Am 28. Mai hat das Luxus Filmkollektiv ihren Debütfilm „Zyklus“ veröffentlicht. Pünktlich zum Weltmenstruationstag. Der Kurzfilm handelt von den Beschwerden aus Betroffenensicht und dem Nicht-Ernstgenommen-Werden. STROBO-Autorin Imke erzählen Jonas Schmieta und Jascha Loos vom Kollektiv, was Männer mehr tun sollten und warum ihr Abschlussfilm im Studium ein Reinfall war.
STROBO: Als Luxus Filmkollektiv habt ihr 2021 „Zyklus“ produziert. Fast drei Jahre später habt ihr auf vier Filmfestivals Preise gewonnen und den Film nun veröffentlicht. Hättet ihr mit der Reaktion gerechnet?
Jonas: Nee, überhaupt nicht [lacht]. Wir haben den Film im Rahmen des „Super 8 – Filmfests Bremen“ gemacht und hatten ein Budget von 200 Tacken. Das Set haben wir provisorisch mit Baustrahlern ausgeleuchtet. Das war auch das erste Mal, dass Eva und ich in dem Rahmen zusammengearbeitet haben. Jascha, Elena und Jule sind erst später dazu gekommen. Eigentlich war es ein sehr kleines Projekt, aber wir haben mit der ersten Aufführung gemerkt, dass der Anklang wirklich sehr positiv war und dass wir von sehr vielen Menschen sehr viel Zuspruch bekommen haben – natürlich hauptsächlich von weiblichen Zuschauerinnen.
STROBO: An welche Reaktionen könnt ihr euch noch erinnern?
Jonas: Das „Kuki“ war auf jeden Fall eine der schönsten Vorstellungen. Es war auch eine große Ehre, dass junge Menschen unseren Film für ihr Programm ausgewählt haben. Wir haben anscheinend etwas gemacht, von dem sie abgeholt wurden. Das ist schön, wenn man merkt, dass wir nicht die Alten sind, die nur Themen für alte Menschen machen und sonst cringe rüberkommen. Dass man auch die Jugend erreichen kann und dass sie das, was wir machen, für wichtig halten. Ich muss aber auch dazu sagen, dass es sehr viele Momente gab, in denen Zuschauer*innen, nachdem sie diesen Film geschaut haben, zu uns gekommen sind. Gerade Eva wollten sie Tipps geben. Und gerade bei Männern, die einem zum Thema Menstruation wirklich einen Podcast empfehlen wollen, denkt man sich doch: Sag mal, habt ihr den Schuss nicht gehört?!
Jascha: Ich glaube, wenn jemand so etwas teilt, ist es gerade für uns Männer wichtig, einfach mal zuzuhören und zu versuchen, ein bisschen zu begreifen. Und nicht sofort zu sagen: Ah guck mal, ich kann da wieder was zu sagen. Einfach mal zulassen, dass man nicht so viel weiß und keine Erfahrung in dem Thema hat. Einfach ein bisschen Empathie zeigen.
„Das Netzwerk möglichst eng weben“ – Jascha vom Luxus Filmkollektiv
STROBO: Wie hilft dabei Film als Medium dieses Thema zu vermitteln?
Jascha: Wenn man in diesem Thema drin ist, dann ist es immer leicht zu denken: Ach ja, das ist ja total das Thema. Das denken alle so. Dann ist man mit diesem Film auf Festivals und man spricht mit den Leuten und merkt: Ah ok, die sind von einem ganz anderen Stern und haben das zum ersten Mal gesehen. Das ist einerseits erschreckend, weil man merkt, dass das Thema doch nicht so groß ist und man eigentlich schon viel weiter sein sollte. Auf der anderen Seite ist es aber auch schön zu sehen, dass Menschen durch diesen Film, daran geführt worden sind und vielleicht anfangen, darüber nachzudenken. Eigentlich ist das auch das Ziel, wenn man eher künstlerische Filme macht. Dass es irgendwo ankommt und Menschen auch auf Grundlage des Films sagen: Hey, ich möchte mehr über das Thema wissen.
