„Mein altes Wohnzimmer “ – Das subrosa im Porträt

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Mitten in der Dortmunder Nordstadt trifft Hafenflair auf Herz, Jazz auf Jutebeutel und politische Botschaften auf Pils. In der Nordstadt-DNA tief verankert, ist das subrosa seit über 30 Jahren Wohnzimmer, Bühne, Safe Space und Kiezkneipe in einem. STROBO-Autorin Emilia Huhn war an drei Abenden da.

Lesedauer: 6 Minuten

Am Sonntagnachmittag im Februar dämmert es bereits. Von weitem ist der Schriftzug schon zu erkennen. Er leuchtet auf rotem Hintergrund und in altdeutscher Schrift über dem Eingang. An einer Hausecke in der Dortmunder Nordstadt liegt das subrosa. Drinnen besetzen ein paar Gäste die hölzernen Barhocker. Schallplatten an der Decke lenken von den hellen und dunklen Altersflecken am Putz ab.  An der Bar vorbei ist da die kleine Bühne. Sie ist mit Instrumenten bestückt und leuchtet in warmen Farben. Mittlerweile haben sich mehr Besucher*innen angesammelt. Ein Mann sitzt auf dem Boden, etwa einen Meter vor der Bühne. Eine hauchige Saxofon-Melodie, begleitet von sanften Gitarrenakkorden und Percussion-Brushes läutet den ersten von drei Besuchen im subrosa ein. 

Ein Stück Hamburg in Dortmund

Die Jazz-Band am Sonntagnachmittag nennt sich qubur und spielt zum ersten Mal im subrosa. Linus Hagen ist Pianist und vom Publikum positiv überrascht. „Schön, dass ihr alle so schön zuhört“, sagt er zwischen zwei Stücken. Nach dem Auftritt berichtet Linus, dass ihm der beschriftete Rettungsring in der Bar aufgefallen ist: „Da steht: ,südlichste Hafenkneipe Hamburgs`. Ich komme aus Hamburg, irgendwie habe ich mich hier direkt zu Hause gefühlt.“ 

Im subrosa gibt es regelmäßig Livemusik. Foto: Leopold Achilles

Cornel (Conrad) hat das subrosa 1993 eröffnet. „Wenn ich mir Anregungen vorher geholt habe, dann waren das sicherlich Kiezkneipen in Hamburg. Ich war immer sehr Hamburg-affin.“ Nicht nur der Rettungsring erinnert an die Hafenstadt. Wandert der Blick nach oben, hängt dort ein Affe aus Stoff. Sein Hut ist mit „St.Pauli“ beschriftet und er trägt eine Sonnenbrille. An die Herkunft des Dekostücks kann sich Cornel nicht mehr erinnern. „Das hat sich alles über meinen Freundeskreis und Flohmarktbesuche angesammelt.“ Cornel hat schon Jahre vor Eröffnung des subrosa von der eigenen Bar geträumt. „Wir waren alle der Meinung, dass in Dortmund nicht viel los ist. Viele Freunde sind nach Köln, Berlin und so ausgewandert. Ich war derselben Meinung aber dachte: Das ist nicht nur ein Makel, sondern auch eine Chance. Und dann habe ich mir die Kneipe zusammengebastelt, die mir selbst in Dortmund immer gefehlt hat.“

Vom Gast zum Gastgeber

Simon ist seit 2019 Pächter des subrosa und war zuvor lange Zeit Stammgast in der Bar. „Ich war acht, neun Jahre lang bei so vielen Konzerten wie ich sehen konnte.“ Die Stimmung in der Bar hat es ihm besonders angetan: „Es ist einfach eine sehr gemütliche, intime Atmosphäre.“ Die Bedeutung des Namens der Bar unterstreicht Simons Wahrnehmung. „subrosa kommt daher, dass man früher in Besprechungsszenen eine Rose unter die Decke oder an die Tür gehängt hat, um zu signalisieren: Hier wird jetzt unter sich gesprochen.“

Der Name der Kneipe findet sich auch in der Deko wieder. Foto: Leopold Achilles

Am zweiten Abend im subrosa bleibt es intim. Als würde eine große Familie es sich vor dem Fernseher gemütlich machen, rückt das Publikum zusammen, um einen guten Blick auf die Bühne zu bekommen. Auf der Bühne flackert eine rote Kerze, befestigt in einer alten Flasche auf gestapelten Bierkisten. Den Hintergrund der Bühne schmückt eine Büste und ein Gemälde einer Frau, die mit Hawaii-Ketten bekleidet ist.

Beim Poetry Jam lehnen die Organisator*innen die üblichen Regeln in einem Poetry Slam-Wettbewerb ab: „Ihr könnt allein oder als Gruppe auftreten. Ihr dürft singen, tanzen, alles!“, erklärt der Moderator. Bevor eine junge Frau einen Text über ihren Weg zum polyamorösen Leben vorträgt, kommentiert ein Zweierteam die imaginären Mikado-Weltmeisterschaften. Danach tritt ein Mann mit einer Ode an die Demokratie auf. Seine Performance endet mit der Parole „Nie wieder ist jetzt“, die das Publikum ohne Zögern übernimmt. In der Woche vor der Bundestagswahl stehen Menschen in der kleinen Kneipe im Dortmunder Norden zusammen und setzen ein Zeichen gegen Rechtsextremismus. Auf den Toiletten und an der Bar häufen sich Sticker mit Anti-Nazi-Botschaften. Statements wie „FCK NZS“ und „The Future is Feminist“ prangen auf den Schildern.

