Künstler Rang Haider im Porträt: „Ohne die Kunst wäre der Mensch nichts“

Rang Haider (29) ist ein Bochumer Künstler, der seine Werke sowohl in Shisha-Bars als auch bei Fashion-Shows ausstellte. Die Werke des studierten Kommunikationsdesigners zeichnen sich durch markante Farben und dynamische Linien aus. STROBO hat den Künstler getroffen.

Die Ruhr-Universität Bochum wirkt auf den ersten Blick wie ein unansehnliches Massiv aus Beton. Der Künstler Rang Haider beobachtete jedoch schon während seiner Schulzeit ein kontrastreiches Farbenspiel auf den grauen Leinwänden der Gebäude und nutzte sie als Kulissen für seine Porträtfotografie. 

Jahre später erkannte er am selben Ort – in Hochzeiten der Pandemie – eine Collage gemeinschaftlicher Kunst wieder. Sie entstand aus übereinander gepappten Plakaten an den Wänden, die Ankündigungen, Student:innen-Parties und Werbungen aus der Zeit vor dem Lockdown dokumentierten. Dass Passant:innen immer wieder Stücke davon abrissen, benennt Rang als „gemeinschaftliche Kunst“ und taufte den Prozess sogleich Street Fragments. 

Von einem Medium Schichten wegnehmen und neue Dinge hinzufügen – dieser Prozess zeichnet auch Rang Haiders Werke aus und sollte den Stil des Künstlers entscheidend prägen. Der studierte Kommunikationsdesigner hat in seiner jungen Karriere bereits starke Wandlungen durchlebt. Von Fotoshootings und Musikvideos bis hin zu Imagefilmen trieb es ihn immer wieder zurück in die Malerei. „Irgendwann habe ich vor dem Computer ein Limit erreicht – aber vor der Leinwand konnte ich mich stundenlang austoben“, erzählt der 29-Jährige.

Der Künstler Rang Haider vor einem rosaroten Hintergrund.
STROBO hat Rang Haider zum Interview getroffen.

Künstler Rang Haider: „Platz schafft neue Gedanken“

Rangs Kunst wird mit vollem Körpereinsatz ausgelebt. Sie entsteht aus schwungvollem Auftragen von Farben und Spachtelbewegungen, die über riesige Leinwände realisiert werden. Betrachtet man seine bisherigen Werke nebeneinander, erkennt man laut Rang ein „Moodboard“ seiner künstlerischen Biografie. „Meine ersten Bilder waren noch chaotisch gewesen. Sie entstanden sehr intuitiv und noch unkontrolliert“, so der Künstler. Mittlerweile habe er gelernt, dass Kunst aus der Vereinigung von beidem bestehe, aus Kontrolle und Spontanität. Seine Handschrift hat Rang jedoch insbesondere während der Lockdown-Phasen während der Corona-Pandemie gefunden. Hilfreich dafür war die Anmietung eines Ateliers, denn „Platz schafft neue Gedanken“.

„Vorher habe ich quasi im Kinderzimmer meiner Eltern gemalt. Als ich endlich einen Raum für mich und meine Kunst allein hatte, konnte ich loslegen, mit Farben, Material und Motiven experimentieren. Dadurch habe ich oft in einem Moment an fünf Gemälden gleichzeitig gearbeitet“, erzählt Rang. 

In seinem Atelier eingeschlossen, arbeitete er an riesigen Projekten und setzte die Ideen des Street Fragments in die Tat um. Statt zerrissenen Plakaten, die sich an den Wänden der Ruhr-Universität türmten, waren es Farben, die er Schicht an Schicht auf die Leinwand brachte. „Die Leute machten während der Corona-Hochphase viele Spaziergänge. Die Plakate, die ich meinte, waren alle übereinander gepappt. Die Menschen gingen daran vorbei und rissen einfach immer wieder Fetzen davon ab – und darunter kamen neue Farben, neue Konturen zum Vorschein.“ Mit Pinseln trug Rang intensive Farben auf das Material auf, nur um sie später herunter zu spachteln. Durch diese akribische Arbeit entstanden neue Dimensionen und Abstraktionen. 

Rang Haider: Inspirationen aus der Welt

Gerade die Umwelt ist für Rang eine wichtige Inspirationsquelle. Er verreist gern und verarbeitet seine Erinnerungen in abstrakten Landschaftsgemälden. „Mich faszinieren vor allen Dingen Konturen und Bewegungen, die um uns in der Natur entstehen“. Während eines Strandurlaubs beobachtete der Künstler die Bewegung vom Meer, wie Wellen ans Ufer treffen und Kurven in den Sand zeichnen. Seine Imitation dieser Bewegungen führen auf der Leinwand zu farbintensiven, dynamischen Resultaten. „Deshalb – je öfter du an den Bildern vorbeiläufst, desto mehr erkennst du wieder in den vielen Linien und Farben“, erläutert Rang und deutet auf die Details im Farbenmeer. 

