Bählamms Fest bei der Ruhrtriennale 2021: Hautnahes Erlebnis mit verworrener Botschaft

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Bählamms Fest ist eines der Musiktheater-Stücke der Ruhrtriennale 2021. STROBO-Redakteur John hat sich die surrealistische Inszenierung von Olga Neuwirth angesehen und findet: Das Stück ist beeindruckend und schwer verständlich.

Bereits beim Einnehmen meines Platzes fällt mir auf: Die Jahrhunderthalle in Bochum ist wie erwartet eine großartige Kulisse für „Bählamms Fest“ von Olga Neuwirth (mit Text von Elfriede Jelinek, Regie: Dead Centre) und für dieses Musiktheater besonders schön hergerichtet. Das Landhaus, zentraler Handlungsort des Stückes, steht mitten im Raum der Bühne, abgegrenzt vom Publikum durch eine Grassteppe und einen See. Sphärische Klänge sind zu hören, geisterhafte Figuren huschen im Hintergrund der Bühne umher und meine Erwartungen sind bereits vor Beginn hoch. Das Musiktheater ist nach dem Drama von Leonora Carringtons Das Fest des Lamms von 1940 geschrieben, im Vordergrund steht der Kampf des weiblichen Individuums gegen Zwänge des Bürgerlichen.

Das Stück beginnt, indem sich das Landhaus dreht und eine Wand des Hauses krachend auf den Boden fällt. Die Familie Carnis, bestehend aus der Schwiegermutter Mrs. Carnis (Hilary Summers), dem Trunkenbold Philip (Dietrich Henschel) und seiner neu verheirateten und jungen Ehefrau Theodora (Katrien Baerts), zeigt die Grenzen bürgerlichen Lebens auf und setzt einen beklemmenden Grundton. Theodora hat bereits nach einem Monat Ehe genug von dem abgeschiedenen Landhaus und ihrer neuen Familie. Verübeln kann es ihr niemand. Wolfsmensch Jeremy (Andrew Watts), der mit dem Hund Henry gezeugter Halbbruder von Philip, verführt Theodora und verspricht ihr eine mögliche Flucht – reißt aber konstant Lämmer und wird dementsprechend von Jägern und der Polizei verfolgt.

Ruhrtriennale 2021: Bählamms Fest überzeugt mit großartiger Musik und Lichtgestaltung

Zu Weihnachten steigt das Fest der Lämmer. Der Bock will auf der sexuell geladenen Feier das Lamm Mary entjungfern, dies unterbricht Jeremy (als Erzengel Gabriel verkleidet) aber jäh. Mary wird ihm übergeben, er tötet das Lamm und anschließend wird er erschossen. Nach seinem Tod verlangt er von Theodora, jung, schön und bleich zu bleiben. Sie entscheidet sich allerdings dazu, alt zu werden, und damit endet das Stück.

Musikalisch begleitet ist das Stück von Dirigent Sylvain Cambreling und dem Ensemble Modern, welche mal unauffällig und mal aufdringlich das Stück großartig untermalen. Auch die Nebelmaschinen, anfangs fallender Schnee und die Lichtgestaltung runden das hautnahe Erleben ab. Selbst der See, über den mitten im Stück Theodora und Jeremy zu meiner Überraschung laufen, wird passend beleuchtet. Im Landhaus sind beidseitig Screens angebracht, welche regelmäßig in die Darstellung eingebunden werden und die beklemmende Grundstimmung komplettieren.

Bählamms Fest auf der Ruhrtriennale: Stück als Video-on-Demand noch bis zum 25. September zu sehen

Und obwohl ich von der audio-visuellen Darstellung äußerst beeindruckt bin, bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich das Stück richtig verstehen konnte. Klar, der Zwang der Frau in der bürgerlichen Familie oder die vermeintliche Rettung Theodoras aus eben dieser durch Jeremy sind eindrucksvoll dargestellt und verständlich. Die „fantastisch surreale Orgie zum Weihnachtsfest“ und die folgenden drei Szenen muss mir aber nochmal jemand genauer erklären.

Die Kindheitserinnerungen an den ertrunkenen Hund Spottie, der „Kampftanz“ von Margret und vier Gestalten (aber schöne Kostüme auf jeden Fall) oder eben das Fest der Lämmer sind zwar zweifelsohne grandios in Szene gesetzt, erschließen sich mir aber trotzdem nicht ganz. Vielleicht verstehe ich es auch nicht, weil ich Laie und nicht genug in der Materie oder weil ich kein großer Fan des surrealistischen Theaters bin. Sei’s drum, trotz meines Unverständnisses bin ich beeindruckt von der Aufführung und so begebe ich mich irgendwie grübelnd und irgendwie glücklich nach Hause.

Wer sich selbst ein Bild von „Bählamms Fest“ machen (und es mir vielleicht erklären) will: Vom 23. August bis zum 25. September ist das Stück als Video-on-Demand auf der Webseite der Ruhrtriennale zu sehen.

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