Eine Käsescheibe als Teppich? Klingt schräg, ist aber nicht ungewöhnlich im Secco Studio in Bochum. Sophie Ziser bietet in ihrem eigenen Studio die ersten Tufting-Workshops im Ruhrgebiet an. Hier kann aus jeder Idee ein Teppich werden.
“Secco, secco, secco und ich fühle mich perfecto”. Die eine oder andere denkt da vielleicht als Erstes an den Sommerhit 2022. Jetzt befinden wir uns aber nicht mitten im Juli, sondern im Winter und auch nicht auf der Festivalwiese, sondern in den Secco Studios in Bochum. Hier entstehen keine Moshpits, sondern Teppiche.
Im Hintergrund hört man das ständige Tackern der Maschinen. “Letztes Mal habe ich ein Croissant gemacht, dieses Mal mache ich eine Nudel”, beschließt Julia aus Bochum, während sie schon die gelbe Wolle in der Hand hält. Sie macht den Tufting-Workshop bereits zum zweiten Mal. Tufting nennt man die Technik, mit der man Teppiche herstellt. Vom Prinzip her funktioniert es wie eine Nähmaschine, nur braucht man hierfür Wolle, eine Tufting-Pistole und eine Leinwand. Wie das geht, erklärt Sophie Ziser. Ihr gehört das Studio und sie ist damit die erste im Ruhrgebiet, die Tufting-Workshops anbietet. “Das ist fast wie Malen nach Zahlen”, beschreibt die 21-Jährige.
Komplett Selfmade: Von Social Media ins eigene Studio
Drei Stunden vorher ist es noch leise im Studio und auf dem Boden liegt keine Wolle verteilt. Die Dachgeschosswohnung wirkt gar nicht wie eine Werkstatt, es hat eher etwas von einem gemütlichen Wohnzimmer mit Couch, Perserteppich, Lichterkette und Plakaten an der Wand. An der linken Seite ein Schrank voll mit Wolle – nach Farben sortiert. Im zweiten Raum versteckt sich die Teppichwerkstatt. Darin stehen vier bunte Hocker und vier Leinwände, die darauf warten, genau wie Sophie, von den vier Teilnehmerinnen mit einem Motiv bestückt zu werden. An der Wand hängen fünf Buchstaben – oder besser gesagt – Teppiche, die das Wort “Secco” bilden. Der Name von Sophies Studio.
Vor rund vier Jahren hat sich die Tufting-Künstlerin mit ihrer Brand selbstständig gemacht. Die Zeit während des Lockdowns hat sie genutzt, um etwas Neues auszuprobieren. “Ich habe das auf Instagram entdeckt, da war Tufting in Deutschland noch gar nicht groß”, erinnert sie sich zurück. Dann hat Sophie sich das Handwerk mit YouTube-Tutorials selbst beigebracht – erstmal mit einer Nadel. Das hat so lange gedauert, dass Sophie sich alles, was man zum “Tuften” braucht, besorgt hat. Und dann gab es kein Zurück mehr. In ihrem Umfeld kamen die Designs so gut an, dass Sophie angefangen hat, sie zu verkaufen – zuerst auf Instagram, dann über ihren eigenen Shop. “Irgendwann wurde ich von einem Jugendzentrum in Dortmund gefragt, ob ich Workshops anbieten möchte”, erzählt sie. “Weil ich nichts stehen lassen kann, habe ich direkt mehrere angeboten und das kam richtig gut an.” Heute gibt sie wöchentlich kostenlose Tufting-Kurse im Jugendzentrum.
Wenn Sophie das so erzählt, klingt es ganz einfach – mal eben selbstständig gemacht und nebenbei noch Angewandte Literatur- und Kulturwissenschaften in Dortmund studiert. Da steckt aber ein langer Prozess hinter. Vor allem, was ihre eigene Kunst angeht. “Früher hätte ich nie gesagt, dass ich kreativ bin”, sagt die Bochumerin. “Ich hatte ein total verschobenes Kunstverständnis. Ich dachte, richtige Kunst muss abstrakt und vor allem gelernt sein.”
Das nimmt Sophie auch bei den Teilnehmer*innen der Workshops wahr. “Viele sind vorher unsicher und sagen: ‘Ich weiß nicht, ob ich das kann, ich bin nicht so begabt…’. Und am Ende kommen immer super Ergebnisse dabei raus”, erzählt die 21-Jährige, “Kunst muss eben nicht schwierig sein. Sie darf auch witzig sein.”
