Am 08.11.2024 veröffentlichten die Dortmunder Punker Zymt mit „Hochstapeln in der Bückzone“ ihr zweites Album. Auf 22 Songs in 35 Minuten lachen sie nicht nur über die Irrnisse unserer Zeit, sondern stellen auch eindrucksvoll ihre musikalische Weiterenwicklung unter Beweis. STROBO-Autor John Schmidt hat sich die Platte für euch angehört.
Die Fünf Dortmunder der Band Zymt haben mit Hochstapeln in der Bückzone den Nachfolger des 2022 erschienenen Albums Das Privileg der Misanthropie veröffentlicht und dabei ist alles wie bisher, aber anders: Wie gewohnt mit triefendem Sarkasmus und Mitgröhl-Potenzial, aber etwas ungestümer, durchdachter und garage-rockiger als vorher. Oder wie sie es selbst beschreiben: „Deutschpunk trifft auf schlageresque Deutschwelle küsst Rock’n’Roll mit Flinte auf der Veranda.“ Die Band, bestehend aus Maz (Gesang), Alex Rakete (Gitarre), Jonas (Synthesizer), Achim (Bass) und Chris (Drums), klingt hier wie eine eingespielte Kapelle des richtigen Punk im falschen Deutschland.
So schön Punk hier: 22 Songs in 35 Minuten
Der Zymt-Smiley ist auf dem AI-generierten Cover von Hochstapeln in der Bückzone zu einem Mensch geworden und auch Zymt haben sich weiterentwickelt: Jeder der Fünf kommt mal zum Zug und kann eigene Ideen einbauen, während das Album kurzweilig über die Ohren hinwegfegt.
„Charmant ohne jeden Anflug von Vorstadt-, Großstadt- und Vaterlandsliebe“ beschreiben Zymt die Platte selbst und das trifft es – ohne jeden Hauch von Ironie – gut auf den Punkt. Etwa bei So Schön Deutsch Hier kann man sich wenigstens darüber freuen, dass die Lage im Allgemeinen und CDU-Politiker im Besonderen als Hintergrundfolie für einen geilen Punksong herhalten können.
Dass die Welt schnelllebig ist und viele Songs bereits nach kurzer Zeit outdated sein können, hat der Zymt-Song Was kannst du für Armin Laschet tun? vom vorherigen Album gezeigt – daraus haben Zymt gelernt. Eine kluge Entscheidung, wenn man Christian Lindners Leben in den Tagen vor Plattenveröffentlichung verfolgt hat. Wobei, die Zeile „Schalke in Dortmund in Liga Drei düpiert“ auf Im Westen Was Neues könnte auch schlecht altern – klingt aktuell aber tatsächlich wie eine richtungsweisende Prophezeiung (sofern Dortmund II gemeint ist).
„Ich möchte kein Eisbär sein“: Hochstapeln in der Bückzone mit Anspielungen und Hommagen
Der Zwei Promille Viertelpfünder startet erstmal wie die Ärzte zu ihren besten Zeiten, sarkastische Anspielungen warten in nahezu jedem der kurzen und knackigen Songs und Samples von besorgten Bürger*innen und Philipp Amthor runden das ganze Punk-Feuerwerk ab. Auch das Feature von Josi Reiz auf Volksverräterin und der Gastgesang auf Selfcareritual reihen sich hier ein und erweitern den Zymt-Sound auf organische Weise. Angetreten um „die anhaltende Rückverdummung studentischer Festivalbesucher beim Namen zu nennen“ und die Volkshelden von TikTok ebenso wie Ostwestfalen zu beschimpfen, werden auch Punks und sich alternativ gebende Menschen kritisiert, am besten gelingt das auf Geil van de Laave und Air Force 1.
Dabei merkt man auch immer, dass die Songs weit von klassischem Schrammelpunk entfernt sind und Zymt nicht nur draufknüppeln können. Den Beweis dafür bietet der letzte Song vor’m Outro Ich bin die Erde, welcher auf über 4 Minuten unerwartet ruhig beginnt und bei dem klar wird: Der Song gefällt auch meiner Mutter.
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