Italienische Sommernacht in Bochum: So italienisch ist ein Giovanni Zarella-Konzert

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Das Zeltfestival Bochum holt jedes Jahr einen bunten Blumenstrauß an Artists nach Bochum: Jene, die ihre großen Zeiten hinter sich haben und jene, die gerade ihre große Zeit durchleben. Für jede Altersgruppe ist etwas dabei. STROBO-Autor Max war schon bei DJ Bobo und Tokio Hotel. Und ja, was soll man sagen, in diesem Jahr war er bei Giovanni Zarella.

Das Konzert ist schon etwas her, die Erinnerungen an die angekündigte „Italienische Sommernacht“ beim Bochumer Zeltfestival sind jedoch noch frisch. Giovanni Zarella hatte eingeladen. Zarella, der einst mit BroSis (Like, wer noch kennt) seine ersten Erfolge gefeiert hat, dann in der Versenkung verschwand und dank auf italienisch gesungenen deutschen Evergreens erneut den Durchbruch feiern konnte, ist im letzten Jahrzehnt zum deutschen Lieblingsitaliener avanciert. Wenn die deutsche Showlandschaft einen Italiener braucht, fragt sie Zarella. Und dieses ganze Konzept funktioniert so gut, dass seine eigene ZDF-Show absurde Quoten einfährt. Sein ganzer Erfolg läuft an uns jüngeren komplett vorbei. Wer guckt noch ZDF? Aber irgendwie kennen tut man ihn doch und italienische Sommernächte finden auch junge Menschen „toll“. Dem Publikum zufolge ist ihnen die Sommernacht aber keine happige 70€ wert gewesen. Wie kann man es ihnen verübeln.

Der Mann ist nicht nur Sänger, sondern „Show-Man“.

Gäste ab 45 Jahren aufwärts schauen erwartungsfroh auf die Bühne. Sie sitzen – noch – denn der Saal ist bestuhlt. Und dann steht er da, der ewige Sunnyboy, in einem cremefarbenen Sommeranzug, das Haar zurückgegelt, der wirkt, als sei er geradewegs aus einem italienischen Dolce-Vita-Tagtraum auf die Bühne gestolpert​. Begleitet von seiner Show-Band (der Pianist stand sogar schon mit Helene Fischer auf der Bühne) werden wir geradewegs nach Italien katapultiert. Am Ende wird das Publikum nicht lange gesessen haben und – so viel sei verraten – die etwas eingerosteten Hüften wurden geschwungen.

Bühne und die showband-mäßig gut gelaunte Show-Band geraten fast zur Nebensache, denn was wirklich zählt, ist Zarella selbst, der zwischen den Songs aufrichtig unter anderem von seiner Kindheit erzählt – einer Zeit, in der sein Vater, einst Pizzeria-Besitzer mit geheimem Musikertraum, hinter verschlossenen Türen für die Stammgäste gesungen hat​. Es ist diese Nostalgie, die in den Raum sickert wie das Rauschen des Meeres in einem kitschigen Italo-Film. Man merkt: Der Mann ist nicht nur Sänger, sondern „Show-Man“.

Gardasee und Lieblingsitaliener in der Vorstadt-Vibes

Die Songs – „Mama Maria“, „Sara perche ti amo“ – sind keine bloßen Hits, sondern Soundtracks einer kollektiven Erinnerung, die irgendwo zwischen Urlaubserinnerungen und Fernweh schwebt. Es ist ein Ritual der gemeinsamen Sehnsucht, und Zarrella ist ihr Hohepriester. Besonders der Moment, in dem Zarrella seinen Vater Bruno auf die Bühne holt, um mit ihm „Piccola e fragile“ zu singen, fühlt sich an wie der emotionale Höhepunkt des Abends.

Es ist keine Show, es ist eher ein familiäres Ritual, in das das Publikum eingeladen wird, als säße man selbst mit am Tisch, ein Glas Rotwein in der Hand. Dass dann auch noch Bruder Stefano mit einem Michael-Jackson-Medley den Moonwalk tanzt, scheint fast zu perfekt, um wahr zu sein – und doch ist es genau dieser Überfluss an perfektem Timing und Sentimentalität, der jedem, der schonmal in Italien war (jede*r war schonmal in Italien) irgendwie wieder dorthin beamt. Es ist purer Kitsch. Es schreit nach Gardasee und nach dem Lieblingsitaliener, die jede Vorstadt-Familie hat, weil dort der Wirt gern mal eine Runde Grappa schmeißt und die Salami-Pizza dort ja „sooo lecker“ ist.

Wolfgang Petry auf Italienisch

Zarrella versteht es, die Grenze zwischen Bühne und Realität so nahtlos verschwimmen zu lassen, dass man vergisst, dass dies nur ein Konzert ist und kein Kurzurlaub in der Toskana. Und das ist vielleicht das größte Kunststück des Abends: Er verkauft keine simple Musikshow, sondern ein Lebensgefühl – ein Leben, das gleichzeitig verführerisch echt und hoffnungslos utopisch bleibt.

Zum Schluss kommt noch das Wolfgang-Petry-Cover von „Wahnsinn“. Der Saal tobt. Und dann ist die italienische Sommernacht auch wieder vorbei. Wir alle werden wieder in den kalten Spätsommer entlassen. Was bleibt, ist ein wirklich interessanter Abend, der viel über Deutschland, Sehnsucht und Italien verraten hat, und Lust auf die leckere Salami-Pizza beim Lieblingsitaliener in der Vorstadt-Idylle.

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