Das haben Julia und Imke sich beim Workshop nicht zwei Mal sagen lassen. Während die beiden schon dabei sind, eine Käsescheibe und eine Farfalle auf ihre Leinwände zu zeichnen, stehen die anderen zwei Teilnehmerinnen, Patrizia und Helene, noch vor dem Wollschrank. Wie der Teppich aussehen soll, wissen sie schon und zeigen auf ein Foto von Pinterest. Nur die Farben stehen noch nicht fest.
“Hot Maus Summer” – Wie das Motto zum Trend wurde
Bevor es losgeht, gibt Sophie eine kurze Einführung. “Ihr nehmt immer zwei Wollknäuel, die Tufting-Gun mit beiden Händen festhalten und dann in die Leinwand reindrücken. Und dann geht ihr immer von unten nach oben vor.” Ziemlich schnell ergibt sich so auf der Rückseite der Leinwand das flauschige Motiv. Zwischendurch kommen zwei Besucher*innen ins Studio und schauen nach Farben für die Wolle, aus der Sophie einen Teppich designen soll. Sie übernimmt Aufträge, verkauft aber auch ihre eigenen Designs.
Diese haben häufig einen persönlichen Bezug. So ist zum Beispiel das “Hot Maus Summer”-Design entstanden, mit dem sie 2022 auf TikTok viral gegangen ist. Das Motiv sollte unbedingt auf T-Shirts kommen. Sophie also: „Ja, normal mache ich das selbst”, bestellt sich ein Siebdruck-Set und fängt an, 30-40 Shirts zu bedrucken. “Mir fällt es schwer, Aufgaben abzugeben, aber mit den Aufträgen bin ich irgendwann an meine Grenzen gestoßen.”
Das Ding mit der Selbstständigkeit sei auch, dass sich Arbeit und Freizeit schwer trennen ließen. Besonders der ganze Organisations-Kram im Hintergrund könne anstrengend sein. “Wenn ich davon abschalten muss, fahre ich einfach ins Studio, höre einen Podcast und mache einen Teppich. Dann geht’s mir wieder besser.” Auch drei Jahre nach dem Start in die Selbstständigkeit macht Sophie fast alles alleine. Viele denken, dass hinter “Secco” ein ganzes Team steckt. Für die Studentin ein Kompliment.
Auch auf ihrem Instagram-Account stellt Sophie ihre Teppiche aus. In ihre Designs lässt die Künstlerin oft popkulturelle Referenzen einfließen – “Wer checkt, der checkt.” Von einer Badmatte, auf der “Go piss Girl” steht bis hin zum “brat”-grünen Teppich, auf dem “mat” steht. Durch Social Media hat die Designerin viel Aufmerksamkeit bekommen. Sie versteht, wie wichtig das ist, betont aber auch: “Mir ist wichtig, dass ich unabhängig von Social Media bin”.
Was hinter Secco steckt
Letztes Jahr habe sie gemerkt, dass sie bei ihrer Arbeit nicht mehr auf sich gehört habe. “Früher habe ich viel mehr darüber nachgedacht, was gut funktionieren könnte. Jetzt bin ich viel offener für Ideen und mache das, worauf ich Bock habe.“ Ganz neu: Der “Secco-Merch”, ob Feuerzeug oder Hoodie. Apropos. Was hat denn Secco jetzt mit Teppichen zu tun? “Ganz einfach: gar nichts”, sagt Sophie und lacht. “Es hat keine tiefe Bedeutung, es ist einfach nur das italienische Wort für Sekt.”
Dieses Jahr macht die Studentin ihren Bachelor fertig. Was danach kommt, weiß sie noch nicht. „Gerade gefällt mir das, was ich mache. Ich kann aber noch nicht sagen, ob ich das für immer machen will. Ich hätte Angst, dann den Spaß daran zu verlieren.” Auf Nachfrage holt Sophie eines ihrer Lieblings-Designs raus – eine Anspielung auf die “Symphony Dolphins”. Sie liebt das Meme. Wer’s nicht kennt: Das ist okay. Oder um es mit Sophies Worten zu sagen: „Wer checkt, der checkt.“
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