Kolja Fach tourt mit seinen Texten durch ganz Deutschland. Trotzdem ist für ihn gerade das Ruhrgebiet ein ganz besonderer Spot. Warum der Pott so attraktiv für Kulturschaffende ist und wie Attila Hildmann ihm 2020 zu größerem Erfolg verholfen hat, erzählt Kolja im STROBO:Talk.
STROBO: Kolja, wie bist du zum Poetry Slam gekommen?
Kolja Fach: Gute Frage. Am Anfang war es tatsächlich so, dass ich von dem Format nicht viel gehört hatte, sondern einfach für mich geschrieben habe. Irgendwann habe ich dann von Poetry Slams erfahren. Und es war damals so wie heute: Poetry Slam ist eine gute Möglichkeit, um seine Texte zu präsentieren. Bei mir war es nicht anders – ich wollte gucken, ob die Leute meine Texte genauso lustig finden wie ich selbst.
Wenn ich aus heutiger Sicht überlege, warum ich hingehe, sind das zum großen Teil die Leute: alle die regelmäßig auftreten und auf Tour sind. Ich mag die Atmosphäre extrem gern und es gibt dort so viele aufmerksame Menschen, Menschen, die sich viele Gedanken machen. Es ergeben sich auf Poetry Slams immer sehr interessante Gespräche und der Umgang miteinander ist super nett.
STROBO: Inside
Kolja Fach (*1998) ist ein vielfach ausgezeichneter Slam-Poet, Komiker und Autor. Ein halbes Jahr nach seinem ersten Auftritt (2011) qualifizierte sich der damals 13-jährige Bielefelder zum ersten Mal für die deutschsprachige Meisterschaft, durfte jedoch wegen seines jungen Alters nicht antreten. 2019 gewann er schließlich sowohl die U20- als auch die Ü20-NRW-Meisterschaft und stand anschließend im Finale der deutschsprachigen Meisterschaft im Poetry Slam. Kolja studiert an der TU Dortmund und lebt zurzeit in Hamburg. Seine Soloshow »Fachwörter« wurde 2020 mit dem Kleinkunstpreis Lüdenscheider Lüsterklemme ausgezeichnet.
STROBO: Du hast ja gerade angemerkt, dass es – im Gegensatz zu früher – weniger offene Bühnen gibt. Warum ist das so?
Kolja Fach: Der Zwiespalt ist, dass alle eine Bühne geboten bekommen sollen, die das wollen, dass es aber für Veranstalter:innen und auch das Publikum schön ist, wenn man einige Menschen im Line-Up schon kennt und schon weiß, dass die abreißen können. Wenn ein erster Auftrittsversuch dann auch noch richtig krass ist, was oft genug passiert, ist das für alle super. Wenn ein erster Auftritt aber vielleicht nicht so klappt, wie vorgestellt, fängt der Rest der Veranstaltung das etwas auf.
STROBO: Wie genau sieht die Arbeit im U20 Bereich aus?
Kolja Fach: Die Szene hat sich über die Jahre immer weiter professionalisiert und so auch die U20 Arbeit – das ist fantastisch! Es gibt Workshops, Veranstaltungen, Meisterschaften und es haben sich unglaublich gute und aufmerksame Menschen aus der Szene hervorgetan, die sich um die jungen Leute kümmern: Und das künstlerisch, wie auch persönlich am Rande von Meisterschaften. Jule Weber zum Beispiel ist einer der Namen aus dem Ruhrgebiet, die man gehört haben sollte.
STROBO: Du studierst an der TU Dortmund und hast auch zwei Jahre da gewohnt. Wie war die Zeit für dich im Ruhrgebiet?
Kolja Fach: Es war eine gute Zeit. Das Ruhrgebiet ist voller sehr sympathischer Menschen. Besonders der Charme der älteren Generation, die es noch als Industrie- und Wirtschaftsmetropole kennengelernt hat, mag ich sehr. Das find ich extrem interessant. Aber auch kulturell ist es sehr reizvoll. Es gibt zum Teil krasse Schulen für darstellende Künste, aber auch ultra viele Locations. Wenn man sich allein Dortmund anguckt- was es da an Vielfalt gibt. Von Partys auf dem Schiff, bis hin zum Jazz Club oder Tanzcafé und alle Arten von Konzerten und Festivals. Ich habe alles in zwei Jahren mitgemacht und musste nie weit fahren. Das ist extrem cool.
STROBO: Du kommst ursprünglich aus Bielefeld. Wie lief es dann mit deinen Poetry Slam Auftritten als du nach Dortmund gezogen bist?
