Kultur am Rande des Ruhrgebiets entdecken: Mit Bus und Bahn von Hattingen nach Dorsten

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Dieser Beitrag wurde finanziert durch: Verkehrsverbund Rhein-Ruhr

Essen, Bochum, Dortmund sind die kulturellen Hochburgen im Ruhrgebiet. Doch auch abseits der Zentren entlang der A40, an den nördlichen und südlichen Grenzen der Region, gibt es das ein oder andere Kultur-Bonbon, das ihr besuchen solltet. STROBO-Autor Max hat sich mit Bus und Bahn auf den Weg gemacht und ist von Hattingen im Süden über Gelsenkirchen bis nach Dorsten im Norden gefahren.

Der Morgen ist noch etwas trüb, als ich am Kölner Hauptbahnhof stehe und mich auf den Weg ins Ruhrgebiet mache. Was früher mit dem NRW-Ticket eher ein „Kann man mal machen, aber kostet viel Geld“-Gedanke war, ist heute mit dem DeutschlandTicket zu jeder Zeit an jedem Ort möglich: Einfach losfahren. So sitze ich prompt im RE1 und fahre mit dem Ticket in meiner App über die Grenzen der einzelnen Verkehrsverbünde und Tarifzonen hinaus als hätte  es sie nie gegeben. Zwischenstopp: Bochum. Von da weiter nach Hattingen, eine Kleinstadt am Rande des bergischen Lands, die nicht nur wegen ihrer bezaubernden Altstadt aus mittelalterlichen Fachwerken-Häusern, sondern auch wegen ihrer Industrie-Geschichte besucht werden sollte.

Zeitgeist und Industriekultur in Hattingen

Aus diesem Grund stehe ich nach einer 20-minüten Fahrt mit dem Schnellbus durch bewaldete Hügel vor der Henrichshütte Hattingen. Bis ins Jahr 1987 hinein wurde hier 150 Jahre lang Eisen und Stahl erzeugt, gegossen, geschmiedet und gewalzt. Heute erinnern Erklär-Tafeln und Ausstellungen an die damalige Zeit. Besonders spannend: Die seltenen und prächtig glänzenden Kristalle, die hier gefunden wurden. So früh am Morgen habe ich das Gelände fast für mich, lediglich eine Gruppe älterer Damen und Herren wird von einem Guide über das Gelände geführt. 

Nach einem kurzen Rundgang bahne ich mir den Weg über schmale Stahltreppen hinauf auf den Hochofen und genieße die Aussicht. Westlich das Gelände der Henrichshütte umgeben von kleinen Gebirgsketten. Im Osten hingegen Firmenhallen einer neuen Zeit, manche mit Solarzellen auf dem Dach – Ein Anblick, den es im Ruhrgebiet öfter gibt. Dass die Henrichshütte nicht nur ein Museum für Industriekultur sein muss, haben die Veranstalter:innen von The Third Room bereits eindrucksvoll bewiesen Für einen Abend haben sie das Gelände zum Open-Air-Rave vor einzigartiger Kulisse verwandelt, die es so nur im Ruhrgebiet geben kann. Zeitgeist trifft Industriekultur. 

Fahrt durch das Grüne nach Gelsenkirchen

„Warum gibt es sowas nicht öfter?“, frage ich mich noch, während ich mich körperlich in der alten Lohnhalle befinde, wo derzeit eine Ausstellung über das Leben von Insekten im Kontext von Schwerindustrie informiert. Anschließend begebe ich mich in Richtung meines zweiten Etappenziels: Gelsenkirchen Ückendorf.

Ich entscheide mich, dieses Mal mit dem normalen Linienbus statt mit dem Schnellbus zu fahren, der statt 20 Minuten knapp eine Stunde von Hattingen wieder zurück nach Bochum fährt. Ein Umweg, der sich als malerische Fahrt durch kleine Vororte und naturbelassene Gegenden entpuppt. Ich überquere die Ruhr, passiere das Haus Kemnade und vergesse für einen Moment, dass ich mich noch immer in einer der größten Metropolregionen Europas befinde. Sofern man sich die Zeit nimmt und nicht gerade im Berufsverkehr stecken bleibt, haben solche Busfahrten beim Anblick aus dem Fenster auch immer etwas Meditatives. Mit dem Gedanken verschwinde ich nach dem Checken der Anschlussverbindung hastig im U-Bahn-Tunnel des Bochumer Hauptbahnhofs und springe in die 302 in Richtung Gelsenkirchen.

Gelsenkirchen Ückendorf: Ein neues Bild der Stadt?

