Seit 2002 ist Michael Goehre Poetry-Slammer und gehört zu den bekanntesten Gesichtern der Szene. Seine Slamtexte, Kolumnen und Bücher haben häufig ein Thema: Metal. Seit 2015 wohnt er in Essen. STROBO hat ihn in seiner Stammkneipe getroffen.
Wer Michael Goehre nach einem Treffpunkt fragt, wundert sich nicht über die Antwort: Café Nord, die Kult-Metal-Kneipe in der Essener Innenstadt. Betritt er die Kneipe, wird direkt ein Bier für ihn angezapft. Wenn er doch mal etwas anderes trinken möchte, muss er schnell intervenieren. „Ein Radler heute, ich muss noch arbeiten“, bestellt er. Die Musik, die hier läuft, ist ein fester Bestandteil seines Lebens. Kaum jemand aus der Poetry-Slam-Szene wird so stark mit einer Subkultur in Verbindung gebracht, wie Michael Goehre mit der Metal-Szene. Das liegt an seiner offensichtlichen Leidenschaft für die Musik. Seit zwanzig Jahren steht Michael als Slammer auf den Bühnen Deutschlands. Lange, dunkle Haare. Immer in schwarzen Band-Shirts. Alles an ihm schreit Metal.
Von Beethoven zu „Jungsmusik“
Dahinter steckt jedoch mehr. „Ich war schon immer ein sehr nerdiges Kind. Am Anfang war ich ein richtiger Fan von klassischer Musik, sogar von Beethoven“, erzählt Michael. In den frühen Jugendjahren durchlebt er schließlich seine ganz eigene Beatlemania. Über „Helter Skelter” und weitere Beatles-Songs beginnt er sich für härteren Rock zu interessieren. Über Schulfreund:innen entsteht schließlich die Liebe zu Heavy-Metal und allem, was dazu gehört. Nebenbei entwickelt er eine Liebe zum Schreiben von Geschichten und den Drang, sich kreativ auszudrücken. „In der zweiten Klasse habe ich angefangen, Kurzgeschichten zu schreiben. Die hat dann meine Klassenlehrerin teilweise vorgelesen, weil sie sie so toll fand. Später habe ich dann Teenager-Horror-Scheiß und die klassischen Herzschmerz-Gedichte geschrieben”, erinnert sich Michael.
Mittlerweile liest Michael seine Texte selbst vor und ist damit zu einem der bekanntesten Gesichtern der Poetry-Slam-Szene geworden. Für das Metal-Magazin „Legacy” schreibt er unter dem Titel „Jungsmusik” regelmäßig Kolumnen. Den gleichen Titel trägt der erste Band seiner Coming-of-Age-Romanreihe. Metal-DJ Torben und seine Freund:innen werden in der Reihe zwischen Metalpartys und Liebesleben mit dem Ernst des Lebens konfrontiert. Die authentische Erzählweise der Romane entsteht vor allem aus Michaels persönlichen Erfahrungen in der Szene. „Ganz viele Leute fragen mich, was denn davon wirklich real ist. Dabei sind die verrücktesten Geschichten immer die, die tatsächlich passiert sind”, erzählt er. „Jungsmusik” ist dabei vor allem ironisch gemeint und entsteht aus dem Klischee, das Heavy-Metal noch immer mit sich trägt. „Das hat sich zum Glück schon stark gewandelt und trotzdem muss da noch einiges passieren”, kommentiert Michael den Titel seiner Reihe.
Zurzeit arbeitet Michael Goehre am letzten Band seiner Romanreihe. „Das muss jetzt langsam mal fertig werden. Ich hab zum Glück eine sehr geduldige Fangemeinde”, erzählt er lachend. Auch an Slams möchte er wieder vermehrt teilnehmen. Auf seinem Youtube-Channel „TV Jungsmusik” veröffentlicht er regelmäßig Rezensionen, Interviews und Vlogs rund ums Thema Metal.
Michael Goehre: Zweites Wohnzimmer im Essener Nordviertel
Seit 2015 wohnt Michael in Essen. Hier hat er im Nordviertel der Stadt seine Gegend gefunden. Mit dem Café Nord, dem Don’t Panic und dem Turock dreht sich dort alles um Rock und Heavy-Metal. Kein Wunder also, dass sich Michael hier pudelwohl fühlt. Sein Lieblingsplatz ist auf einer der Bänke gegenüber des Eingangs – den hat er so bestens im Blick. „Das Nord ist mein Wohnzimmer geworden. Ich habe mir immer so eine Stammkneipe gewünscht. Hier kann man auch richtig gut Menschen beobachten”, erzählt er. Schnell fällt auf: Er gerät ins Schwärmen, wenn er von seiner Wahlheimat berichtet. Zwanzig Jahre hat Michael in Bielefeld gelebt. „Das war mir einfach irgendwann zu klein”, erinnert er sich. Im Ruhrgebiet scheint er angekommen zu sein. „Essen hat halt kaum Selbstbewusstsein im Gegensatz zu Berlin oder anderen Städten. Das ist manchmal schade, aber auch ganz sympathisch“, schildert Michael seinen Eindruck.
Wer mit Michael Goehre einen Abend im Café Nord verbringt, dem fällt eines schnell auf: Michael selbst ist eigentlich ganz anders als die Musik, die er so liebt. Er ist zwar groß, aber nicht laut. Eher zurückhaltend, fast schüchtern und unglaublich freundlich. Er brennt für die Musik und das Schreiben. Die Musik ist die offensichtlichere Leidenschaft, doch das Schreiben scheint die größere zu sein. „Ich war schon immer Pausenclown und Rampensau”, erzählt er und man kauft es ihm ab. Seit zwanzig Jahren profitieren die deutschen Slam-Bühnen davon. Michael Goehre ist ein Urgestein der Szene und er hat es geschafft, den Spieß umzudrehen. Er ist kein Metal-Fan mehr, der Poetry Slam macht. Er ist Autor, Kolumnist und Poetry-Slammer, der eben auch Metal-Fan ist.
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