„Essen ist ein Teil von dem, was ich bin“ – Rapper D.C. im Interview

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D.C. ist Rapper und Content Creator aus Essen. Seine Musik findet viel Inspiration im Ruhrgebiet. In Essen Werden trifft sich Strobo mit dem Rapper auf eine Falafelplatte in seinem Lieblingsrestaurant Habeez. Ein Gespräch über Heimat und Rap, Ruhrpott und Rassismus.

STROBO: Arman, deine Familie kommt aus dem Iran. Du bist in Essen groß geworden. Was bedeutet Heimat für dich?

D.C.: Manchmal haben Wörter nicht so eine klare Definition. Ich glaube genau so ist es mit „Heimat“. Einerseits ist Essen meine Heimat. Andererseits hab ich auch so ein Gefühl, wenn ich im Iran bin. Da war ich vor zehn Jahren das letzte Mal. Dieser Motorengeruch dort – das ist jetzt sehr spezifisch – aber den verbinde ich irgendwie mit „Heimat“. Ich habe auch zwei Jahre in Wien gelebt. Wenn ich zurück nach Wien komme, ist dort alles vertraut und meine Freunde sind dort. Das ist auch meine Heimat. 

STROBO: Also ist dein Verständnis von Heimat gar nicht an einen Ort gebunden?

D.C: Genau! Ich identifiziere mich als Kosmopolit, also als Bürger der Welt. Ist cheesy, aber es ist so. Es gibt also nicht nur eine Antwort auf die Heimat. 

STROBO: Das Ruhrgebiet ist von vielen verschiedenen Kulturen geprägt. Trotzdem gibt es auch hier viel Diskriminierung. Wie war das für dich hier aufzuwachsen?

D.C: Womit ich mich herumschlagen musste, ist Alltagsrassismus. Das ist immer fester Bestandteil meines Lebens gewesen als Heranwachsender. Ich komme aus der nördlichen Hälfte von Essen. Wenn ich in die südliche Hälfte komme, so wie heute hier in Werden, bekomme ich das Gefühl, ich gehöre hier nicht hin. Darüber hab ich auch einen Track geschrieben, der heißt „Klauen“. Der spricht den Alltagsrassismus an, der total real ist, aber auch die Paranoia, die sich da bei mir mittlerweile gebildet hat.

STROBO: Aus dem Ruhrgebiet kommt viel Rap: Warum passt das so gut zusammen?

D.C: Ich würde sagen, das liegt an dieser Arbeiter…, nein Arbeiter:innen-mentalität, die im Ruhrgebiet total vorherrschend ist. Dazu kommt dieser „Melting Pot of Cultures”. Die Menschen kommen aus dem Iran, Irak, Syrien oder der Türkei. Die wachsen auf als Kinder von Arbeiter:innen. Wer soll rappen, wenn nicht diese Menschen? Das sind Kinder, die nicht in den besten finanziellen Verhältnissen aufgewachsen sind. Diese Menschen haben eine Tendenz, Musik zu machen und sich auszudrücken. Deswegen passen Ruhrpott und Rap gut zusammen. 

STROBO: Ist der Ruhrpott deswegen realer als Bietigheim? 

D.C: (lacht) Oh, dazu kann ich aus diplomatischen Gründen keine Stellung beziehen.  

STROBO: In deiner Musik taucht häufig Essen als Motiv auf. Auch andere Rapper:innen finden viel Inspiration in ihrer Heimat. Warum ist dir das so wichtig? 

D.C: Ich glaube Essen ist ein bisschen Teil davon, was ich bin. Als Heranwachsender habe ich natürlich mein Leben hier verbracht. Meine Leute kommen aus Essen. Ich glaube, vieles in meinem Leben dreht sich einfach um diese Stadt. In “Schumi“ rappe ich zum Beispiel auch: „Leute machen Auge, viel zu viele Hunde“ und im Video zeige ich dabei auf die Skyline von Essen. Von diesen „Hunden”, meinen Feinden, sind natürlich viele auch aus Essen. In meiner Spotify-Beschreibung steht, dass ich mal sozialkritisch und mal über den täglichen Film in Essen-Sin-City“ rappe.

STROBO: „Ich chill den ganzen Tag in Karnap, Aral oder am Marktplatz”. Du scheinst eine Faszination für den Essener Norden zu haben. Aber welche Inspiration liegt in Essen-Karnap?

