Ein Gespräch über Ängste, Duisburg und die 90er – Blush Always im Interview

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Blush Always heißt eigentlich Katja Seiffert und ist in Duisburg groß geworden. Seit 2019 macht sie mit ihrer Band Musik und gehört zu den aufstrebenden Sternen am deutschen Indie-Rock-Himmel. Nicht einmal ein Jahr nach ihrem Debüt erscheint am 06. September bereits ihr zweites Studioalbum „An Ode To ?”. STROBO durfte reinhören und hat sich mit der Musikerin getroffen. Ein Gespräch über grungy Gitarren, den Charme des Ruhrgebiets und darüber, wie man Ängste überwindet. 

STROBO: Katja, wirst du eigentlich schnell rot?

Katja: Ja. Aber ich habe mich selber ganz gut ausgetrickst, dass das nicht mehr so oft passiert. Zumindest nicht mehr im musikalischen Kontext. 

STROBO: Woran lag das denn? Lampenfieber?

Katja: Ich glaube schon. Das ist ja eben auch der Grund, warum mein Projekt Blush Always heißt. Ich hatte sowieso Probleme, mich dazu zu überwinden, mich auf eine Bühne zu stellen. Obendrauf kam dann, dass ich immer, wenn ich mich irgendwie präsentiere – schon bei Referaten in der Uni oder in der Schule – rot geworden bin und mich noch mehr geschämt habe. Das hat mich noch mehr davon abgehalten, mich auf die Bühne zu trauen. Ich dachte mir, wenn ich’s einfach vorweg nehme, dann ist’s eigentlich auch nicht mehr so schlimm, wenn’s passiert. Zum Glück bin ich jetzt an einem Punkt, an dem mir das leichter fällt.

STROBO: Du musstest dich also schon in der Schule überwinden. Hast du zu der Zeit angefangen Musik zu machen?

Katja: Ich war so ein richtig typisches Musikschul-Kind. Am Institut für Popularmusik in Duisburg Rheinhausen habe ich Klavier und Querflöte gelernt. Da hab ich auch in der Big Band gespielt und generell einfach sehr viel Zeit an diesem Ort verbracht. Seit ich fünf Jahre alt war eigentlich. Das mit den Gitarren kam aber erst viel später – in meinen Zwanzigern. 

STROBO: Und dann, in deinen Zwanzigern, hast du dann auch deine ersten Gigs gespielt?

Katja: So Ende 2019 habe ich mich dann das erste Mal getraut, ja.

Blush Always Musik erinnert an den Indie-Rock der 90er. Foto: Marina Monaco.

STROBO: Krass. Dann bist du ja noch gar nicht so lange dabei.

Katja: Ne, eben! Es hat sich einfach sehr lange angestaut und auf einmal ist alles richtig schnell passiert. 

STROBO: Was hat dich denn dann dazu gebracht, dich doch zu trauen?

Katja: Hmm ich wollte das schon sehr lange. Mit elf Jahren war ich das erste Mal auf einem Avril Lavigne Konzert und war dann auch ein riesiger Paramore Fan. Aber beide – Avril Lavigne und Hailey Williams – sind halt so Frontfrauen, die sehr einschüchternd sind. Die haben halt ne krasse Bühnenpräsenz und machen eine richtige Performance. Natürlich waren die auch einfach schon total berühmt. Ich habe damals diesen Weg nie gesehen, wie man da hinkommt und nie darüber nachgedacht, dass man das ja auch einfach machen kann, wenn man halt kein Star ist. 

Nach der Schule war ich aber in Neuseeland und bin dort in die Musikszene reingerutscht. Da gab’s dann eben jeden Tag Shows. Da haben alle möglichen Leute Gigs gespielt und sind in unterschiedlichsten Konstellationen aufgetreten. Vorher dachte ich immer, man müsste erstmal richtig gut werden, um sich auf eine Bühne zu stellen. Eigentlich ist es ja aber genau umgekehrt. Man wird nur gut, indem man die ganze Zeit auf der Bühne steht und performt. Zurück in Deutschland, dachte ich dann einfach „Okay, ich muss ne Band gründen”. 

Über Duisburg, Neuseeland und Kiel zur eigenen Band

STROBO: War das noch in Duisburg?

Katja: Ne, das war schon in Kiel. Ich bin in Duisburg aufgewachsen und dann aus Neuseeland direkt weitergezogen.

STROBO: In der Indie-Szene tummelt es sich mittlerweile aber schon ganz schön mit Menschen aus dem Ruhrgebiet. Blumengarten, Philine Sonny, Giant Rooks. Was ist das komische an dieser Region, dass hier alle eine Gitarre in die Hand nehmen und auf die Bühne wollen? 

Katja: Ich weiß es nicht! Vielleicht müssen wir diesen Ruhrpott-Charme der tristen Umgebung irgendwie künstlerisch verpacken. Ich habe Duisburg tatsächlich auch erst richtig lieben gelernt, als ich nicht mehr da gewohnt habe. Jetzt bin ich immer total gerne wieder dort. Schon ein besonderer Fleck Erde. Klar, meine Eltern wollten mir das immer irgendwie schmackhaft machen und erklären. Aber das sehe ich jetzt selbst erst seit ich über 20 bin. Auch das Traumzeit-Festival ist so ein wunderschönes Festival, für das ich bei allen möglichen Leuten immer Werbung mache.

Alleine, dass es das Traumzeit- und das Platzhirsch-Festival in Duisburg gibt. Beides sind so unfassbar gut kuratierte Festivals, die eigentlich voll zeigen, wie viele Menschen im Ruhrgebiet ein Interesse an nicht-berühmter Musik haben. 

