In einer alten Verladehalle der Mannesmannröhrenwerke schlägt das Herz der WERK°STADT Witten. Unter dem Leitsatz „Kultur von allen – für alle“ möchte sie junge Menschen dazu ermutigen, eigene Projekte und Ideen umzusetzen. Mit offenen Armen für alle Gruppen und Communities nimmt sie die Bedürfnisse der Gesellschaft auf und geht dadurch immer neue Wege – in Form verschiedenster kultureller Angebote. Im STROBO-Interview spricht Geschäftsführerin Sabrina Eilebrecht über die bunte Veranstaltungsvielfalt, aktuelle Herausforderungen und die Vision der WERK°STADT.
STROBO: Wie würdest du die WERK°STADT in drei Worten beschreiben?
Sabrina: Divers. Facettenreich. Aber auch charmant-chaotisch (lacht).
STROBO: Wie bist du persönlich zur WERK°STADT gekommen?
Sabrina: Ich habe als Jugendliche an dem Projekt ‘Distanz’ teilgenommen – eine prägende Erfahrung. Später habe ich hier meine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau begonnen.


STROBO: Kannst du etwas zur Geschichte der WERK°STADT sagen?
Sabrina: 1977 wurde die WERK°STADT als reines Jugendzentrum vom damaligen Träger „Falken Bildungs- und Freizeitwerk NRW“ gegründet. Der Name leitet sich aus dem Wunsch ab, ein Werk für die Stadt Witten zu sein. In die alte Verladehalle wurden damals einzelne Gebäude gebaut – die Entstehung einer Stadt in einer Stadt, in der verschiedenste Ideen Realität werden. Hier findet Holzwerken statt, dort blüht ein Café oder es wird Theater gespielt.
Das angrenzende Café Treff° entstand später aus dem Umbau einer alten Halle und ist heute das kreative Herz der WERK°STADT. Es ist für Kinder und Jugendliche von Mittwoch- bis Sonntagnachmittag geöffnet. Als freier Träger kümmern wir uns um den Betrieb für die Stadt, die uns im Namen der Kinder- und Jugendkulturförderung unterstützt.
STROBO: Was ist das Selbstverständnis der WERK°STADT und welche Rolle spielt sie für die Stadt Witten?
Sabrina: Unser Leitsatz ist „Kultur für alle – von allen“. Wir möchten offen sein und Menschen dazu ermutigen, ihre eigenen Projekte und Ideen umzusetzen. Wir wollen niemandem etwas überstülpen oder eine Richtung vorgeben. Es geht darum, die Bedürfnisse der Gesellschaft aufzunehmen und daraus Programmatiken zu gestalten.
Wir haben ein diverses Programm. Angefangen beim Kinderfest für Familien, über Kabarett und Theaterveranstaltungen, bis hin zu Motto-Partys für verschiedenste Altersklassen. Zeitlos beliebt sind die Trödelmärkte, wo ältere Semester ihren alten Klüngel verkaufen – total charming. Und wir wollen weiter diverser werden. Seit letztem Jahr gibt es wieder eine barrierefreie Party – „All for One“. Darüber hinaus etabliert sich aktuell eine afrikanische Community, in Form eines afrikanischen Fests und eines Tanzkurses.

STROBO: Wie wichtig ist Partizipation? Können junge Menschen in der WERK°STADT mitgestalten?
Sabrina: Ja. Ein schönes Beispiel ist die „Young Beats Party“ von und für 12- bis 15-Jährige. Da arbeiten wir mit Jugendlichen und Ehrenamtlichen zusammen, die aktiv mitplanen und mithelfen können.
Jeden ersten Donnerstag findet hier im Café Treff° ein Plenum statt, wo die Jugendlichen überlegen, welche Projekte sie in den nächsten Monaten umsetzen möchten.
Mittwochs findet ein Queer Treff° mit wechselndem Motto statt, der stets andere Bedürfnisse aufgreift – mal FLINTA*, mal TINQ*, mal etwas ganz anderes.
Weiter bieten wir gemeinsames Kochen und Essen an. Es gibt Karaoke-Treffs, Workshops, Tanz- und Theaterkurse, Kleidertausch, Podcasts, Film- und Spieleabende – immer zum Mitgestalten. Jeden Sonntag gibt es einen Kreativ-Treff, wo jede*r Ideen einbringen kann.

STROBO: Welche Vision verfolgt die WERK°STADT mittel- und langfristig?
Sabrina: Die Vision entwickelt sich gerade so ein bisschen neu, was sehr spannend ist. Mitte 2023 sind wir, aufgrund von drohender Zahlungsunfähigkeit, in ein Insolvenzverfahren gegangen. Seit letztem Jahr sind wir glücklicherweise unter neuer Trägerschaft. Der Bildungsträger lässt uns völlig freie Hand.
Über kurz oder lang müssen wir die WERK°STADT, vor allem als Gebäude, neu denken. Wir müssen eine neue Perspektive aufbauen. Inhaltlich steht fest, was wir wollen, aber wir müssen Initiativen und Akteure ins Boot holen. Aktuell arbeiten wir bereits eng mit der Caritas, dem Weniger e. V. oder dem Stadtmarketing zusammen. Es entsteht ein immer dichteres Netzwerk, in dem wir Hand in Hand arbeiten können – das macht gerade echt Spaß.
Die Kernfrage ist, welche Stellschrauben wir drehen müssen, um ein offenes Haus zu bleiben, das in der Zukunft bestehen kann, und dabei weiterhin unserer Philosophie nachkommt.
STROBO: Mit welchen gesellschaftlichen oder politischen Herausforderungen seht ihr euch aktuell konfrontiert?
Sabrina: Für die Kommunalwahlen planen wir einen politischen Mittagstisch, um Politiker*innen eine nahbare, soziokulturelle Bühne zu geben – und darüber auch ein Stück an uns zu binden.
In erster Linie geht es immer um Fördergelder. Die Bezuschussung der Stadt aus dem Kinder- und Jugendförderplan läuft bis Ende 2026. Danach muss er für fünf Jahre neu beschlossen werden. Jetzt geht es darum, einen nachhaltigen und abgesicherten Zukunftsplan aufzustellen.

STROBO: Gibt es neue Ideen, Formate oder inhaltliche Richtungen, die ihr in der Zukunft realisieren möchtet?
Sabrina: Ich glaube, Witten würden größere Veranstaltungen sehr gut stehen. Das funktioniert nur im Zusammenschluss mit mehreren Akteuren, wie dem Kulturforum, dem Stadtmarketing und der WERK°STADT – gemeinschaftlich.
Ich als Einzelperson kann das nicht denken. Das muss gemeinschaftlich gedacht und umgesetzt werden. So ein Event im Kollektiv organisieren – das wünsche ich mir in Witten.
STROBO: Gibt es einen Moment, ein Event oder eine Begegnung in der WERK°STADT, die dich besonders bewegt hat?
Sabrina: Mich freut schon jeder lachende Mensch, der Spaß hat. Ich finde es schön, Menschen einen besonderen Moment zu bescheren. Das ist der Grund, warum ich Veranstaltungskauffrau geworden bin.
Vor einiger Zeit habe ich von der Theatergruppe Lebenshilfe e. V. ein Polaroid-Bild mit einem so herzlichen Brief erhalten, indem sie mir ihr tiefes Vertrauen und Mut für meinen Start in der WERK°STADT zugesprochen haben. Das war ein toller und motivierender Moment.
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