Die Poetry Slammerin Tabea Farnbacher will nicht nur Texte schreiben und performen. Sie will junge Leute berühren. Schon während ihres Psychologiestudiums begeistert sich Tabea für das Schreiben und macht Poetry Slam später sogar zu ihrem Beruf.
Gesellschaftskritisch und tiefgründig. Durch diesen Stil zeichnen sich die Texte von Tabea Farnbacher aus. Seit sie 19 Jahre alt ist, steht die Poetry Slammerin mit ihrer Kunst auf der Bühne. 2018 schafft sie es damit sogar ins Finale der deutschsprachigen Meisterschaft. Neben dem Schreiben hat sie ein besonderes Anliegen: Sie wünscht sich gesamtgesellschaftlich ein stärkeres Bewusstsein für psychische Erkrankungen.
Durch Zufall zum Poetry Slam
Seit ihrer Jugend schreibt Tabea, vor allem Gedichte. Aber auch Kurzgeschichten, Kolumnen und Essays begeistern sie. Mit 19 Jahren hat sie dann ihre ersten Auftritte – zwei Monate, bevor sie ihr Psychologiestudium anfängt. Dazu kommt es durch reinen Zufall: Bei der Veranstaltung „Literadeln“ tragen sich Tabea und ein paar Freund:innen zwischendurch Gedichte vor. Dort wird sie von einem der Veranstalter:innen angesprochen, ob sie ihre Texte nicht auch mal bei einem Slam vortragen möchte. Über ihre Antwort muss Tabea nicht lange nachdenken: „Okay, dann mach ich’s.“
Der Austausch über psychische Gesundheit
Ursprünglich kommt die Slammerin zwar aus Hannover. Mittlerweile wohnt die 26-Jährige aber in Dortmund. Hier fängt sie nach ihrem Studienabschluss in einer Tagesklinik an und führt als Psychologin gruppen- und einzeltherapeutische Angebote durch. Sie weiß um die Diversität von psychischen Erkrankungen.
Mit 19 Jahren hatte Tabea eine depressive Episode: „Dass ich gesund geworden bin, ist genauso wichtig, wie dass ich erkrankt war.“ Daher komme unter anderem auch ihre starke Faszination für Psychologie und Kommunikation. Mögliche Auslöser und Faktoren, aber auch die Auswirkungen psychischer Erkrankungen interessieren sie schon während ihrer eigenen Krankheit. Tabea betont: „Psychische Gesundheit ist mir total wichtig und dass wir darüber sprechen und uns austauschen.“ Sie möchte zeigen, dass Gespräche und das Miteinander schon viel helfen können.
Tabea Farnbacher über die Selbstständigkeit: „Das war zu viel.”
Ein Jahr lang ist Tabea dann hauptsächlich als Poetry Slammerin unterwegs. Eine Zeit, die ihr viele neue Erfahrungen bringt, aber vor allem eine Erkenntnis: „Das war viel zu viel.“ Tabea merkt, dass ihr die Selbständigkeit zu anstrengend wird.
Vor allem die finanzielle Unsicherheit belastet sie zu dieser Zeit. Aber auch, dass sie immer mehr Kraft aufwenden muss, um sich selbst zu motivieren. „Ich war viel auf Tour und hatte dann auch teilweise elf bis zwölf Auftritte im Monat“, erinnert sich Tabea. „Ich war meine eigene Chefin, meine Kollegin, meine Freundin.” Sie beschließt, sich wieder hauptberuflich der Psychologie zu widmen. Den Poetry Slam liebt Tabea natürlich noch immer.
Tabeas eigener Zugang zum Feminismus
In ihrer Arbeit als Poetry Slammerin setzt sich Tabea besonders für feministische Themen ein. Zwei Jahre war sie beispielsweise im Vorstand der Slam Alphas. Der feministische Verein setzt sich stark für die Sichtbarkeit und Förderung von FLINTA* im Poetry Slam ein.
„Früher habe ich mir oft vorgeworfen, dass ich nicht wütend oder radikal oder laut genug für eine Feministin bin,“ sagt Tabea heute. Ihr sei es daher wichtig zu zeigen, dass es nicht nur den einen Weg gibt, um sich für eine Sache einzusetzen. Tabea hat herausgefunden, was es für sie heißt, feministisch zu sein. Ihre Aufgabe sieht sie darin, Fragen zu stellen, zu vermitteln und vor allem sich selbst nicht dafür zu verurteilen.
Neben dem Feminismus widmet sich Tabea auch weiteren Themen. Zum Beispiel handelte ihr Programm im letzten Jahr mit dem Ruhr Ensemble vom Klimawandel.
Zermürbendes Wettbewerbssystem im Poetry Slam
„Natürlich ist nicht alles im Poetry Slam perfekt”, räumt Tabea ein. Die meisten Poetry Slams finden als Wettbewerb statt. Das sei gerade für junge Leute sehr schwierig, die zum ersten Mal auf einer Bühne stehen. „Dann fragt man sich: ‘Bin ich okay, so wie ich bin?’ Da fühle ich mit, bei mir war es am Anfang auch so“, erinnert sich die 26-Jährige. Oftmals könne das Bewertungssystem junge Menschen abschrecken, die sich dem Druck nicht aussetzen wollen.
Auch Tabea ist immer noch nervös, wenn sie ihre Werke vorträgt. Einmal so sehr, dass sie ihren Text vergaß und den Auftritt abbrechen musste. „Ich verspüre immer noch sehr viel Aufregung und dass, obwohl ich nun schon so oft aufgetreten bin. Mittlerweile kann ich das an mir selbst besser akzeptieren“, weiß Tabea.
Sie wünscht sich insgesamt daher mehr Veranstaltungen ohne Bewertungstafeln und dass die gesamte Szene sanfter und offener wird. Die Poetry Slammerin hofft, dass das Miteinander und der Austausch deutlicher im Vordergrund stehen.
Menschen mit Texten berühren
Ein Moment ist der Slammerin besonders in Erinnerung geblieben: Das Finale der deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften 2018 vor über 4.000 Leuten. Auch an ihre erste Ausgabe der Lesebühne mit Jule Weber und Miedya Mahmod denkt Tabea gerne zurück.
In Zukunft möchte Tabea mit ihren Texten die Menschen berühren und weiterhin wichtige Themen ansprechen: „Auf der Bühne zu stehen und deine Botschaft zu haben – das finde ich richtig schön.“
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