Sloe Noon machen verträumte Musik, irgendwo zwischen Alternative und Dreampop. Gegründet in Kiel, wohnen die beiden Musiker:innen mittlerweile in Dortmund. Im Januar gehen die Newcomer auf UK Tour. STROBO hat Anna und Dennis getroffen.
Im Dortmunder Unionsviertel weht ein kühler Wind an diesem Mittwochabend. Nieselregen legt sich auf die Motorhauben der parkenden Autos. Im Scheinwerferlicht sieht man die Tropfen Richtung Boden gleiten. Vor dem Missin‘ Link, einem Pub in der Langen Straße, hört man leise Rockmusik auf die Straße hallen. Die Fenster wurden mit Holz verbaut, so dass kein Blick nach außen verrät, was sich im Inneren abspielt.
Beim Öffnen der Tür stößt eine warme Luft entgegen. Im gedämmten Licht stehen Sessel und Sofas. Direkt neben dem Eingang, auf einer Empore, haben es sich Anna Böke und Dennis Mielke auf den Polstern einer Couch bequem gemacht. Die Kellnerin kommt schnell. Eine Cola und ein großes, gezapftes Bier für die beiden. An der Wand gegenüber hängt ein Plakat. Zu sehen sind Anna und Dennis, wie sie in einem Mondkrater sitzen und in die Kamera schauen. „Sloe Noon EP Release Party. 9.12. Junk Yard“ – steht darauf geschrieben.
Die EP um die es geht, hört auf den Namen „Liminality“. Erst vor wenigen Tagen erblickte sie das Licht der Öffentlichkeit. Es ist die zweite EP von Anna und Dennis, die zusammen Sloe Noon formen – eine Indie-Band, irgendwo zwischen alternativem Rock und Dreampop.
Newcomer Band Sloe Noon: Eine UK-Tour vor der Tür
Beim Abstellen der Getränke zwinkert die Kellnerin den beiden zu. „Nur noch zwei Tage“ sagt sie und spielt auf die Release Show an, die Anna und Dennis am Freitag spielen. Die beiden lachen schüchtern, nippen dann kurz am Getränk. Das Missin‘ Link ist für die beiden die Bar des Vertrauens. „Irgendwie ist das der erste Ort, an dem wir uns nach unserem Umzug nach Dortmund vor einem Jahr mit Menschen getroffen haben und wir fühlen uns wohl hier“, erzählt Anna. „Schön mal wieder hier zu sein“, pflichtet Dennis bei. Viel Freizeit bleibt dem Paar neben Studium und Bandaktivität nicht. Seit die EP draußen ist, fühlen sich die beiden „erschöpft“, wie Anna anmerkt. „Ich fühl mich aber auch erleichtert“, erzählt Dennis. Beide lachen.
Eine Erholungspause nach der EP-Veröffentlichung bleibt für die beiden aus. Ende Januar geht es für Anna und Dennis auf Tour im Vereinigten Königreich. Die beiden spielen als Vorband für „Francis of Delirium“, einer Indie-Künstlerin. Sowohl Sloe Noon als auch Francis sind beim Label Dalliance Recordings unter Vertrag. Bis Anna und Dennis im Januar die UK-Bühnen spielen, bedarf es noch einiges an Vorbereitung.
„Da kommt dann immer so viel dazu, woran man im ersten Moment gar nicht denkt. Also so richtig Pause machen ist nicht drin“, sagt Anna. Auf das Spielen freut sich das Paar trotzdem. „Dafür machen wir das Ganze“, erzählt Anna und lacht unter zusprechendem Kopfnicken von Dennis, der im Verlauf des Gesprächs die Erdnüsse auf dem Tisch für sich entdeckt hat.
Sloe Noon: Von Brighton über Kiel nach Dortmund
Trotz der Tour machen sich Gedanken an zukünftige Projekte in den Köpfen der beiden breit. „Wir freuen uns neue Songs zu schreiben. Das ist auch einfach ziemlich lange nicht mehr passiert“, erzählt Dennis. Die Songs auf der aktuellen „Liminality“-EP stammen aus dem Jahr 2019, als Anna noch für ein Studium in Großbritannien lebte und Sloe Noon als Soloprojekt existierte. „Wir haben bis jetzt auch eigentlich nicht Songs so richtig von Grund auf zusammengeschrieben“, denkt Anna zurück.
2020 brach sie pandemiebedingt ihr Studium in Brighton ab und zog zurück in die Heimat, nach Kiel. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde Dennis ein Teil von Sloe Noon. Dieser hatte bereits erste Erfahrung in der Musikproduktion. Anna wollte keine Singer/Songwriter-Musik machen, also taten sich die beiden zusammen, um die ersten, in Brighton entstandenen, Textskizzen von Anna aufzunehmen.
So entstand die erste EP „Embassy Court“, gewissermaßen als Lockdown-Projekt. 2021 feierte Sloe Noon mit der EP sein Debüt. „Eigentlich wollten wir die erste EP nur ein paar Freunden schicken“, erzählt Anna. „Als Test-EP quasi“, so Dennis. Die Test-EP hörte sich dann am Ende „garnicht so kacke an“, wie Anna lachend erzählt und wurde deshalb doch veröffentlicht. Mit „Liminality“ wurde nun der zweite Teil von den Songskizzen Annas, die sie aus Brighton mit nach Kiel brachte, in ein fertiges Produkt verwandelt. In der Zwischenzeit sind die beiden für ein jeweils neues Studium nach Dortmund gezogen. „Beide EPs gehören eigentlich zu einer Phase, die Anna geschrieben hat“, erklärt Dennis.
Diese Phase spiegelt sich in den gitarrenlastigen, verträumten Melodien der Band wider. Darauf liegt Annas zarte Stimme. Die Texte klingen gesungen, fast gehaucht, und erzählen von persönlichem Schmerz, zum Beispiel beim Erwachsen-Werden. Der Titel der neuen EP „Liminality“ beschreibt das Grundgefühl, das vielen Songs, auch von der vorherigen EP „Embassy Court“, zugrunde liegt.
Liminalität meint eine Art Übergangszustand zwischen zwei Zuständen. Das kann alles Mögliche sein, beispielsweise die Phase zwischen Verlassen und Ankommen. „Aus diesem Gefühl sind diese ganzen Songs entstanden. Weil ich selbst in England gewohnt habe, aber irgendwie auch noch mit Dennis mit einem Bein in Kiel stand. Also ich habe mich generell viel in einem Schwebezustand gefühlt“, erklärt Anna.
Nach der Tour folgt Freiheit
Wenn die beiden Anfang Februar wieder nach Dortmund kommen, freuen sie sich schon auf ein neues Kapitel. „Ich glaube, dass wenn wir zusammen schreiben, sich das alles einfach nochmal neu anfühlt auf eine andere Art. Also auch frisch und das hatten wir bis jetzt einfach noch nie“, so Anna. Parallel zu den ersten EPs haben die beiden kaum an anderer Musik gearbeitet, um „die Freiheit“ zu haben, in etwas Neues zu starten, wenn das Alte als abgeschlossen gilt. „Jetzt können wir quasi machen, was wir wollen. Wir können nochmal komplett entscheiden, worauf wir Bock haben“, erzählt Dennis mit einem Grinsen im Gesicht.
Mittlerweile sind die Getränke leer und es wird eine zweite Runde bestellt, dieses Mal ein kleines Bier für beide. Und während sich die Gläser leeren, philosophieren die Musiker:innen über den Sound von E-Autos und den Stadtaufbau Dortmunds.
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