Die STROBO-Kollegen waren schon auf anderen Strecken der Route Industriekultur unterwegs: Bochum, Essen, Duisburg – aber was ist mit dem Osten des Ruhrgebiets? STROBO-Autor John hat sich mit seiner Schwester Hamm und Unna vorgenommen, genauer gesagt den Maximilianpark und das Zentrum für Internationale Lichtkunst.
Schon am Eingang des Maximilianparks werden wir herzlich begrüßt und gleich gefragt: „Seid ihr das erste Mal hier?“ Tatsächlich ja. Der freundliche Hinweis auf die Größe des Parks, einem ehemaligen Zechengelände, kommt genau richtig, hatten wir doch mit etwas weniger Quadratmeter gerechnet. Mit einem detaillierten Parkplan in der Hand und der Sonne im Rücken schlendern wir los. Parkanlagen aus Industriestätten zaubern, das können wir im Ruhrgebiet.
Perspektivwechsel-App
Wer mehr über die Geschichte des Ruhrgebiets wissen möchte, sollte die Perspektivwechsel-App der Route der Industriekultur auschecken. Dort könnt ihr zum Beispiel einen Kohlentreiber, einen Bergbaubeamten oder eine Hausfrau der damaligen Zeit begleiten und mit einem virtuellen Tourguide mehr über das Leben in den Zeiten des frühen Ruhrbergbaus oder der Hochphase der Industrialisierung erfahren. Die App gibt es kostenlos in allen App-Stores.

Der größte Jumbo der Welt
Der Maximilianpark ist vor allem für eine Sache bekannt: Der riesige Glaselefant, 35 Meter hoch, ist laut Betreibern der „größte Jumbo der Welt“ und auf der Wahrzeichen-Skala der Route Industriekultur sowas wie das Tiger&Turtle des östlichen Ruhrgebiets. Wir lassen staunend unsere Köpfe in den Nacken fallen und nutzen die Sehenswürdigkeit für ein paar Fotos (Stichwort: Instagram), ehe wir über einen Aufzug im Rüssel des Elefanten nach oben fahren. Man muss nicht mal Kind sein, um das spannend zu finden. Wo fährt man schon in einem Rüssel nach oben?
Auf 29 Metern Höhe genießen wir einen hervorragenden Panoramablick über den Park und die Stadt Hamm, der seinesgleichen sucht. „Guck Mal, da hinten müsste Dortmund sein“ sind so typische Gesprächseinstiege auf Aussichtsplattformen. Der kleine Wettbewerb um die weiteste Sicht und die bessere Orientierung hat auch uns dort oben mehrere Minuten in die Ferne zeigen lassen. Auf dem Rückweg im Inneren des Elefanten halten uns noch neun bewegliche Kunstobjekte auf, die man über eine Tafel bedienen kann. Wir haben Spaß! Kunst zum Anfassen, also approved von Schwesterherz und mir. Uns zieht es wieder hinaus in den Park.

Ein Tropenparadies in Hamm
Generell wurde hier mit viel Liebe zum Detail gearbeitet und über die Jahre viele sich ergänzende Teile im Park errichtet: Themengärten mit vielen verschiedenen Blumen (perfekt für die Whatsapp-Stories eurer Mütter), Kinderspielplätze, Tierfotografien und Kunstinstallationen sorgen immer wieder für neue Reize, Gesprächsthemen und das Ausleben des kleinen Kindes – wenn man denn möchte. „Wie eine Mischung aus dem Dortmunder Westfalenpark und dem Rombergpark!“, meint meine Schwester noch, kurz bevor wir im Schmetterlingshaus schlagartig in ein Tropenparadies versetzt werden. Hamm? Wo war das nochmal?
Das Schmetterlingshaus beherbergt nicht nur fast 80 verschiedene Schmetterlingsarten, sondern auch einige andere Tiere. Wir sehen mehrere Wachteln und sogar zwei Schildkröten. Eine halbe Stunde lang laufen wir schweigend durch das Gebäude, lassen uns von diesem Naturschauspiel berieseln und versuchen, so viel wie möglich wahrzunehmen: Hier ein Schmetterling, der auf einer Orchidee sitzt, da ein Schmetterling, der an einer Bananenstaude nascht. Zwar wurde auch dieses Haus von Menschen errichtet, doch lässt das Schmetterlingshaus seine Besucher*innen an die Schönheit an die unberührte Natur erinnern. Wieder in Hamm angekommen, schlendern wir gemächlich dem Ausgang entgegen. Der Maximilianpark? Mindestens ein Tipp für ein Date im Grünen. Ein kleiner Ausflug in die Natur, das hat noch keinem Pärchen und solchen, die es werden wollen, geschadet.


Urlaub oder Arbeit für das Auge?
Lustigerweise wurde der Maximilianpark zwar auf dem Gelände einer ehemaligen Zeche erbaut, unter die Erde geht es für uns aber erst in Unna: Das Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Lindenbrauerei Unna, genauer in dessen Kellergewölbe in zehn Metern Tiefe. Hier wurde das Museum 2002 eröffnet und ist weltweit das erste und einzige Museum, welches sich ausschließlich der Präsentation von Lichtkunst konzentriert.
Abgeschottet von der Außenwelt gibt es für uns in den nächsten Stunden nur die Lichter der Lichtkünstler*innen. So nehmen wir uns auch ausreichend Zeit für jedes einzelne Werk: Unter anderem James Turrell, Christina Kubisch und Joseph Kosuth schaffen es mit ihren Werken eindrucksvoll, die Räume mit ihren eigenen Winkeln, Ecken und Rundungen zu füllen. Jeder Raum beherbergt eine andere Überraschung. Jedes Kunstwerk lässt uns über die eigene Wahrnehmung von Licht nachdenken. Jeder Raum ist entweder Urlaub oder Arbeit für das Auge – das kann jede*r selbst entschieden.

Wie Trance
Noch bis zum 27.10.2024 ist die RADIANT-Ausstellung im Zentrum für Internationale Lichtkunst zu sehen. Die Werke nutzen auch visuelle Klangwelten, um die Grenzen zwischen Licht, Kunst und Technologie verschwimmen zu lassen. „Wie Trance“ meint meine Schwester. Dabei bilden die Werke von Playmodes Studio, Nick Verstand und Tundra (International Multimedia Artist Collective) im Vergleich zum Rest der Ausstellung einen Kontrast, der die anderen Werke jedoch ergänzt. Bis wir wieder Tageslicht sehen, beschäftigen wir uns mit unseren Gedanken zur Kunst, ordnen diese mit unserer Guide ein und bekommen Hintergrundinformationen zu den Künstler*innen. Erst später am Tag, und sogar an den darauffolgenden Tagen, rede ich mit meiner Schwester über einzelne Installationen, unsere Interpretationen und was wir dabei gefühlt haben. Das habe ich nach einem Museumsbesuch so auch noch nie erlebt.
Die Route Industriekultur verbindet als touristische Themenstraße die wichtigsten und attraktivsten Industriedenkmäler des Ruhrgebiets. Zum Netz der Route zählen 27 Ankerpunkte, Standorte mit besonderer historischer Bedeutung und herausragender touristischer Attraktivität. Daneben gehören 17 Aussichtspunkte, 13 Siedlungen und zahlreiche Themenrouten zur Route Industriekultur. Weitere Informationen findet ihr auf der Website.
Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Mehr Urlaub, als man denkt – Mit Fahrrad und Vater auf der Route Industriekultur