Das subrosa ist für die Gäste ein Ort, an dem alle willkommen sind: „Ist eigentlich egal, wer man ist, hier fühlt man sich einfach wohl. Queere, Trans-Personen, People of Color, alle möglichen Arten von Menschheit kommen hier zusammen.“, erzählt Lika (33) nach dem Auftritt der französische Sängerin Billie Bird. Ihre Freundin Kim (28) hatte sie mit den Karten überrascht. „Ich wollte ursprünglich gar nicht kommen. Wenn ich im Nachhinein die Musik gehört hätte, hätte ich bereut, dass ich nicht da war.“

Poetryslam, Talentschmiede oder Disco – Das subrosa ist wandelbar. Foto: Carmen Körner.

Sieben Tage Halligalli

Dass im subrosa internationale Künstler*innen auftreten, musste sich zuerst entwickeln. „Ursprünglich habe ich Straßenmusiker*innen in der Fußgängerzone angehauen, ob die Lust haben, abends auch mal in der Kneipe zu spielen.“, erzählt Cornel. Die Kneipe war schon seit ihrer Öffnung beliebt. „Das Ding hat hier eingeschlagen wie eine Bombe. Das war das richtige Ding zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das erste halbe Jahr war hier sieben Tage Halligalli.“ Nach einigen Jahren konnte Cornel sein Netzwerk spielen lassen und seinen Lieblingsact Nikki Sudden nach Dortmund holen. „Ich habe es auch erst geglaubt, als er dann wirklich hier durch die Hintertür reinkam, als er zum ersten Mal aufgetreten ist. Und dann hat er bis zu seinem viel zu frühen Tod 2006 zehn Jahre lang regelmäßig im subrosa gespielt.“ Nikki Sudden zu Ehren hängt noch heute sein Plakat in der Bar. 

Abschied und Neuanfang

2017 beschließt Cornell: Er will nicht mehr. „Nicht, weil ich keine Lust mehr hatte. Ich hatte einfach keine Energie mehr.“ Heute sitzt er am Soundpult und ist damit immer noch in die Arbeit integriert. Simon ist 2019 bereit, das subrosa zu übernehmen. Die Arbeit ist allerdings mit vielen Herausforderungen verbunden. Simon lebt nicht vom Job als Pächter. Er hat tagsüber einen Bürojob und abends beginnt die Nachtarbeit. Dafür zahlt er sich kein Gehalt aus. „Ich versuche, den Laden zu erhalten.” Er übernimmt vor allem das Booking für die Live-Musik in der Bar. „Dazu kommt die Buchhaltung und tausend Handwerks- und Hausmeisteraufgaben.” Doch die finanziellen Sorgen nimmt Simon in Kauf, denn die Live-Musik holt für ihn alles raus. „Das sind die schönsten Konzerte, die irgendwo stattfinden. Man steht hier direkt vor der Bühne, einen Meter vor den Künstler*innen.” 

Alte Freunde, neue Erinnerungen

Für den Auftritt von Billie Bird rückt das Publikum extra nah an die Bühne heran. Die Künstlerin singt auf Französisch. Die minimalistische Begleitung zur sanften Stimme sorgt für ein atmosphärisches Konzert. Zwischen den Songs unterhält Billie Bird das Publikum mit kleinen Witzen. Mit einem französischen Akzent nennt sie es ihre „Dortmund-Schatzis“ – lautes Gelächter vom Publikum. 

Rotes, dämmriges Licht: Das subrosa hat eine besondere Atmosphäre. Foto: Leopold Achilles

Martin (Matze, 58), Orge (54) und Aljoscha (54) sind für das Konzert von Billie Bird im subrosa. Sie kommen aus Dortmund und aus dem Sauerland. Als Cornel die Bar eröffnet hat, waren sie Studenten und Stammgäste. „Das ist mein altes Wohnzimmer. Hier ist meine Wurzel. Heute sind wir zum ersten Mal seit langer Zeit wieder hier“, erzählt Matze. Orge denkt an die ersten Jahre in der Bar zurück: „Früher habe ich hier immer Fußball geguckt. Als die WM in Südafrika war, gab es afrikanische Nationalspeisen. Ich bin immer direkt von meinem Referendariat hier hin gestiefelt und habe mir dann dieses schräge Zeug reingeschaufelt.“ Aljoscha ist mit Orge zur Schule gegangen. „Wir sind so eine Clique. Wir haben hier damals einen Stammtisch gegründet.“ Orge erklärt, was er am subrosa schätzt: „Ich mag eher gemütliche, ein bisschen runtergekommene Läden mit Charakter. Hier wird Livemusik gespielt, das finden wir super. Und ein Bierchen ist ja auch immer schön dabei.“

Ob für ein Bierchen, Musik oder gute Gespräche – seit vielen Jahren zieht es die Dortmunder*innen in die unscheinbare Eckkneipe in der Nordstadt. Und eins ist klar: Beide Seiten der Theke haben Geschichten über den Ort zu erzählen.

Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Klaus Fiehe im Planetarium Bochum.

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