Der Rapper aus dem Underground: Cornern mit SHOULDA aus Dortmund

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Wenn es um den Dortmunder Rapper SHOULDA (früher Schulter139) geht, kommt man an einem nicht vorbei: dem Cornern. STROBO-Autor Bjarne Overkott hat sich mit ihm auf ein Bierchen getroffen und über seinen steilen Aufstieg in der Underground-Szene gesprochen.

“Es ist jeden Tag am Corner häng’n

Vor dem Streifenwagen durch die Seitenstraße renn’n

Ausseh’n, wie der Typ, der auf dem Fahndungsfoto hängt

Es ist alles, was ich hab‘, was ich sag‘, was ich kenn’”

SHOULDA – Zirkel

Es ist 19:30 an der Haltestelle Kreuzstraße im Dortmunder Kreuzviertel, dunkel und kalt, alles nur noch von Laternen erleuchtet. Aber wer cornern will, muss da im Winter durch. Pünktlich wie selten laufe ich auf die Haltestelle zu und sehe ihn direkt: Winterparka, Jogger, die Seiten frisch rasiert, wie es aussieht. Er freut sich mich zu sehen — handshake, es vibed. Das wird eine gute Nummer denke ich mir. “Das ist normalerweise gar nicht meine Art so pünktlich zu sein”, gesteht mir der Dortmunder, “Zum Frühstücken mit Kollegen bin ich letztens einfach ne Dreiviertelstunde zu spät gewesen”. Wir lachen und warten noch auf einen seiner Freunde. Obwohl sich SHOULDA in der Underground-Rapszene gut etabliert hat, gibt es noch kein Interview mit ihm. Jackpot für mich, endlich hemmungslos alles fragen, was man sonst nicht fragen kann.

Dortmunder Rapper SHOULDA erzählt Hoodtales aus dem Westen 

Wir gehen zum Kiosk und SHOULDA holt Bier für uns alle. Brinkhoffs für ihn, Hansa für uns. „Ich weiß, ich mach mir damit keine Freunde aber ich mag Hansa gar nicht so gerne“, sagt er lachend. Wir ziehen erst mal durch Dortmund-West und gucken wohin mit uns. Eigentlich perfekt, um sich warm zu quatschen. Nach einer Runde über die Möllerbrücke zieht es uns in den Westpark. “Cornern ist schon ein richtiges Dortmund-Ding, oder?”, frage ich. “Ja voll, vor allem Dortmunder Bier am Kiosk trinken, entweder hier oder am Vinckeplatz. Das sind prädestinierte Ecken dafür”, antwortet er. 

Der 28-Jährige macht Straßenrap aber nicht irgendwie, sondern auf seine ganz eigene Art und Weise. Er erzählt, wie er sagt, Hoodtales aus dem Westen. Von seinem Sound her fällt er irgendwie aus dem deutschen Konzept und ist für mich auch immer wieder schwer zu beschreiben. Er bewegt sich zwischen klatschenden 808s, trap-artigen Klängen und deutlichem Einfluss durch Drill und UK-Rap. Das kommt auch nicht von ungefähr, bestätigt er mir: “Ich höre seit Jahren privat eigentlich nur noch UK-Zeug”. Ganz vorne mit dabei D-Block Europe. Am deutlichsten wird das wohl bei seinem Song “No Exit 2.0” mit dem Kölner Rapper Lugatti. Der Song ist ganz eindeutig am UK Sound orientiert, aber keine Kopie. Dass SHOULDAs eine Konstante darstellt, kommt wohl auch daher, dass der Dortmunder quasi ausschließlich auf Beats von seinem Produzenten CHRS rappt und das seit Tag eins.

CHRS und er machen zusammen den Kern vom Team um den Artist aus, das über die Jahre immer größer geworden ist. Mittlerweile sind es Rap-Kollege Nickz, DJ Max Gyver, der Fotograf Tony Klickklack und der Videograf Dennis Glomm. Die Promotion kommt von 139Effektiv. 

50.000 Klicks in sechs Tagen: Track “Clooney” macht Dortmunder Rapper SHOULDA bekannt

SHOULDA veröffentlicht seit 2018 Musik und ist mit seinem Video zum Track “Clooney” direkt steil gegangen. Dabei hatte er gar nicht geplant, irgendetwas groß zu veröffentlichen. “Clooney war das erste Video, was wir gedreht haben, spaßeshalber. Für mich war das im ersten Moment eigentlich nur für das Umfeld”, erzählt er. Aber manchmal passieren die Dinge einfach genau zum richtigen Zeitpunkt und ein Freund von SHOULDA kannte Toxik von hiphop.de. Der hat SHOULDA prompt angeboten, das Video auch über hiphop.de zu verbreiten.

“Und dann ging es halbwegs schnell, dann hast du plötzlich festgestellt: Fuck, das geht über den Rahmen, den man sich vorgestellt hat, völlig hinaus. Du warst plötzlich bei 50.000 Clicks in sechs Tagen oder so. Was ja schon wild ist für das erste Ding”, sagt der Dortmunder.

