„Ich möchte Theater machen, das wie ein Popkonzert ist“ – Theater-Meme-ler Dante

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Der Regieassistent und Fotograf Dante (24), oder @capermuralis, erstellt täglich Memes, in denen er den Nerv des Theaters trifft. Über seine Arbeit am Theater, den Umgang der Branche mit Kritik und die Frage, ob Bühnen noch die „Bretter, die die Welt bedeuten“ sind, spricht er im STROBO:Talk. 

STROBO: Dante, als Kind des Ruhrgebiets, bist du mehr Künstler oder Arbeiter? 

Dante:  Das steht beides für mich nicht im Widerspruch – ganz im Gegenteil. Als Kunstschaffender bist du nach meinem Verständnis immer auch ein Arbeiter. Man sitzt ja nicht auf dem intellektuellen Künstler-Olymp und denkt sich Kunst aus. Da ist auch ganz viel Handwerk im Spiel, egal um welche Kunstform es sich handelt. 

STROBO: Du bist mit deiner Arbeit als Fotograf häufig auch am Theater zu finden. Was zieht dich immer wieder an diesen Ort?

Dante: Ich glaub ich kann auch gar nicht anders als vom Theater angezogen zu sein. Für mich waren Kunst und Menschen schon immer interessant. Ich möchte dahin, wo man viel kommuniziert, wo man viel mit Menschen zusammenarbeitet, wo man Ideen zusammenbringt. Und genau das passiert am Theater. Das Theater ist ja auch eine Kunst, die kein Denkmal hinterlässt. Als Theatermacher:innen müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, dass das, was wir tun, besprochen und gesehen wird, aber irgendwann auch wieder vorbei ist. Nichts daran ist für immer, man baut keine Statue für sich selbst oder für die Ewigkeit. Dafür hat das Theater das Potenzial aktuell zu sein und am Puls der Zeit anzusetzen.

STROBO: Und was bedeutet diese Flüchtigkeit des Theaters für deine Arbeit? 

Dante: Ich habe mal irgendwo gelesen, dass eine der wichtigsten Qualitäten von Regisseuren das Verschwinden ist. Deshalb möchte ich später für meine Arbeit in Erinnerung bleiben, nicht für meinen Namen. 

STROBO: Du hast bereits einige Jahre Erfahrung als Regieassistent – woraus besteht deine Arbeit? 

Dante: Du bist quasi der Kleber zwischen den Gewerken, wie Technik, Kostümbild oder der Verwaltung. Du führst Regiebuch, du musst wissen, wer zum Haus gehört, wer zu den Gewerken gehört und du richtest natürlich auch die Requisiten ein. Dabei ist das Wichtigste bei der Arbeit als Regieassistent der zwischenmenschliche Kontakt. Eine gewisse Kommunikationsfähigkeit ist von essentieller Wichtigkeit, da man in vielerlei Hinsicht als Bindeglied zwischen dem Regisseur und den unterschiedlichen Gewerken, wie Technikern und Schauspielern, fungiert. Ein Teil der Arbeit ist aber auch das Wogen Glätten zwischen den Gewerken und der Regie. In manchen Momenten kann es aber sein, dass du als Assistent auch als Blitzableiter fungierst. 

STROBO: Wie meinst du das?

Dante: Na ja, es gab Assistenzen, in denen ich gedemütigt wurde und Flaschen nach mir und Darstellern geworfen wurden. Deshalb wünsche ich mir für die Theatergeneration der Zukunft sehr, dass so etwas nicht mehr zum Arbeitsalltag gehören muss. Ich glaube, wir sind an einem Punkt, wo wir Assistierenden und Hospitierenden mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen können, da diese Leute oft großen Rückhalt in Produktionen geben, und Ihre Arbeit teilweise nicht mal entlohnt wird. 

STROBO: Und trotz dieser kritischen Momente bist du mit Herz und Seele dabei?

Dante: Auf jeden Fall! Was mich beim Assistieren aber immer wieder glücklich macht, ist, dass man nie wieder einen solchen direkten Eindruck in die Arbeit der Kolleg:innen  bekommt. Man lernt unfassbar viel und ich versuche in meiner Arbeit immer wieder die Extra-Portion Liebe reinzustecken und die Leute glücklich zu machen – sei es die extra Portion Kekse oder die Lieblingsschokolade der Regie.

STROBO: Du bist für deine Theater-Memes auf Instagram bekannt und sie haben dir sogar schon Jobs am Theater besorgt. Was glaubst du, warum?  

