Das PENG Kollektiv hat keine Lust auf elitären Jazz

Ein Festival zur Förderung von Frauen im Jazz: Aus dieser Idee heraus gründete sich 2016 das PENG Kollektiv. Am kommenden Wochenende ist es nach einem Jahr Corona-Pause endlich wieder soweit. Welche Rolle Frauen im Jazz einnehmen und wie das Festival dazu beitragen will, dass sich gesellschaftlich etwas ändert, lest ihr im STROBO:Talk. 

STROBO: Rosa, Jazz stammt ursprünglich vom Blues – einer Musikrichtung, die maßgeblich von Schwarzen geprägt wurde. Wir haben sie uns als Weiße angeeignet. Wie sehr ist Jazz inzwischen eine Musikrichtung für eine weiße, elitäre Gruppe?

Rosa: Ich glaube, es ist einfach eine Tatsache. Es ist irre, wie sich das verändert hat. Wir haben zu der Frage mit PENG ein Interview mit unserer damaligen Gesangsdozentin Romy Camerun-Hoffmüller geführt, die auch PoC ist. Sie hat hauptsächlich weiße Student:innen. Jazz ist früher in „Clubs” entstanden. Es ist eigentlich keine Musik, die sich aus irgendwelchen Studien entwickelt hat. Mittlerweile wird Jazz aber an Hochschulen unterrichtet, dadurch wurde es sofort elitärer.

STROBO: Dabei ist Jazz ja eigentlich wie Pop eher eine Subkultur.

Rosa: Genau. Ich glaube, dadurch wird es schon ein bisschen beeinflusst. Dann können wir uns wieder angucken, wer denn überhaupt Zugang zu den Hochschulen hat. Das sind die Leute die Abi machen. Ist das alles gleichberechtigt? Nein, das wissen wir. Und darum ist es einfach so, dass sich Jazz zu einer elitären Kunst entwickelt hat. 

Gleichzeitig passiert ja immer viel Neues. Es gibt sowohl diesen elitäreren Jazz, aber auch Richtungen, die häufiger in den Clubs stattfinden. Jazz ist definitiv eine elitäre Kunst, ich glaube aber, dass er sich öffnen kann. 

STROBO:Inside

2016 gründeten die damaligen Jazz-Studentinnen Barbara Barth, Marie Daniels, Rosa Kremp, Maika Küster, Mara Minjoli, Christina Schamei und Johanna Schneider das PENG Kollektiv an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Ihre Idee: Ein Festival für Bandleaderinnen, um besonders Frauen im Jazz zu fördern. Mittlerweile findet das Festival zum fünften Mal im Maschinenhaus in Essen-Altenessen statt und auch inhaltlich hat sich einiges getan. Ursprünglich als feministisches Kollektiv gedacht, verstehen sich die Musikerinnen inzwischen als gesellschaftlich-progressive Gruppierung gegen jegliche Form von Diskriminierung. Neben einem hochkarätigen Line-Up ist seit 2019 auch eine Podiumsdiskussion fester Bestandteil des Festivalprogramms.
Ihr Erfolg geht dabei weit über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus. 2021 erhielten sie den WDR-Jazzpreis in der Kategorie „Ehrenpreis“. 

STROBO: Mit dem PENG Festival versucht ihr, dem Jazz ein bisschen das Elitäre zu nehmen…

Rosa: Das ist zum Beispiel ein Grund, warum wir versuchen, die Eintrittspreise sehr gering zu halten. Zu schauen, dass nicht nur bestimmte Menschen Zugang zu Jazz haben. Das ist uns wichtig. Wir sind nicht an der Philharmonie in Essen. Wir sind mit dem Maschinenhaus an einem Ort, der etwas Urbanes hat. Natürlich erreichen wir ein bestimmtes Publikum: das Jazzpublikum. Wir sehen dort die ältere Generation, aber genauso viele Junge. Und durch unsere Podiumsdiskussionen, die wir jetzt das zweite Jahr dazunehmen, habe ich das Gefühl, dass da nochmal ein anderes Publikum mitreinkommt. Nichtsdestotrotz ist es natürlich einfach immer das Ding, dass Jazz sich vielleicht weiterhin in einer Art Bubble bewegt!

