiter unaufhaltsam, diesmal geht’s um Filme und Videokunst generell. Mich als bekennenden Wortspiel-Fan überzeugt vor allem die Einteilung in ein-blicke, sprich Filme aus dem Ruhrgebiet, und aus-blicke, also Beiträge aus anderen Regionen der Welt. Also werft doch zumindest mal ein paar Blicke aufs Programm des Festivals, das findet ihr hier.
Umland Fest im domicil in Dortmund vom 20.11. bis zum 21.11.
Den ganzen November über laufen die Dortmunder Jazztage im domicil mit jeder Menge spannender und empfehlenswerter Events (man könnte mit Fug und Recht von einem Jazzmonat sprechen). Das zweitägige Umland Fest habe ich nun einfach mal stellvertretend rausgepickt – vielleicht weil hier nur das „ival“ fehlt, um meinen roten Festival-Faden weiter durch den Text ziehen zu können. Ein weiterer Grund ist aber, dass das Programm des Umland Fests nahezu die ganze Bandbreite der Jazztage abdeckt. Es gibt diverse Performance-Arten, verschiedene Ensemble-Größen sowie Musik- und Kunststile und sogar generationsübergreifende Hype-Events wie Suppe mit Löffel essen. Alles zum Umland Fest und den Dortmunder Jazztagen findet ihr mit ein paar Klicks hier.
Kontaktfeld Festival in der Rotunde in Bochum am 22.11.
Ok, versprochen, das ist jetzt das letzte Festival. Man könnte es auch einfach als einen Abend mit Live-Musik, Lesung und Talk bezeichnen, aber mir kommt die Namensgebung natürlich gerade für diesen Text sehr gelegen. Das Programm erstreckt sich immerhin auf zwei Bühnen, womöglich ist das eine Grundvoraussetzung, um von einem Festival sprechen zu dürfen, falls es sowas überhaupt gibt. Falls nicht, sollte die EU dafür dringend mal Regelungen schaffen, nicht, dass man als ahnungsloser Verbraucher in die Irre geführt wird. Garantiert nicht irreführende Infos (Überleitungs-Counter Nr. 3) sowie Tickets gibt’s hier.
Van Holzen im FZW in Dortmund am 26.11.
Der Name klingt zwar wie der eines ausgedachten niederländischen Fußball-Nationaltorwarts, hinter ihm verbirgt sich aber ein junges Alternative-Rock-Trio aus Ulm. Im Pressetext versprechen sie energiegeladene Konzerte und ein Gefühl von Verbundenheit. Ich kann das nicht beurteilen, ich finde die Musik aber ganz gut und habe ein lustiges Kurzvideo von den Jungs auf einer Social-Media-Plattform meiner Wahl (nicht YouTube-Shorts, ihr Freaks!) gesehen. Ich hoffe, ihr wisst diese ungewöhnliche Transparenz über meine Entscheidungsprozesse zu schätzen und lasst euch von der eher unkonventionellen Herangehensweise nicht abschrecken. Tickets und detailliertere Infos zu Band und Konzert findet ihr hier.
Und ein kleiner Bonus: Ab Mitte November öffnen nach und nach auch wieder die Weihnachtsmärkte im Pott und ihr könnt euch zum Beispiel im Schatten des größten Weihnachtsbaums der Welt mit Glühwein betrinken, um dann die höchste Stufe der Romantik zu zünden und eurer Begleitung mit dem Kauf eines Lebkuchenherzes mit der Aufschrift „Du bist spitze“ eure Liebe zu gestehen. Oder was man halt sonst so da macht. Habt einen schönen November.
Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Andie & Roy im Portrait: Wie 3D-Artists über Dortmund rappen