Dante: (lacht) Ich weiß es auch nicht genau. Ich denke mal, sich beschweren und etwas verändern zu wollen, trifft gerade auf eine Grundstimmung in der Branche. Die Leute wollen einen Umbruch und Veränderungen, was die Arbeitsbedingungen als auch die Machtstrukturen angeht. Auf dieser Welle reite ich auch mit, mit dem was ich mache. Und ich bin ganz erstaunt, wie viel Feedback ich von Kolleg:innen bekomme. Besonders bin ich gerührt, wenn Theaterleute auf mich zukommen und sagen ‚Hey, das stimmt voll, so seh ich das auch. Das ist mir auch schon passiert‘. 

STROBO: Gab es schon schwierige Situationen wegen deiner Arbeit auf Instagram? 

Dante: Das kommt nur sehr selten vor und meist bekomme ich positives Feedback. Die Leute verstehen das, was ich mache, grundsätzlich richtig: nämlich als Kritik an strukturellen Problemen. Allerdings habe ich einmal etwas von @theateristrassistisch repostet, einem Account, der sich mit strukturellem Rassismus am Theater auseinandersetzt. Am nächsten Tag hat mein damaliger Regisseur mir dann vorgeworfen, ich würde ja gar nicht hinter der Inszenierung stehen. Er hat persönlich darauf reagiert und es als Provokation gegen seine eigene Inszenierung gesehen. Dabei ging es mir überhaupt nicht um seine Inszenierung im Spezifischen, sondern um das Problem von rassistischen Strukturen am Theater generell.

STROBO: Hört das Theater nun gern Kritik oder nicht? 

Dante: Als Theatermacher:innen verkaufen wir uns natürlich total gern als provokativ, neu und rebellisch. Da kann ich mich selbst nicht rausnehmen. Die Frage ist aber letztendlich nicht, ob das Theater Kritik mag oder nicht. Überall wo Menschen zusammenkommen, gibt es Probleme und Auseinandersetzungen und damit muss man umgehen. Es ist notwendig, Kritik an einem Ort üben zu dürfen, der selbst aktiv Kritik ausüben möchte – nämlich bei den Zuschauer:innen. Dieser Prozess muss auch intern hinter der Bühne möglich sein. Aber für mich geht es am Ende auch nicht darum eine Cancel-Culture aufzufahren, sondern zu sagen: Wir als Theater-Bubble, als Gemeinschaft, haben folgende Probleme und die sollten wir alle beleuchten und angehen – egal ob freie Szene, Kollektivgründung, eigene Theatergründung oder Stadt- bzw. Staatstheater. Und wenn wir am Theater sagen, wir seien „der Spiegel der Gesellschaft“ und wollen ihr „den Spiegel vorhalten“, dann müssen wir auch bei uns selbst anfangen. 

STROBO: Was möchtest du mit deiner Arbeit verändern? 

Dante: Ich glaube es wäre anmaßend von mir zu sagen, dass ich die Welt verändern kann. Wir können nur die Räder anstoßen, die wir zur Verfügung haben. Aber was ich mir natürlich wünschen würde, ist Raum zu geben zu können. Alles was ich an Plattform und Bühne bekomme, anderen Leuten zur Verfügung zu stellen und zurückzugeben. An die Leute, die es mir ermöglicht haben, dort zu sein, aber auch an queer, disabled, POC, und anderen Minderheiten, mit denen ich in einem Boot sitze. Deswegen bin ich grade dabei ein eigenes Kollektiv zu gründen, bei dem wir im klassischen Ensemblegedanken arbeiten wollen, nämlich, dass jede Stimme gleichwertig ist. 

STROBO: Sind Theaterbühnen heutzutage noch “Bretter, die die Welt bedeuten”? 

Dante: Der Spruch „Bretter, die die Welt bedeuten“ ist mir viel zu hoch aufgehängt. Theater hat Bedeutung und kann die Gesellschaft beeinflussen. Daran glaube ich. Theater war für mich auch immer ein willkommener Ort. Es ist quasi ein Happy Meal, bei dem für jeden was dabei ist: Konflikte, Gefühle, die wir alle mal erlebt haben, vor denen wir alle mal standen. 

STROBO: Wie sollte Theater deiner Meinung nach zukünftig sein?

Dante: Ich würde mir wünschen, dass Theater viel weniger ein intellektuelles Ding wäre, wo nur der Förderverein oder privilegierte Leute hinkommen. Ich möchte Theater machen, das wie ein Popkonzert ist. Etwas herstellen und zeigen, wo jede Person kommen kann und jeder sich wohl und gesehen fühlt. Und wo man sich auch unwohl fühlen kann und denkt: Wow, das hat was mit mir gemacht. Das würde ich mir wünschen. Und dann glaub ich, hat das alles eine Zukunft. Und dann können die Theaterbühnen auch weiterhin ‘die Bretter die die Welt bedeuten’ sein und nicht nur die Bretter, die ich mir manchmal vor den Kopf hauen will.

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