Innerhalb eines Jahres veröffentlicht Blush Always ihre ersten zwei Alben. Foto: Marina Monaco.

STROBO: Über Duisburg, Neuseeland und Kiel zur Musik und dann ging alles ganz schnell. Dein erstes Album ist letztes Jahr erschienen und dein zweites “An Ode to ?” kommt jetzt nicht mal ein Jahr später hinterher. Woher kommt dieser ganze Output?

Katja: Ich habe da jetzt auch schon länger drüber nachgedacht. Zum Einen war das erste Album natürlich schon länger fertig als es dann veröffentlicht wurde. In der Zeit dazwischen war ich einfach komplett frei. Ich wusste, das Album kommt und hatte total viel Zeit, in der ich nicht hätte schreiben müssen. Aber wenn man nicht muss, dann passiert’s halt. So sind viele Songs entstanden und ich war auch noch total frei von Bewertung – ich wusste ja noch gar nicht, wie mein erstes Album überhaupt ankommt. Ich konnte das zweite Album dann gar nicht daran orientieren, welche Songs jetzt Erfolg hatten oder nicht. Das ist einfach die beste Grundlage für einen kreativen Schaffensprozess. 

Mit den gesammelten Songs bin ich dann im Dezember ins Studio gegangen und war einfach so im Flow, dass dieses Album entstanden ist. 

STROBO:Insight

Duisburgs Indie-Rock Schmiede

Blush Always, PANTHA, Stina Holmquist – Duisburgs heilige Indie-Dreifaltigkeit. Und das witzigste? Die drei waren alle auf derselben Schule – dem Franz-Haniel-Gymnasium in Homberg. Vielleicht sollten wir uns in Zukunft angewöhnen, die dortigen Abi-Jahrgänge nach aufstrebenden Talenten zu durchsuchen.

STROBO: Das neue Album klingt auch sehr nach dem Alternative-Rock der 90er und 2000er Jahre. Du hast schon Avril Lavigne und Paramore erwähnt. Was beeindruckt dich so an dieser Zeit?

Katja: Bei den beiden find ich’s super interessant. Das sind Bands, die ich in meiner Jugend die ganze Zeit rauf und runter gehört habe und irgendwann halt gar nicht mehr. Später habe ich dann eher klassische 90er Indie-Rock-Bands gehört. Pavement, Smashing Pumpkins, Weezer – alles was irgendwie so grungy, schwere Gitarren als Grundlage legt und trotzdem melodiöse Linien hat. Davon gibt es in den 90ern einfach so eine riesige Auswahl an Bands. 

Jeff Buckley habe ich dann auch viel gehört, The Sundays entdeckt und bei Fiona Apple reingehört. Nach meinem ersten Album wurde ich auch mal mit Alanis Morissette verglichen, was ich dann auch neu für mich entdeckt habe. Viel Musik, die ich sehr mag, kommt einfach aus dieser Zeit. 

„Es ist alles die ganze Zeit eine Grenzerfahrung.“ – Blush Always über’s Musikmachen

STROBO: Deine Texte drehen sich dann oft um Selbstreflexion und Selbst-Empowerment. Das ist dir schon eine Herzensangelegenheit, oder?

Katja: Ja, ich habe das Gefühl, mein ganzes Projekt ist auf dieser Message gebaut. Es erzählt ja meine ganze Bandgeschichte. Dass ich 25 Jahre gebraucht habe, um mich auf die Bühne zu trauen. Die Tatsache, dass ich Musik veröffentliche, ist allein für mich schon total empowernd. Das ist auch ein Ausdruck von Stolz, dass ich meine Ängste überkommen habe. Damit beschäftige ich mich viel. Daher kommt auch der Albumtitel [“An ode to ?”]. Warum kann ich nicht aufhören Musik zu machen, wenn es so viele Aspekte in diesem Beruf gibt, die mir schwer fallen. Bühnenangst ist besser, aber nicht weg. Ich bin immer noch total angespannt vor Konzerten. Auf Tour zu gehen ist mental und physisch unfassbar anstrengend. Wir sind oft nur zu viert unterwegs und müssen halt alles selber machen. 

Es ist alles die ganze Zeit eine Grenzerfahrung und trotzdem kann ich nicht aufhören mich dem weiter auszusetzen und Musik zu machen. Jedes Konzert ist am Ende eine Überwindung von Angst. Das ist einfach empowernd und ich will, dass sich das andere Leute auch trauen! 

STROBO: Also so, wie du’s in Neuseeland gemerkt hast. Man kann sich ja einfach auf eine Bühne stellen…

Katja: Ja, so ein bisschen! Wenn man immer nur die Leute sieht, die das schon total gut können, dann ist das nicht so richtig inspirierend. Die größte Inspiration waren für mich auch immer Artists, die eigentlich eher Songwriter*innen sind, als Performer*innen. Wie der Sänger von Pavement auch. Der kann eigentlich nicht so richtig gut singen. Aber dadurch ist es eben oft viel echt. Diese Menschen haben etwas zu sagen und machen das einfach. Das ist viel nahbarer, ehrlicher und verletzlicher und nicht so poliert. Wenn alle so klingen würden wie Rihanna, dann würde ich niemals denken, dass ich das könnte.

STROBO: In dieser Mission geht ihr jetzt erstmal auf Tour und im nächsten Jahr kommt dann dein drittes Album?

Katja: Das wäre schon lässig, oder? Aber ich weiß nicht, ob ich das wirklich schaffe. Mal sehen!

Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Stina Holmquist im Porträt.

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