Nachdem ich eine Zeitlang durch das dicht besiedelte Ruhrgebiet gefahren bin, wo fast kein Haus wie das andere ausschaut, wo 80er Jahre Pragmatismus neben ehemals prunkvollen Altbauten stehen, erreiche ich die Haltestelle Wissenschaftspark. Bei meiner letzten Reise mit dem ÖPNV durch das Ruhrgebiet hatte ich viel über die mediale Darstellung von Gelsenkirchen nachgedacht, dass oft Leerstand und Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt stehen. Ersteres ist auch bei meiner heutigen Fahrt nicht zu übersehen. Ückendorf hat die Stadt nun zu einem Modellprojekt auserkoren. Fassaden sollen renoviert werden, in den leerstehenden Geschäften sollen sich Künstler:innen, Agenturen und Gastronomie ansiedeln – ein bisschen stadtgeplante Gentrifizierung also.

Es mag am verschlafenen Mittag in den Sommerferien oder an meinen Assoziationen mit dem Wort „Kreativquartier“ liegen: Viel los ist auf der Bochumer Straße gerade nicht. Allerdings deuten viele kleine Indizien darauf hin, dass hier viel Energie und Liebe hineingesteckt wird, um ein anderes Bild von Gelsenkirchen zu vermitteln. Ein Café und ein Plattenladen machen gerade Betriebsferien, Galerien erst sowieso immer spät und nur zu bestimmten Zeiten auf und ein Plakat verweist auf einen Pop-Up-Weinstore am Wochenende.

Hippe Oase: Das Café Ütelier 

Mich zieht es zur Mittagspause schließlich ins Café Ütelier, welches Tür an Tür mit der Stadtteilagentur liegt. Nach hinten weiträumig, modern minimalistisch eingerichtet, stilvolle schwarzweiß Fotos von Trinkhallen und Schalke-Kneipen an der Wand, leise schallt amerikanischer Rap mit jazzigen Beats aus den Boxen – eine Atmosphäre (und auch Speiskarte) wie in Berlin. Im Innenhof sind aufgrund der Mittagspausen-Zeit viele Tische belegt, entspannte Gespräche über den Taylor Swift Hype am einen und welche über den Ausbau von Camping-Vans am anderen Tisch. Dazu Bio-Limonade, Kaffee mit Hafermilch und Bowls. Da ist es: mal ein anderes Bild von Gelsenkirchen, wonach ich gesucht hatte.

Nach einer Frucht-Müsli-Bowl und einem Glas frisch gepressten Organgensaft geht es für mich weiter nach Norden, erst mit der Straßenbahn und dann wieder mit einem Schnellbus nach Dorsten, erst vorbei an den vielen unübersehbaren Schalker-Kneipen und der Veltins-Arena, dann an Feldern und Bauernhöfen. Der Empfang wechselt zwischen zwei und drei Balken – hier wird das Ruhrgebiet fast schon zum Münsterland. Hatte ich vorher noch gedacht, dass die Region auch zwischen Norden und Süden mit S-Bahnen und Regionalexpressen gut vernetzt ist, so bin ich aufgrund der vielen Busfahrten doch etwas verwundert. Umso besser, dass die Schnellbusse auch die kleineren Orte gut und schnell miteinander verbinden. Die Umsteigezeiten halten sich in Grenzen.

Feierabend in Dorsten an der Zeche Fürst Leopold

Ehe ich mein letztes Ziel erreiche, überquere ich noch die Lippe und stehe dann an einer Straße zwischen Feldern auf der einen Seite und einem kleinen Gewerbegebiet auf der anderen Seite. Gut sichtbar von weitem: Der Förderturm der ehemaligen Zeche Fürst Leopold I / II. Früher wurde hier Kohle zu Tage gefördert, heute kann man in den sanierten Gebäuden Eis und Pasta essen oder Cocktails trinken. Ein Hotel und mehrere kleine Unternehmen verleihen den alten Wänden einen neuen Zweck. Hin und wieder finden Partys und Flohmärkte statt. Ein kleiner Gegensatz zur Henrichshütte. Denn Möglichkeiten zur Weiternutzung der geschichtsträchtigen Gebäude gibt es viele. In Dorsten hat die private Wirtschaft übernommen, in Hattingen die Kultur. So lasse ich in den Nachmittag mit einem Kaltgetränk auslaufen, während einige Radfahrer:innen den Schatten der Bäume und Gebäude für eine kurze Pause nutzen.

So endet meine kleine Reise vom Süden in den Norden des Ruhrgebiets mit einer Fahrt im Regionalexpress zum Essener Hauptbahnhof. Wie der ganze Tag: Ohne Komplikationen. Wie beim letzten Mal: Mit jeder Menge neuer Eindrücke von dieser vielfältigen Region. Und dank des DeutschlandTickets wird bis zur nächsten Erkundungstour durch das Ruhrgebiet sicher nicht viel Zeit vergehen.

Interesse am DeutschlandTicket? Dann schaut mal beim VRR vorbei. Dort gibt es alle weiteren Informationen.

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