“Kunst ist eine bestimmte Art zu sehen” – Zu Besuch bei Künstlerin Theresa Ciroth

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Die Künstlerin Theresa Ciroth zog für ihr Studium vom Westmünsterland nach Essen. Jetzt stellt sie in der Galerie “Yes.Baby” einige ihrer Werke aus. Ihre Kunst widmet sich alltäglichen Gegenständen und kleinen Details, die sie ganz allein für sich stehen lässt.

Wer zu Theresa Ciroth nach Hause kommt, bekommt Tee serviert. Italienische Limone. Die Teekanne ist rundum ästhetisch. Aus dem Deckel lugt das weiße Band eines Teebeutels hervor. Es gibt Kuchen und Nussecken, die bereits in mundgerechte Stückchen geschnitten sind. Vom Bio-Bäcker nebenan.Die Tassen haben Motive und Sprüche. Sie passen zwar nicht zur Kanne, vermitteln aber das Gefühl von Heimat.

Das scheint Theresas Anspruch zu sein. Sie wohnt in Essen Rüttenscheid, nicht weit von der Messe Gruga entfernt. Das WG-Zimmer passt zu der Künstlerin. Das Bett ist gemacht, der Schreibtisch aufgeräumt. Auf ihm liegen ein paar ordentlich drapierte Bücher, eine Schreibmaschine ist in die Ecke des Tisches geschoben. Hier und da sind kleine geschnitzte Tiere versteckt. Ein kleiner Vogel hängt von der Decke, eine Katze macht es sich auf einem Bilderrahmen gemütlich. Alles im Raum ist aufeinander abgestimmt und strahlt Ruhe aus. 

Künstlerin Theresa Ciroth aus Essen: Alltägliches im neuen Rahmen

Schnell ist klar: Theresa Ciroth ist ein visueller Mensch. Ästhetik ist ihr wichtig. Die kleine Gallery-Wall in der Ecke ihres Zimmers spiegelt genau das wider, und das, obwohl hier vor allem Geschenke hängen. Eine Zeichnung des Mitbewohners, eine Schwarz-Weiß-Fotografie einer Schneelandschaft vom Vater, Projektarbeiten von Kommiliton:innen. Sie alle passen erstaunlich gut zusammen. Klein, minimalistisch, keine knalligen Farben. 

Theresas Kunst ist da ganz ähnlich. Sie zeigt uns Alltagsgegenstände, kleine Details größerer Kunstwerke und lässt sie ganz allein für sich stehen. Fast immer von viel weißem Raum umgeben. Eine Taschenuhr, ein Tannenzapfen oder ein Croissant können so neu betrachtet werden. Sie bildet ab, was eigentlich längst bekannt ist und doch fühlt es sich neu an. “Ich bin überzeugt, dass es alle schönen Dinge in unserer Welt schon gibt. Wir müssen nur wieder genauer hinsehen”, erklärt die Künstlerin. 

Essen-Rüttenscheid: Theresa Ciroth stellt Werke in Galerie „Yes.Baby“ aus

Ursprünglich kommt Theresa aus dem Münsterland. Ihr Plan war immer, in Münster zu studieren. Daraus wurde schließlich die Universität Duisburg-Essen. Deutsch und Kunst auf Lehramt. Aus dem ländlichen Raum mitten ins Ruhrgebiet. Was wie ein großer Kontrast wirkt, hindert die Künstlerin nicht daran, sich schnell einzuleben. “Ich hatte vorher immer etwas Angst, in Großstädten verloren zu gehen. Ich kannte Essen nur als Einkaufsstadt und wollte eigentlich nie hier wohnen. Aber ich habe mich darauf eingelassen und gemerkt, dass Essen auch ganz andere Seiten hat. Jetzt habe ich hier Wurzeln geschlagen”, erzählt die 26-Jährige.

Ihr Studium hat die Künstlerin mittlerweile beendet und will ihr Referendariat antreten. Bis dahin jobbt sie in der Galerie “Yes.Baby” in Essen Rüttenscheid. Diese stellt auch einige ihrer Werke aus. Der Ort, an dem ihre Bilder hängen, stellt einen starken Kontrast zum WG-Zimmer dar. N Schon die Schaufenster wirken laut, bunt und schrill. Trotzdem passt auch dieser Ort zur Kunst von Theresa. Fast jeder Zentimeter ist hier mit Kunst bekleidet. Schrille Skulpturen auf Tischen, Bänken und Hockern, skurrile Fotomontagen und eindrucksvolle Ölgemälde an den Wänden. Ein Dackel rennt zwischen den Kunstwerken hin und her. Es gibt es viel zu entdecken. 

Weiter hinten im Raum finden sich dann Theresas Papierographien. Vor einer gelben Wand hängen ihre vielen  kleinen Abbildungen von Details berühmter Kunstwerke, die aus ihrem Kontext gerissen wurden und nun für sich selbst stehen. Der von Ketten eingerahmte Halsbereich der “Venus” von Lucas Cranach oder die Lockenpracht des “Idealbildnis einer Kurtisane als Flora” von Bartolomeo Veneto bekommen hier ihre ganz eigene Bühne.

Ein weiteres von vielen Beispielen dafür ist das große Wolkenbild im EIngangsbereich der Galerie. Ein großes Ölgemälde, das einen blauen, leicht bewölkten Himmel zeigt. Auch hiermit bildet sie einen Ausschnitt aus dem Alltag ab, der so neue Beachtung findet. “Mir haben Leute erzählt, dass sie vergessen haben wie schön Wolken sind und durch dieses Bild daran erinnert wurden.”, erzählt Theresa.

Theresa Ciroth: Die Kunst steckt im Detail

“Mir ist aufgefallen, dass ich mich oft nur auf einen kleinen Teil konzentriere, wenn ich vor Gemälden stehe. Ich finde, diese Details haben es verdient für sich zu stehen”, erklärt Theresa ihre Bilder betrachtend. Das Konzept, bestimmte Details aus dem Kontext ihres Werkes zu nehmen, stammt von John Baldessari, einem Konzeptkünstler aus den USA. Theresas Arbeit sorgt für einen Ruhemoment, in dem das vollgestellte, bunte Gebäude der Galerie plötzlich klare, aufgeräumte Formen annimmt.

Sie ist eine Künstlerin, die einen Blick für die Details des Alltags hat. Sie bildet ab, was ständig gesehen aber nie wirklich betrachtet wird. Es sind Wolken, Kommoden, Gläser und andere stinknormale Dinge, die durch ihren Blick einen neuen Kontext bekommen, in dem sie die alleinigen Stars sind. Kleine Ausschnitte großer Kunstwerke, die ganz für sich erneut zum Kunstwerk werden. Theresa Ciroth ist introvertiert, ihre Bilder sind es auch. In sich gekehrt, auf das Wesentliche reduziert. “Kunst ist eine bestimmte Art zu sehen”, sagt sie selbst und bringt ihr Verständnis von Kunst damit auf den Punkt. Die Welt ist bereits schön, Theresa Ciroth betrachtet sie auch so.

So könnt ihr Theresa Ciroths Werke sehen

Theresa Ciroths Werke könnt ihr zur Zeit bei der Galerie Yes. Baby kostenlos besichtigen. Die Galerie hat Donnerstag und Freitags von 11 – 19 Uhr und Samstags von 11 – 16 Uhr geöffnet und liegt in der Dorotheenstr. 16 in Essen Rüttenscheid.

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