D.C: Das ist ja kein richtiger Track, sondern eher so ein Reel: „Karnap uh na na“. In meiner Jugend haben halt viele meiner Freunde da gewohnt. Ich habe halt den ganzen Tag in Karnap gechillt, bin mit der Bahn oder dem Fahrrad gefahren und war wirklich am Aral oder am Marktplatz. Ich komme eben aus dem Norden. Der Süden von Essen ist eigentlich noch ganz neu für mich. 

STROBO:Inside – D.C.

Arman Marvani ist 24 und wohnt in Essen Bergeborbeck. Seit 2019 rappt er unter dem Künstlernamen D.C.. Seine Lieder handeln von Alltagsrassismus, seinem Opel Corsa und dem Ruhrgebiet. Sie sind sozialkritisch, witzig und selbstgemacht. D.C. steht dabei für Dein Couseng. „Die Person, die das alles sieht und hört soll mich als ihren Cousin betrachten. Aber auch mit -eng am Ende, also Couseng, das ist mir wichtig!“, erklärt der Rapper selbst.

STROBO: In Schumi rappst du „Gib mir zwei Jahre, mich kennt jeder Penner“. Das war 2019. Wie läuft’s damit?

D.C: Ah nein! Ich hätte nicht gedacht, dass das passiert. Mein kühnster Alptraum hatte mit dieser Frage zu tun. Ich habe auf Spotify zurzeit 110 monatliche Hörer:innen. Ich droppe aber auch einfach nichts. Ich hab zwar letztes Jahr einen Song gedroppt. Das war „Ruhrpott Hollywood“. Davor war der letzte „Die Energie.” Ich glaub ich werde es bereuen das zu sagen, aber dieses Jahr kommen mindestens sieben Tracks und ein Tape. Mit Ruhrpott-Bezug sogar!

STROBO: Deine Musik und deine Videos produzierst du zum Großteil selbst. Wie dreht denn ein Philosophiestudent seine Rap-Videos?

D.C: Wenn ich in meinem Leben auf Rap-Video-Drehs war, dann auf meinen eigenen. Deswegen kann ich das gar nicht so gut beurteilen. Ich lege vor allem wert darauf, dass alles gut organisiert ist, und dass alle happy und gut drauf sind. Das Video zu „Klauen” hab ich zum Beispiel in einem türkischen Supermarkt gedreht. Das war super kurzfristig und nicht gut geplant. Da hatte ich zum Beispiel zwei Statist:innen, die hab ich mehrere Stunden herum stehen lassen, weil ich keinen Plan für sie hatte. Das bereue ich sehr.

STROBO: Du hast sicherlich Vorbilder und Einflüsse, wenn du kreativ arbeitest. Welche sind das?

D.C: Oh das sind richtig viele. Was das Content-Creating angeht ist das gerade Seth Everman. Der macht Kurzvideos, die alle so eine gewisse Menge existenzielle Panik drin haben. Aber mit Humor! So etwas feier ich extrem. In der Musik ist das Tyler, The Creator. Der hat mir gezeigt, dass ich mein Ding machen kann, scheißegal was es ist. 

Aber auch Travis Scott oder Drake inspirieren mich musikalisch. Kendrick ist ein großer Einfluss was das Lyrische angeht. Vom Vibe her aber auch Deichkind. Was Videos angeht, ist Director X eine Inspiration. Das ist der Typ, der das Hotline Bling-Video gemacht hat von Drake. Wenn ich seine Videos sehe denke ich, das hat einfach Geschmack. Ein ganz eigener Vibe. Das ist wie genau richtig gesalzenes Essen.

STROBO: Du hast jetzt schon einige Songs veröffentlicht. Was können wir dieses Jahr von D.C. erwarten? 

D.C: Wie gesagt, dieses Jahr kommt ein Ruhrpott-Tape. Mit vier, fünf Songs drauf, mehrere Features. Inklusive „Ruhrpott Hollywood”. Ich hab einen unfassbar talentierten Produzenten aus Köln kennengelernt. Der heißt BLOOSE. Wir wollen zusammen richtig coole Musik machen. Ein bisschen mehr in Richtung R’n’B so gar. Es wird auf die Kacke gehauen!

STROBO: Sagen wir du bist dann so richtig berühmt. Treffen wir dich dann noch am Aral oder am Marktplatz?

D.C: Ich wüsste nicht warum ich das jemals aufgeben soll. Das Problem ist, dass meine Freunde da weggezogen sind. Hier im Habeez oder in der Goldbar und am Isenbergplatz wirst du mich immer treffen. Klar, wenn ich die Chance habe, werd ich die Welt bereisen, aber Essen wird niemals vergessen.

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