STROBO: Wenn man an Jazz denkt, hat man gleich große Männernamen im Kopf, wie zum Beispiel Louis Armstrong. Finden weniger Frauen Zugang zum Jazz, weil es keine weiblichen Vorbilder gibt?

Rosa: Jazz war immer männerdominiert. Geschichtlich waren es wenig Frauen und wenn, oft Sängerinnen. Es gibt aber natürlich Ausnahmen. Auch wenn man Line-Ups auf Jazz-Festivals heute sieht, bestehen die meist aus Männern. Es fehlen einfach Vorbilder und deswegen machen wir das PENG Festival. Um eine Plattform zu bieten, wo Bandleaderinnen präsent sind. Ich glaube, das macht unheimlich viel aus. Es ist ja immer noch so, dass Mädchen denken: „Ne, Posaune ist laut. Trompete, kann man nicht. Und Schlagzeug auf gar keinen Fall!“ Wenn sie das aber auf einer Bühne sehen und hören, dann passiert schon ganz, ganz viel. Lustige Geschichte in dem Zusammenhang: Seit Esperanza Spalding – eine Kontrabassistin, die auch singt – ist jetzt ein größerer Zuwachs an Bassistinnen an den Musikhochschulen zu verzeichnen. Das ist nur ein Beispiel. 

STROBO: Kommen wir mal konkret zum PENG Festival. 2016 war ja ….

Rosa: Der Urknall.

(beide lachen)

STROBO: Was war der konkrete Anlass für die Gründung des Kollektivs?

Rosa: Es ist natürlich nicht 2016 entstanden. Da hat das erste Festival stattgefunden. Ein paar Jahre zuvor hatte Maika Küster aus unserem Kollektiv eine E-Mail an alle Frauen in der Jazzabteilung an der Folkwang geschickt. Darin stand: „Hey, sollen wir uns nicht mal treffen und was zusammen machen?“ Dann kam es zu einem ganz lockeren Treffen bei ihr zuhause. Da haben wir darüber gesprochen: „Lass uns was machen, wo wir Frauen im Jazz supporten.“ Und dann kam irgendwann die Idee für ein Festival, die immer konkreter wurde. Es gab eigentlich keinen konkreten Anlass. Ich weiß noch, Maika hat gesagt: „Wir sind so coole Frauen im Studiengang. Wir müssen uns doch eigentlich zusammentun.“

Foto: Leopold Achilles

STROBO: 2019 habt ihr zum ersten Mal eine Podiumsdiskussion mit in euer Festivalprogramm aufgenommen. Das ist ja für ein Musikfestival eher ungewöhnlich. Wie war die Reaktion des Publikums?

Rosa: Ich hatte das Gefühl, dass die Zuschauer:innen total offen waren. Und das mag ich am PENG Festival! Dass wir eine offene, warme Atmosphäre ohne Diskriminierung schaffen. Es ist einfach ein Ort, wo tolle Musik passieren kann und viele tolle Menschen zusammenkommen. Sogar Leute, die vielleicht erstmal gar keine Verbindung zu Jazz haben, sind dort. Einfach, weil sie politisch interessiert sind. Dadurch schaffen wir einen Raum für Diskussion. Darum geht’s ja. So war auch mein Gefühl bei den Zuschauern, dass sie das eigentlich sehr spannend fanden. Na klar, es war etwas anderes, aber ich glaube, es war ein guter Platz dafür. Auch hier wieder die Frage: Kann Jazz offener? Ja, er kann und wir versuchen es.

STROBO: Wie glaubst du, kann Musik dazu beitragen, dass sich gesellschaftlich etwas ändert?

Rosa: Musik war immer schon ein gängiges Mittel, um sich politisch zu engagieren und sich auszudrücken. Das kann sie heute noch sein. Gerade der Jazz ist natürlich eigentlich das Paradebeispiel dafür. Die ganze Wurzel, da geht es um Veränderung, um das Erzählen von Geschichten, um Leid, um das Thematisieren von gewissen Sachen. Zu jeder gesellschaftlichen Entwicklung gehört auch Musik dazu. Das kann sie und wird sie wahrscheinlich immer so können. Einfach, weil sie das Medium ist, wo jede:r Zugang zu haben kann. Weil sie Menschen auf einer Ebene weg von irgendwelchen Diskussionen berührt.

Mehr zu den Festivalterminen findet ihr hier.

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