SHOULDAs Sound ist damals schon aus dem Konzept der Zeit gefallen. Während Rap 2018 von Capital Bra, Bonez MC und RAF Camora dominiert wurde, kam er völlig ohne Vorwarnung in die Undergroundszene. Afrotrap und gute Laune, das war der Modus, aber nicht SHOULDAs. Düstere Beats, klatschende 808s und Straßenrap. Mit dem Release von “Clooney” ist eine ganze Kettenreaktion ausgelöst worden. Zuerst wurde der Karlsruher Rapper Haze auf SHOULDA aufmerksam und hat ihn recht zügig dann auch auf einem seiner Gigs als Support Act eingeladen. Und dass obwohl SHOULDA bisher kaum Tracks veröffentlicht hatte, von Bühnenerfahrung ganz zu schweigen. Quasi “From zero to a hundred real quick”, um mal einen kanadischen Rapper zu zitieren.

Gesagt, getan, gespielt. Soweit, so gut, zu diesem Zeitpunkt hat einfach alles gepasst. Im deutschen Underground Straßenrap gibt es ein paar Schwergewichte und einer davon ist der Hamburger AchtVier. “Er hat plötzlich eine Instagram-Story veröffentlicht, wo er sich mit “Clooney” im Hintergrund gefilmt hat”, erzählt SHOULDA. Die beiden haben sich connected, SHOULDA war in Hamburg und später haben die beiden dann auch zusammen Musik aufgenommen.

SHOULDAs Musik erzählt vom Leben in der Dortmunder Hood

Die Hoodtales, die der junge Künstler erzählt, sind zu großen Teilen da entstanden, wo wir gerade sitzen. Auf und um die Möllerbrücke herum, im Dortmunder Kreuzviertel. Wenn man hier aus der Gegend kommt und an einem Sommerabend über die Möllerbrücke läuft, dann kann man sich sicher sein, dass man auf irgendjemanden trifft, den man kennt. Und die Gefahr, dann auf einer Flasche Hansa Bier (oder auch sechs) hängen zu bleiben, ist ebenso groß. Genau so sind auch SHOULDAs Storys zustande gekommen. 

2019 veröffentlicht er die Hoodtales in gebündelter Form. Das “1993”-Tape wird released und Mitte des Jahres darf SHOULDA völlig überraschend beim Juicy Beats-Festival auftreten. Ein Tag zwischen Aufregung und Erwartungshaltung. Völlig nervös und mit leerem Magen haben an dem heißen Sommertag dann auch nur noch Rescue Tropfen die Nerven beruhigen können, bevor es auf die Bühne ging, erzählt er mir. Nicht nur vor der Stage ging es ab, Backstage waren unter anderem Szenegrößen wie Al Kareem und Lakmann. Beides Rapper, die schon Legendenstatus im Underground erlangt hatten.

SHOULDA: Vom Al Kareem- und Lakmann-Feature zur ersten Headliner Show

Trotzdem hat sich SHOULDA vom Hype nicht blenden lassen. Er hat die Anerkennung und das Standing von Szene-Größen, aber von seiner Reichweite her gehört er weiterhin zum Underground. Gegen kommerziellen Erfolg würde er sich natürlich nicht sperren. 

SHOULDA scheint ein Talent zum Networken zu haben; sowohl Lakmann als auch Al Kareem haben sich nicht nur symbolisch beeindruckt gezeigt, beide werden 2019 Featuregäste auf dem Track “Craig Mack”. Ein Ritterschlag. Das Jahr läuft weiter zufriedenstellend. Es kommen mehr Tracks, noch eine EP, mehr Features. So lange, bis unser Leben 2020 kollektiv stillgelegt wird. Abgesehen vom finanziellen Aspekt hat die Zeit für viele Künstler:innen auch einen kreativen Schock bedeutet.

Aber SHOULDA hat Biss bewiesen und nicht locker gelassen und noch mehr Singles, sowie zwei weitere EPs mit “YoungTimer” 2020 und der “WEST”-EP 2021 veröffentlicht. 2021 spielter er dann seine erste Headliner Show im Dortmunder JunkYard. Mit Kozak44 und den Berlinern Luvre47 und Bangs AOB gab es intensiven Support, und auch noch einiges Publikum von außerhalb.

Dortmunder Rapper SHOULDA will an Album arbeiten

Auch wenn SHOULDA momentan hauptsächlich über Singles und EPs funktioniert, hat er Lust, sich für ein paar Monate musikalisch zurückzuziehen, um ein ganzes Album zu produzieren. So wie früher eben, wo genau das die logische Konsequenz von Erfolg war. Damit das passieren kann, braucht es aber eben wieder Input. SHOULDA bringt die Straßen Dortmunds in Textform und präsentiert uns die dreckigen Seite der Stadt, die immer mehr zu einem Hightech-Standort werden will. Dichte Beats und tight erzählte Stories aus dem Herzen des Ruhrgebiets, ohne Romantik oder Glorifizierung.

“Ihr habt Angst zu verpassen, doch der Druck steigt

Ich schreib‘ den Westen auf die Fahne so wie Suge Knight

Dicker, mein Bewusstsein taumelt in der Gegend vernebelt, ich sitz

Am Petit Paris Tresen und benehm‘ mich daneben, Dicker”

SHOULDA – Geht schon

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