Kolja Fach: Es gibt in der Szene einen krassen Buschfunk. Da war schon klar, dass ich hier hinkomme, bevor es überhaupt so weit war, und mich hatten schon ganz viele Menschen angefragt. Besonders tolle Arbeit macht WortLautRuhr, an denen kommt man nicht dran vorbei.
Aber auch WestStadtStory in Essen, die riesige Veranstaltungen auf die Beine stellen, sind sehr cool. Das ist immer sehr beeindruckend, was die organisieren. Ich war dann auch schnell mit den Veranstaltenden in Kontakt und dann auch gut beschäftigt (lacht).
STROBO: Was würdest du sagen ist besonders an der Poetry Slam Szene im Ruhrgebiet?
Kolja Fach: Besonders die Nachwuchsarbeit und -förderung. Das ist auch einfach mega wichtig, dass da viel gemacht wird. Sonst ist die Vernetzung sehr krass. Es gibt in jeder Ecke des Ruhrgebiets eine Poetry Slam Veranstaltung und die kennen sich auch alle und organisieren viel zusammen.
So wie das Ruhrgebiet selbst, das aus vielen zusammenhängenden Städten besteht, sind auch die Veranstaltenden miteinander verbunden. Das ist dann auch für die Künstler:innen attraktiv, die dann von einer Veranstaltung zur nächsten hoppen können. Es gibt immer ein paar sehr starke Regionen und so wie Hamburg mit ihren Veranstaltern Kampf der Künste raussticht, ähnlich macht es auch das Ruhrgebiet mit WortLautRuhr. Es gibt auch genug Menschen, die deshalb hier hinziehen.
Rückwirkend war es also sehr gutes Marketing für mich und sehr peinlich für ihn.
Kolja über sein Video zu „Die Gedanken sind frei – von Inhalt“ und den Stress mit Atilla Hildmann
STROBO: Auch du konntest 2020 nur wenige Auftritte live geben. Eins davon war anders als die anderen. Und zwar ist Atilla Hildmann auf dich aufmerksam geworden. Was war da los?
Kolja Fach: Genau (lacht). Ich hatte Glück und konnte sozusagen zwischen den beiden kulturellen Lockdowns im Herbst in Hamburg auftreten. Das Ganze wurde auch gefilmt und später hochgeladen. Speziell geht es um den Text „Die Gedanken sind frei – von Inhalt.“ Darin fronte ich Atilla Hildmann nicht direkt, aber eine bestimmte Art von Menschen, die zu viel Wert darauflegen, Dinge zu kommentieren. Sie drücken dann oft ihre Meinung zu Dingen aus, ohne die vorher auf eine solide Art gebildet zu haben.
Also im Kern geht es um den Umgang mit Meinungsfreiheit. Atilla Hildmann hat sich davon angesprochen gefühlt, was nicht explizit so gemeint war, aber vollkommen passend ist. Eigentlich ein bisschen selbstentlarvend von ihm- aber keine Ahnung, ob er das reflektiert. Auf jeden Fall ist dieses Video ins Netz gekommen und hatte über Nacht auf einmal 600 oder 700 Dislikes und über 1000 Kommentare.
STROBO: Was ist dann passiert?
Kolja Fach: Atilla Hildmann hatte anscheinend in seiner Telegram Gruppe auf das Video aufmerksam gemacht. „Daumenrunter-Blitzkrieg“ nennt er das und ruft die Menschen auf, die geteilten Inhalte zu disliken.
Ich bin dann die ganze Nacht wach geblieben und habe mir das ganze weiter angeschaut. Manche Kommentare waren auch sehr bedenklich und ich wusste, ich kann nicht mehr machen als abwarten. Am nächsten Morgen habe ich dann den Betreibern von der YouTube-Seite geschrieben und wir haben uns dafür entschieden das Video hochgeladen zu lassen. Bei denen geht es ja genau darum, solche Videos zu canceln.
STROBO: Was für ein Feedback hast du daraufhin bekommen?
Kolja Fach: Am Ende haben sich viele große Poetry Slam Seiten in den sozialen Medien mit mir solidarisiert und darauf aufmerksam gemacht. Es war in diesem Moment stressig, aber was Attila Hildmann am Ende geschafft hat, ist: Er hat dem Video unglaublich viel Traffic bereitet, ich habe dadurch einige Bookings bekommen, es war relativ solide Publicity für mein Buch, was 2020 rausgekommen ist. Was er nicht geschafft hat, ist, dass das Video aus dem Netz genommen wurde. Rückwirkend war es also sehr gutes Marketing für mich und sehr peinlich für ihn.
Weitere Informationen: Koljas Fachs Buch Schund und Bühne.
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