Diese Studierenden machen die Bochumer Stadtgeschichte spannend

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Die Geschichte vieler Orte der Stadt Bochum ist reichhaltig – und manchmal auch eng mit dem Nationalsozialismus verknüpft. Sebastian und Thorben vom Verein Lernen durch Erinnern wollen dafür Sichtbarkeit schaffen und bieten aktuell sieben digitale Führungen durch die Stadt an. 

Sebastian Döpp und Thorben Pieper stehen vor einem schicken, alten Gebäude am Bochumer Ring. „Wenn man das Gebäude so sieht und als Schönheitsklinik wahrnimmt, dann errät man ja nicht, dass das hier als Nordbahnhof mal der zentrale Ort der nationalsozialistischen Deportationen in Bochum war“, sagt Sebastian. „Hier sind zwar eine kleine Tafel mit einigen Informationen und ein unauffälliges Denkmal, aber die Geschichte hinter dem Gebäude ist den meisten Bochumer:innen trotzdem vollkommen unbekannt.“

Thorben ergänzt: „Selbst als Geschichtsstudent wusste ich fast nichts über dieses Gebäude. Dabei ist der Nordbahnhof von den unbekannten Gebäuden Bochums noch das bekannteste und auffälligste.“ 

„Bei dem Holocaust denken die meisten Menschen an Auschwitz und Osteuropa, aber die Deportationen und Morde fanden ja auch hier im Ruhrgebiet statt“

Gründer Sebastian

Sebastian und Thorben sind Gründer des Vereins Lernen durch Erinnern. Das Ziel ihres Teams ist, die Geschichte der Bochumer Innenstadt sichtbarer machen und auch Sensibilität dafür zu schaffen. Deswegen gibt Lernen durch Erinnern auch in Kooperationen mit Schulen Workshops oder bietet, unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Fanprojekt Bochum, digitale GPS-basierte Führungen an ausgewählten Orten der Stadt Bochum an.

Foto: Samir El Hannaoui.

Vor allem nach vielen Gesprächen und Feedback weiß Sebastian jetzt: „Bei dem Holocaust denken die meisten Menschen an Auschwitz und Osteuropa, aber die Deportationen und Morde fanden ja auch hier im Ruhrgebiet statt. Das wissen die meisten Menschen gar nicht oder denken nicht dran.“ Aus dieser Erkenntnis heraus ist Lernen durch Erinnern überhaupt erst entstanden: Sebastian und Thorben hatten im Wintersemester 18/19 ein Seminar zur Geschichte des Ruhrgebiets.

Sieben digitale Führungen durch Bochum

„Dabei haben wir gemerkt, dass wir eigentlich keine Ahnung von der Stadtgeschichte haben“, sagen beide. Ursprünglich haben sie Führungen in Person geplant, durch die Coronapandemie wurden sie jedoch zur rein digitalen Umsetzungen gezwungen. So ist es mithilfe der auf der Webseite bereitgestellten QR-Codes aktuell möglich sieben digitale Führungen durch die Bochumer Stadt zu machen. „Das ist mittlerweile ein großer Vorteil und Alleinstellungsmerkmal im Vergleich mit anderen ähnlichen Angeboten“, erläutert Sebastian.

Auch im Bochumer Stadtpark gibt es einen erwähnenswerten Ort: Hier stand ein den im Kampf gefallenen deutschen Soldaten gewidmetes Kriegerdenkmal. Dort wurden 1935 zwei große Soldaten, einer in Wehrmachtsuniform, der andere in einer Kaiserheeruniform aufgestellt und standen dort auch bis 1983 – als Unbekannte sie kurzerhand zerstörten. Heute erinnert eine Tafel mit der Aufschrift „Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus“ eher unzureichend über die Geschichte des Denkmals. Sebastian wünscht sich etwa einen QR-Code als leicht zu zugängliche Informationsquelle am Denkmal.

Lernen durch Erinnern: Ausweitung des Projekts auf andere Städte möglich

 „Die öffentliche Erinnerungskultur hat noch großes Potenzial, denn eine Diskussion etwa über die Geschichte des Kriegerdenkmals kann nur stattfinden, wenn alle Menschen Bescheid wissen“, sagt Sebastian. Diesem Grundsatz entsprechend sollen auch einige Pläne von Lernen durch Erinnern eine größere Sichtbarkeit und Diskussionsmaterialen schaffen: So sind weitere Kooperationen mit Fanprojekten anderer Städte, Geschichtsvereinen, Schulen und auch mit ähnlichen Initiativen anderer Städte geplant. „Wir wurden auch schon von einigen Menschen aus anderen Städten angeschrieben, eine Ausweitung über die Bochumer Stadtgrenzen hinaus könnte also schon möglich sein. Super wäre eine Ausweitung des Projektes nach Dortmund“, so Thorben.

Auch sei eine App in Planung, falls mehr Geld zur Verfügung stehen wird. In näherer Zukunft plant der Verein auch eine Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde Bochums, ebenso Video-Interviewreihen mit Sozialarbeiter:innen, Künstler:innen und Historiker:innen. Ein kleines Ziel haben sie schon erreicht: An der Ecke Blumenstraße/Castroper Straße wurde am 24.06. unter Beteiligung von Lernen durch Erinnern der „Erich Gottschalk-Platz“, in Erinnerung an den aus Bochum vertriebenen und später internierten jüdischen Fußballspieler, eingeweiht.

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