Bunt gestrichene Garagen und Wellblechfassaden, dazwischen wuchert winterfestes Grün. Ein verträumter Innenhof in Dortmund Hörde. Der letzte Regenschauer wabert durch die kalte Winterluft, neutralisiert die Gerüche verschiedenster Handwerkeleien. In einer unscheinbaren Ecke versteckt sich eine weiße Massivholztür – die Pforte zur Band „BRUCHBUDE“. Dahinter stecken die Zwillinge Finn und Jonas als Frontsänger, Luis Melo am Bass, sowie der Urban-Künstler Yuto am Piano. Sie verbindet die “Lust auf Ecken und Kanten”, in Form von ehrlicher Musik.
Lesedauer: 5 MinutenEin schwerer Vorhang offenbart den Blick in einen warmen Raum. Schummriges Licht, aufgehellt durch Fernseher, Laptop, Mischpulte und mehrere Synthesizer. Emaillen, Poster und Fotos an den Wänden geben dem Raum etwas Persönliches – etwas Intimes. Akustik- und E-Gitarren zieren die beklebten und beschriebenen Wände: „Schallacker, Pötter, Wo ist Gero“. „Wir hatten viele Ideen für Bandnamen. Mit unserem Künstlernamen „Finn & Jonas“ haben wir uns nicht mehr identifiziert“, schmunzelt Finn Ulrich. Gemeinsam mit seinem Bruder Jonas macht er seit fast zehn Jahren Musik. Vor ziemlich genau einem Jahr porträtierte STROBO die Dortmunder Zwillinge bereits, den Text dazu findet ihr hier. Seitdem ist einiges passiert. Aus dem Pseudonym “Finn & Jonas” ist eine ganze Band geworden. „Wir sind mittlerweile neun Leute, die fest zusammen rumreisen. Das Wort „BRUCHBUDE“ hat „etwas Heimeliges, Gemütliches, klingt etwas uncool, aber genau deswegen hat es was”, beschreibt Jonas den Namen der Band.
Synthielastiger Indie-Rock
BRUCHBUDE ist mehr als ein Name. Es ist der optimale Ort, um etwas nachhaltig Wirkendes entstehen zu lassen: Am 21. März erscheint mit „eigentlich perfekt“ das zweite Studioalbum der Band. Darin stecke handgemachter Sound: „Analoge Gitarren und Synthies, alles selbst eingespielt, ohne Samples und DAB-Zeugs“, erklären die beiden. „Synthielastiger Indie-Rock“, das treffe ihre Musik am ehesten. Der Grund dafür ist simpel: „Der Sound funktioniert live am besten, und wir wollen ganz klar eine Live-Band sein“, beschreibt Jonas den Ansatz. Ende März geht die Band vier Wochen auf Tour, eine weitere Woche Ende Oktober. „Es ist wie auf Klassenfahrt. Wir gehen in jeden Spielzeugladen, kaufen uns jedes Spielzeug“, beschreibt Finn mit einem Augenzwinkern die Tour. „Mit guten Freunden unterwegs sein, Musik machen und die Zeit dazwischen genießen.“

„Jeder ist ein Teil der Band“
Neben den beiden Brüdern spielt Luis Melo Bass und Yassin Adoptante, aka Yuto, Keyboard. Doch „BRUCHBUDE ist mehr als das Quintett: Weitere Band-Mitglieder sind Lasse und Dina, die Schlagzeugspielen, sowie Noah und Lukas an der Technik“, erklärt Finn. Christoph Städtler kümmere sich um Social Media, die Corporate Identity und alles Grafische. „Uns ist wichtig, dass sich alle als Teil der Band fühlen. Dafür muss man nicht auf der Bühne stehen oder ein Instrument spielen“, erklärt der 26-Jährige.
Beim Label „Roof Music“ ist die Band seit drei Jahren fest unter Vertrag. Der Weg dorthin war alles andere als einfach: „Wenn ich heute unser erstes Album höre, sind da ok-gute Songs drauf, aber auch viel Schrott und viel zu viele Genres“, blickt Finn zurück. „Mal ne politische Reggae-Nummer, mal Schmutz-Pop, mal sehr punkig. Heute achten wir schon deutlich mehr auf einen klaren Sound.“

