Flemming Witt aus Bochum ist mit fast 20.000 Follower:innen auf Twitter als Papa Flemmse nicht nur eine Internet-Ikone, sondern auch erfolgreicher Poetry Slammer. Strobo hat mit ihm über die Bedeutung des Poetry Slams für ihn und seinen Werdegang gesprochen.
Auf der Bühne des FZWs in Dortmund steht ein Mann mit glatten, blonden Haaren und einem Zettel in der Hand. Menschen lachen laut auf und grinsen mit den Sitznachbarn um die Wette. Andere schlagen sich – deutscher Sitte gerecht – auf den Oberschenkel. Am Ende gibt es tosenden Applaus. Der Mann, der für die gute Laune verantwortlich ist, ist Flemming Witt.
Flemming ist an der Ostsee aufgewachsen. Um genau zu sein in Lübeck, der „schönsten Stadt der Welt“, wie er selbst behauptet. Mittlerweile wohnt der 27-Jährige in Bochum. Doch bevor er hier landete, gab es für ihn noch mehrere Zwischenhalte.
Poetry Slammer Flemming Witt: Slam statt Studium?
In Jena beginnt für Flemming nicht nur sein Politikwissenschaftsstudium, sondern auch seine Karriere im Poetry Slam. Was anfangs noch eine harmlose Teilnahme an einem Impro-Theater-Kurs ist, wird später zur prägenden Freilegung seiner künstlerischen Ader. Verantwortlich dafür ist der Leiter des Kurses: Poetry Slammer Friedrich Hermann. „Weil die Szene in Thüringen dringend Nachwuchs brauchte, hat er mich gezwungen, aufzutreten. Ich habe den Poetry Slam sehr schnell lieben gelernt und mein Studium vernachlässigt“, erzählt Flemming heute.
Die Liebe zum Slammen nimmt nämlich nicht nur viel Zeit in Anspruch, sondern irgendwann auch Überhand. „Ich musste meinen Eltern beichten, dass ich im 8. Semester doch nicht mit dem Bachelor fertig werde, weil ich die Anmeldefrist verpasst habe“, erzählt er lachend, „aber verboten wurde mir das Slammen nie.“
„Das ist ein krasser Safe Space“: Flemming Witt über Poetry Slam
Poetry Slam ist für Flemming auf der einen Seite Kunst und die Möglichkeit, sich selbst mitzuteilen und zu verwirklichen. Auf der anderen Seite geht es bei den Wortschlachten für ihn vor allem aber um das Gemeinschaftsgefühl. Dem Inhalt von Poetry Slams sind grundsätzlich keine Grenzen gesetzt. Daher werden in Slams eigene Ansichten, Erfahrungen, Fantasien und Gedanken verarbeitet. Im Fokus können daher Themen wie eigene Alltagsprobleme oder aber gesellschaftliche Probleme wie Rassismus und Sexismus stehen.
Laut Flemming ist genau das so schön am Poetry Slam: „Die Szene ist sehr eng und vertraut miteinander, man achtet viel aufeinander, jede:r fühlt sich willkommen und das ist ein krasser Safe Space.“ Ein Safe Space, in dem Probleme, die sonst unaussprechlich sind, verarbeitet und zu Kunst geformt werden können.
Bochumer Poetry Slammer hat 20.000 Follower bei Twitter
Nach seinem Studium kann Flemming in Vollzeit auf Bühnen stehen – in 2019 wird er sogar Thüringer Landesmeister im Poetry Slam. Und so wie es das Schicksal will, hat das Slammen nicht nur seine Karriere im Griff, sondern auch sein Liebesleben. Seine jetzige Frau, damals Praktikantin bei dem Veranstalter „Thüringer Highslammer“, lernt er bei einem Slam kennen. Letzten Endes landen beide im Ruhrgebiet, Grund ist unter anderem die Nähe zu anderen Poetry Slammern, die in Bochum leben.
Auch ist Flemming zu Recht als „Papa Flemmse“ auf Twitter bekannt. Wie der Name verrät, ist Flemming nämlich Vater. Zu den Pflichten eines Elternteils gehört natürlich auch das abendliche Geschichten-Vorlesen. Da kommt Flemmings Tätigkeit als Autor gerade recht: Auf seiner Website befinden sich 50 Gute-Nacht-Geschichten für Kinder. Seine Tweets beziehen sich jedoch auf eine Bandbreite von Themen. Wie beim Slammen verbreitet Flemming auch auf Twitter witzige Takes zu aktuellen Geschehnissen, kreiert eigene Memes oder teilt dem Rest der Bundesrepublik Deutschland mit, was man als Norddeutscher nun mal so erlebt.
„Den Account gibt es schon seit 2007, weil ich unbedingt Coldmirror auf Twitter folgen wollte“, erklärt Flemming. So richtig ins Twitter-Game steigt er während der Pandemie ein: „Da war das Kind gerade auf der Welt und ich lag nachts oft wach und hab dann irgendwas in die Welt getwittert.“ Seinem Kind hat er so gesehen also knapp 20.000 Follower auf Twitter zu verdanken. Und dem Poetry Slam quasi alles andere.
Trotz Kind und Vollzeitjob tritt Flemming regelmäßig auf: „Ich sehe schon zu, dass ich so zwei, drei Auftritte im Monat mache und ich schließe es auch nicht aus, dass ich in ein paar Jahren vielleicht wieder Vollzeit-Kunst mache“, sagt er. Wer es bis dahin kaum erwarten kann, findet einige Slams von ihm auf YouTube.
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