„Ich habe wirklich unendlich viele Scheiß-Tracks produziert“ – Mr. Fries im STROBO:Talk

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Die Musik des Dortmunder DJs und House-Produzenten Mr. Fries wird unter anderem über Labels in Lyon und London veröffentlicht. Wieso er dem Ruhrgebiet dennoch nicht den Rücken gekehrt hat, verrät Mr. Fries im STROBO:Talk.

STROBO: Mr. Fries, als Dortmunder DJ und Produzent kennst du dich besonders mit elektronischer Musik im Ruhrgebiet aus. Wie nimmst du ihre Entwicklung wahr?

Mr. Fries: Im Ruhrgebiet gab es Akteure, die jahrelang versucht haben, coole Partys zu veranstalten, wie zum Beispiel rund um den Goethebunker und das Studio in Essen. Allerdings stellt sich auch immer die Frage, wie divers das ist. Gerade im etwas softeren Bereich habe ich relativ wenig mitbekommen.

Als ich 18,19 war, bin ich mindestens dreimal die Woche vor die Tür gegangen und habe den Großteil meines verdienten Gelds dort ausgegeben. Dieses Zugehörigkeitsgefühl gibt es immer weniger. Leute sagen nicht mehr: „Das ist mein Laden. Da gehe ich jedes Wochenende hin. Da kenne ich den Klomann per Handschlag.“ Grundsätzlich ist elektronische Musik aber nicht tot. Es fehlt nur an Vernetzung im Ruhrgebiet.

Foto: Patrick Zajfert

STROBO: Wie kamst du zum Auflegen?

Mr. Fries: Ich bin damals in HipHop-Klamotten auf einen Rave gestolpert und fand es direkt gut. Da habe ich auch erst den roughen Berghain-Sound gehört, ehe ich dann zu House beziehungsweise Detroit House gekommen bin. Das war der gleiche Sound, den ich auch damals beim HipHop gehört habe: Jazzsamples, etwas entspannter, nur eben mit einer 4/4 Kick. Von da an habe ich aufgelegt. 

STROBO: Das Ruhrgebiet ist nicht für seine florierende Szene der elektronischen Musik bekannt. Wie hast du dich dennoch zurechtgefunden?

Mr. Fries: Ich hatte das Glück, dass schon immer eine Musik-affine Crew vorhanden war. Am Anfang waren das Freunde in Hagen, durch die ich dann im Royal Bambie spielen konnte. Dann war ich eine Zeitlang viel im Oma Doris unterwegs. Kurz darauf hatte ich auch schon mein erstes Release. Ab da war das mehr eine internationale Sache. Ich hatte einen Freund in Frankreich, der meine Musik gut fand, und dort vernetzt war, und Freunde in London, die mich eingeladen haben.

STROBO: Inside


Als House Musik bezeichnet man eine Richtung innerhalb der elektronischen Musik. Ähnlich wie bei Techno besteht der Rhythmus aus einer im 4/4 Takt durchlaufenden Kickdrum. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass klassische House-Tracks meist ältere Jazz-, Funk- oder Soul-Samples aufgreifen.


STROBO: Du veröffentlichst über Labels in Lyon und Brighton, aber hast dennoch dem Ruhrgebiet nicht den Rücken gekehrt. Wieso? 

Mr. Fries: Ich habe immer mal wieder darüber nachgedacht, nach Berlin zu ziehen, aber das hat auch persönliche Gründe. Berlin und London sind coole Städte – aber man muss sich schon richtig anstrengen, um in diesen Städten zu überleben und gesehen zu werden. Wenn man von außen hinzieht und nicht seit Jahren Teil von einer bestehenden Szene ist, kann man da auch schnell untergehen. 

„Wenn man die erste Platte releast, plant man schon seinen Trip nach Ibiza.“

STROBO: Was hat dich dazu gebracht, elektronische Musik nicht nur zu hören und aufzulegen, sondern auch zu produzieren?

Mr. Fries: Nach 1,2 Jahren des Auflegens habe ich geschaut, wie man diese Art von Musik eigentlich selbst kreieren kann und dann bei Freunden gesehen, wie die an die Sache herangehen. Anfangs habe ich viel gesampelt und herumprobiert. Ich habe wirklich unendlich viele Scheiß-Tracks produziert. 

STROBO: Du hast im Oma Doris bei einer WOLF Music Veranstaltung aufgelegt und dann eine Demo-CD weitergegeben. Wie ist es dazu gekommen? 