Seine Motive sind daher vielseitig. Sie reichen von abstrakten Gemälden wie „Hieroglyphs“ über abstrakte Landschaftsimpressionen wie etwa „CostaDaCaparica“ bis hin zu eingehenden Porträts wie „Afrofuturistic No.1“. Die Handschrift des Künstlers ist an den kontrastreichen Tönen und der stark komponierten Auswahl an Farbpaletten zu erkennen. Während in einigen Werken Schraffuren von Spachtelbewegungen zu erkennen sind, werden in anderen Farben über große Fläche schwungvoll aufgetragen und verstrichen. Grenzen und Räume zu sprengen sowie Aufmerksamkeit durch den ehrgeizigen Blick seiner Porträts einzufangen, gehören dabei zu den Intentionen Rangs.

Das Gemälde "Costa Da Caparica" von Rang Haider.
Das Gemälde "CostaDaCaparica" von Rang Haider.

„Er deutete auf meine Bilder und meinte, darin einen Hasen zu erkennen“

Rang erzählt gern von Begegnungen auf seinen Vernissagen. Während sein Publikum früher hauptsächlich aus Freund:innen und Kommiliton:innen bestand, sind seine Besucher:innen heutzutage unterschiedlich. „Einmal sprach mich ein 90-jähriger Herr im Rollstuhl an. Er hat auf meine Bilder gedeutet und meinte, darin einen Hasen zu erkennen, der von einem Jäger davon läuft“, erzählt Rang und lacht, „und auch eine Tochter mit ihrem Vater hatte Spaß daran, in meinen Bildern was zu erkennen!“ Rang hat eine klare Vision für seine Kunst. Sie soll Freude auslösen und Menschen zusammenbringen, einen Raum für Zwischenmenschlichkeit und Austausch schaffen.

Der Weg zur ersten Vernissage war ein langwieriger. „Und nicht jeder kann und möchte ihn gehen“, erläutert Rang und erzählt von der Normalität eines ständigen Bedenkens im Künstlerberuf. Neben seinem Studium in Kommunikationsdesign fand Rang dennoch immer Zeit für seine Leidenschaft, verteilte an Passant:innen eigens entworfene Flyer für seine ersten Ausstellungen. „Ich musste als Künstler auch lernen, mich zu verkaufen, das gehört natürlich dazu“, sagt er und grinst. „Und natürlich habe ich damals viel zu teure Räume gemietet, die sich nicht rentiert haben. Aber man lernt aus seinen Erfahrungen, und ich würde diesen Weg immer wieder gehen.“ 

Kunst als Fußabdruck für die Ewigkeit: Künstler Rang Haider im Porträt

Bei der Nachfrage zur Reaktion seiner Familie zuckt Rang mit den Schultern. „Meine Familie war anfangs skeptisch über meine Berufung, da sie sich natürlich Sorgen und Gedanken machten, weil sie mich lieben.“ Dann lächelt er: „Aber mittlerweile haben meine Eltern sogar eine Wechselausstellung von mir zu Hause. Deren Wohnzimmer ist eine Galerie für sich.“ Ehrgeiz und Zielstrebigkeit zahlen sich für Rang aus. Seine Werke verkaufen sich, mittlerweile ist er auf dem Weg von seiner Kunst leben zu können. 

Rangs Projektideen sind vielfältig. Was ihn motiviert, ist das Bewusstsein, dass die Kunst sein Fußabdruck für die Ewigkeit sein kann. „Kunst schafft Kultur und ohne die Kunst wäre der Mensch nichts“, erläutert er schlicht. Über die Frage der Authentizität muss er daher nicht nachdenken: „Ich lebe das Künstlerdasein, ich nutze eigentlich jede freie Minute, um neue Konzepte zu erstellen, sei es für Ausstellungen oder neue Bilder.“ 

Die Zukunft verspricht für den Künstler immer wieder neue Möglichkeiten und spornt ihn für neue Projekte an. Dennoch ist es für Rang wichtig, die Menschen dabei zu erreichen, zu zeigen, dass es sich lohnt, sich der Kunst zu öffnen und vielleicht sogar selbst den Pinsel in die Hand zu nehmen. In seiner Kunst lädt er die Menschen ein am Prozess teilzuhaben. „Eigentlich ist es ganz einfach. Man muss nur damit anfangen.“

Der Künstler Rang Haider.
STROBO hat Rang Haider zum Interview getroffen. Foto: Inci Sen.

Rang eröffnet am Samstag, 19.11.2022, seine Vernissage im Barzani in Bochum.

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