STROBO: Ihr habt bis zur Veröffentlichung täglich Aufklärungscontent zu Endometriose, Verhütungsmitteln und persönlichen Filmempfehlungen auf eurem Instagram-Account geteilt. Unter euren Empfehlungen waren auch Filme von FH-Student*innen – wieso empfehlt ihr denn die Arbeit eurer Ex-Kommiliton*innen?
Jascha: Als Kollektiv sind wir Fan davon, sich gegenseitig zu unterstützen. Die Branche ist einfach sehr nischig und klein und die wenigsten leben davon. Man ist von dieser gegenseitigen Unterstützung auch ein bisschen abhängig. Hier in Berlin versuchen wir, gerade auch mit den FH-Leuten aus Dortmund, Kontakt zu halten und das Netzwerk möglichst eng zu weben. Natürlich machen die auch Top-Filme. „When I bleed“ ist zum Beispiel auch ein fantastischer Film.
Jonas: Bei dem Film war auch klar, dass er thematisch sehr nah an „Zyklus“ ist. Es musste schon immer ein Bezug zu unserem Film vorhanden sein – also nicht einfach nur zu Dortmund oder der FH. Bei „When I bleed“ war das für uns aber optimal.
STROBO: Ihr habt 2015 beziehungsweise 2016 mit dem Studium an der FH begonnen. Seid ihr zufällig oder ganz gewollt in Dortmund gelandet?
Jascha: Ich komme aus Dortmund. Für mich war schon klar, dass wenn ich in dem Bereich was machen will, dann will ich das auch an der Uni in Dortmund machen. Ich hatte einfach schon viel darüber gehört. Bei dir war es …?
Jonas: Mir wurde es empfohlen, als ich in Berlin war – schon damals [schmunzelt]. Dadurch, dass die Dortmunder*innen ein bisschen die Underdogs sind und nicht so viel Geld und Technik haben, lernen sie, mit wenig Mitteln trotzdem sehr gute Filme zu machen. Ich wollte aber auch nach Dortmund, weil es bis 2005 ein Kameradiplom-Studiengang war und da nur Kameramenschen ausgebildet wurden. Da ich wusste, dass ich Kamera studieren will, hatte ich auch die Hoffnung, dass die Dozierenden und die Technik von damals noch vor Ort sind.
„Es sind nicht nur Kumpel und Kohleabbau“ – Jonas vom Luxus Filmkollektiv
STROBO: Wie habt ihr die lokale Filmszene während eures Studiums wahrgenommen?
Jascha: Innerhalb der FH war es auf jeden Fall gut vernetzt. Man hat auch unter den Jahrgängen zusammengearbeitet – ob man im Master oder Bachelor war, war dabei eigentlich egal. Das war extrem schön. Da ich die Produktion mache, also mich um die Orga und das ranschaffen von Geldern kümmere, kann ich auf alle Fälle sagen, dass es häufig sehr schwierig war, überhaupt einen Film auf die Beine zu stellen. Es gab ein paar Stiftungen und natürlich die NRW-Filmförderung – die kriegen aber meistens nicht alle.
Jonas: Das hat sich aber verbessert.
Jascha: Hat es das?
Jonas: Dortmund bekommt wesentlich mehr Förderung als in den letzten Jahren – seitdem wir weg sind [lacht].
STROBO: Und wie ist Dortmund als Drehkulisse?
Jonas: Ich komme gerade aus Dortmund. Ich bin auf der Rückfahrt aus Wien über Dortmund gefahren und ich mag Dortmund schon richtig gerne. Es ist einfach schade, dass zum Beispiel die Dortmunder Nordstadt im Tatort häufig abgewertet wird. Das fördert die Stigmatisierung des Viertels und ich habe das Gefühl, dass sich nicht ernsthaft mit der Realität der Menschen auseinandergesetzt wird.
Viel wird auch gar nicht in Dortmund gedreht, sondern teilweise in Duisburg. Es ist viel vielseitiger und nicht alles nur Ruhrgebiet-Kumpel und Kohleabbau. Du kannst eigentlich sehr viele und sehr diverse Geschichten erzählen.