Und dieser Sound schwappt gerade täglich durch den Hörder Hinterhof. „BRUCHBUDE“ arbeitet aktuell am dritten Studioalbum. Bereits im Juli soll die erste Single erscheinen. „Gerade sitzen wir an der Corporate Identity, schreiben Texte und werden im April die ersten Songs aufnehmen“, sagt Jonas.
Alle Texte sind politisch konnotiert
Der Songwriting-Prozess ist meistens sehr konzeptionell: „Am wichtigsten ist die Main-Aussage im Refrain. Die Strophen beschreiben den Weg dahin – in Form von lyrischen Bildern und Sprichwörtern“, erklärt Finn. Diese Art des Schreiben sorgt zwar für einen roten Faden, aber nicht für Ernsthaftigkeit: „Uns fällt es schwer, ernste Texte zu schreiben, weil wir ständig sprachlich bunte Bilder basteln. Am Ende landet man dann ganz woanders, was es aber auch sehr spannend macht“, erklärt Jonas.
Ihre Texte sind häufig politisch. Beide beobachten den Alltag scharf und beschäftigen sich viel mit dem aktuellen Geschehen. „Die Ärzte“ seien eine wichtige musikalische Inspiration gewesen. „Wir wollen keine belanglosen Liebeslieder schreiben. Wir haben eine klare Meinung und zu der stehen wir“, sagt Jonas bestimmt. „Als Musiker bist du schon ein Stück weit dazu verpflichtet zu sagen, was du denkst und wie du es meinst – allein durch deine Reichweite.“ Dass das nicht allen gefällt, gehöre dazu: „Letztens auf der Bühne, meinte jemand, der Bäcker von gegenüber wähle AfD. Also sollten wir aufpassen, was wir sagen. Ich hatte vorher live noch nie das Gefühl, nicht sagen zu können, was ich denke“, erinnert sich Finn.
„Frei sein ist wertvoll“
Letztlich seien beide aber sehr zufrieden: „Ich stehe verdammt oft auf und denke mir: ist schon echt okay“, sagt Jonas lächelnd. „Frei zu sein, für niemanden Verantwortung zu haben, das wird vielleicht nicht immer so sein, daher schätze ich das unglaublich wert.“
In Dortmund fühlen sich beide fest verwurzelt: „Wenn du nicht von hier kommst, kann‘s sein, dass du es extrem hässlich findest, aber wir sind hier geboren und wir haben hier echt alles“, sagt Finn. Das dritte Album werde genau deswegen auch wieder etwas „Pott-lastiger“.


Zwischen Studio und Live-Konzerten gehe es für beide straight in die Natur: „Wir können nicht den ganzen Tag über Musik reden, da drehen wir uns im Kreis“, schmunzelt Finn. „Jonas arbeitet manchmal noch als Baumgutachter, da lauf ich dann hinterher und notiere alle Vitalwerte. Das Bewusstsein dafür zu entwickeln, was auf einem Quadratmeter Waldboden abgeht, kann beeindruckend sein.“ Das sensibilisiere einen für den Alltag und öffne den künstlerischen Blick neu. Spannend sei es vor allem, wie die Bäume untereinander kommunizieren: „Wenn zwei Buchen nebeneinanderstehen, helfen sie sich zum Beispiel gegenseitig mit Kalzium aus“, erklärt Jonas.
So wie benachbarte Bäume sind Finn und Jonas eine Konstante im Leben des anderen – mit einem kleinen Unterschied: Anstelle von Kalzium, hilft vielleicht der ein oder andere unvorhersehbare Songtext-Vorschlag.
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