Mr. Fries: Ich hatte ein paar Tracks fertig und wusste schon vorher, dass der Sound zu WOLF Music passen könnte. Nachdem ich mir etwas Mut angetrunken hatte, habe ich kurz mit den Leuten gequatscht und denen eine CD in die Hand gedrückt. Im Endeffekt fußten dann auch alle Releases auf persönlichen Kontakt im Vorfeld. 

STROBO: Würdest du sagen: Das war der Moment, in dem du ein Bein in die Tür bekommen hast?

Mr. Fries: Auf jeden Fall. Wenn man die erste Platte releast, plant man schon seinen Trip nach Ibiza. Dann checkt man aber ganz schnell: „Meine Musik finden ein paar Leute in London ganz cool, aber mehr auch nicht.“ Ich freue mich immer noch über jedes Release, aber jetzt möchte ich nur Musik machen. Wenn meine Musik andere Leute cool finden, dann freut mich das.

STROBO: Wie war die Zeit nach dem Release, als du gemerkt hast: „Das kommt an, was ich tue“?

Mr. Fries: Gerade zu merken, dass fremde Leute, die nicht meine Freunde sind, meine Musik hören, fand ich schön. Wenn du deine eigene Platte in der Hand hältst und du weißt, du kannst wegen eines Gigs zweimal im Jahr in einer Stadt kostenlos Urlaub machen, ist das ein tolles Gefühl. 

„Wenn man mit anderen Musikern zusammenarbeitet, lernt man mehr und die Musik wird auch geiler.“

STROBO: Hast du von EP zu EP anders gedacht? 

Mr. Fries: Es gab schon einmal eine Platte, die etwas politischer war. Es ist aber auch schwierig, wenn man in seiner eigenen Nische unterwegs ist. Wo sich für Laien vielleicht vieles gleich anhört, ist da für meine Freunde und mich immer noch ein Twist drin, der den Unterschied ausmacht. 

STROBO: Auf WOLFEP045 hast du das erste Mal mit Kandinsky zusammengearbeitet, woraus sich sogar eine ganze EP („Strangerinthecity“) entwickelt hat. Wie ist es, mit anderen Künstler:innen Musik aufzunehmen?

Foto: Patrick Zajfert.

Mr. Fries: Das ist das Beste, was ich je machen konnte. Ich bin kein gelernter Musiker, aber wenn du mit jemandem zusammenarbeitest, der Bass spielen kann oder mal Gitarrenunterricht genommen hat, dann macht das Spaß. Kandinsky ist einer meiner besten Freunde. Mit ihm war es immer so, dass ich schon eine Skizze hatte und er dann geschaut hat, was er da rausholen kann. Mal ist die Skizze sehr vage, nur ein Vibe oder ein Mood, mal ist sie aber auch sehr konkret gewesen, bei der Kandinsky dann bestimmte vorprogrammierte Arrangements nur nachgespielt hat. Da haben wir uns dann mehrere Tage mit Junkfood eingeschlossen und Musik gemacht. Wenn man mit anderen Musikern zusammenarbeitet, lernt man mehr und die Musik wird auch geiler. 

STROBO: Zuletzt ist neue Musik von dir auf Alelah Records erschienen – einem Label aus Lyon. Wie kam es zu der Verbindung? 

Mr. Fries: Ich habe den Macher des Labels, LB aka Labat, auf einer Party in Wuppertal kennengelernt. Ich habe vorher noch nie jemanden getroffen, der eins zu eins die gleiche Musik hört, dieselben raren Jazzscheiben sammelt und dieselben Bücher zu Hause hat. Wir sind in Kontakt geblieben und irgendwann hat er das erste Mal einen Remix für mich gemacht. Ich war dann ein paarmal bei ihm in Lyon und er ein paarmal in Dortmund, bis über die Freundschaft auch die EP zustande gekommen ist. 

STROBO: Du hattest erwähnt, dass Clubmusik bei dir nicht mehr im Vordergrund steht und du ein Projekt unter neuem Namen startest. Was können wir erwarten? 

Mr. Fries: In der letzten Zeit habe ich aufgrund der Szene hier etwas den Spaß daran verloren, Clubmusik zu produzieren. Zudem hat mir das Mitproduzieren und Abmischen des Debütalbums der Essener Band Velour großen Spaß bereitet, weil ich dadurch noch einmal Musikproduktion aus der Bandsicht mitbekommen habe. 

So ist auch das neue Projekt vielmehr durch Jazzrock und Fusion beeinflusst und funktioniert mehr durch die Zusammenarbeit mit anderen Musiker:innen. Da denkt man dann auch mal über einen Tempowechsel, einen neuen B-Part oder ein String-Orchester nach. Ich arbeite seit eineinhalb Jahren an diesem Album und der Anspruch an einen selbst steigt natürlich. Jetzt gerade wird es konkreter. 

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