STROBO: Was habt ihr aus dem Studium für eure jetzige Arbeit mitgenommen?
Jonas: Der beste Vergleich ist unser FH-Abschlussfilm und „Zyklus“. Der Abschlussfilm hatte ein Budget von real 14.000 Euro. Wir haben einen Riesenaufwand betrieben: Super viele Sponsoren angefragt, eigentlich ein Jahr Vorproduktion betrieben, dann gedreht und anschließend fast zwei Jahre Postproduktion gemacht. Es war auf jeden Fall viel Geld, viel Aufwand, viele Leute auf dem Set, sehr viel Stress und am Ende sehr viele kaputte Menschen. Denen sind wir natürlich dankbar, dass sie uns geholfen haben! Wir liefen auf einer Handvoll Festivals, die auch gut waren. Aber es hat mir im Nachhinein gar nicht so viel gebracht. Dann haben wir für 200 Euro in vier Wochen „Zyklus” produziert und jetzt haben wir Zeitungsinterviews mit der taz, um die 30.000 Views auf Instagram und Leute, die sagen, dass das richtig wichtig ist.
Ich glaube, da habe ich gemerkt, dass es nicht diesen Riesenaufwand braucht – gerade, wenn man am Anfang des Studiums ist. Der Inhalt ist einfach ausschlaggebend und dass man wirklich was zu erzählen hat. Ob dann die Machart ein hochqualitativer Spielfilm oder ein drei-Minuten-Film ist, ist eigentlich egal, solange es die Leute erreicht. Das war auf jeden Fall das Lehrreichste nach dem Studium [lacht].
Die Vorteile des Kollektivs
STROBO: Seit 2022 seid ihr in der aktuellen Konstellation als Luxus Filmkollektiv unterwegs. Was würdet ihr sagen, bringt euch die Arbeit im Kollektiv?
Jascha: Dadurch, dass wir ein Kollektiv sind, haben wir ganz andere Möglichkeiten aufzutreten, Sachen zu planen und vorauszudenken. Wenn wir beim Dreh in die einzelnen Departments gehen, waren wir vorher alle die ganze Zeit mit dabei. Das heißt, wir wissen alle, worum es geht. Alle stehen von vorne bis hinten hinter dem Projekt und können viel schneller kreativ werden. Das ist einfach eine extreme Stärke, womit wir dann noch angenehmer Filme machen können.
Jonas: Und ich glaube auch, dass die Zeit des einzelnen Autors, der seine Geschichte erzählt, vorbei ist.
STROBO: Vor zwei Wochen ist euer zweiter Film „Ich will nicht laut sein müssen“ auf den „Vienna Shorts“ gelaufen. Was könnt ihr schon über diesen und die kommenden Filme verraten?
Jonas: Im Prinzip geht es in „Ich will nicht laut sein müssen“ um das Aufwachsen weiblich sozialisierter Menschen. Auf eine Art schlägt es eine Brücke zu „Zyklus“, aber es ist nicht nur das Körperliche, sondern vielmehr das Gesellschaftliche, das jetzt in den Vordergrund rückt. Gerade planen wir einen weiteren Teil, der sich mit der Nazi-Vergangenheit des Urgroßvaters von Eva auseinandersetzt.
Letztendlich haben wir keinen Plan, wie lang diese Reihe sein wird und was sie thematisch wirklich beinhalten soll. Wir denken jetzt darüber nach, was uns wichtig ist oder was gerade erzählt werden sollte. Das ist vielleicht auch das Ding mit Aktualität und den Nerv der Zeit treffen.
Wenn man vor den kommenden Wahlen steht und die politische Landschaft betrachtet, dann ist das gerade meiner Meinung nach eines der dringendsten Themen, über das gesprochen werden muss. Ich fände es schade, wenn wir irgendwann sagen würden, dass wir jetzt alles verstanden haben. Wir freuen uns, wenn wir uns weiter auf eine Suche begeben und das gemeinsam als Freunde machen können.
Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Wie 3D-Artists über Dortmund rappen.