Von Köln über Salzburg nach Berlin – und zwischendurch in den Pott: die freischaffende Schauspielerin Iman Tekle

Die Karriere der Schauspielerin Iman Tekle beginnt in einem Kölner Jugendtheater. Heute ist sie in ganz Deutschland und Österreich unterwegs und arbeitet an vielen spannenden Projekten. Im Interview erzählt sie über Hierarchien und Diversität im Theater und warum die freischaffende Schauspielerin den Ruhrpott so gerne mag.

„Dass ich zum Theater gekommen bin, war eher ein Zufall. Dass ich damit weitergemacht habe, war dann meine Entscheidung“, so beschreibt die Schauspielerin Iman Tekle den Beginn ihrer Berufslaufbahn. Iman hat gerade Premiere in Graz und sowieso ist die gebürtige Kölnerin gerade viel unterwegs – erst vergangenes Jahr war sie im Schauspielhaus Dortmund in der Produktion „Cherchez la FemMe“ zu sehen. Iman erzählt von ihrer neuen Wohnung in Berlin, in der sie jetzt endlich ankommen konnte: „Ich wollte einen Ort, wo meine Bücher wohnen. Einen Ort, wo meine Sachen stehen, wo ich sie angucken kann.“ Dass es am Ende Berlin geworden ist, war dann eher eine „praktische Sache“, meint die Schauspielerin.

Iman Tekle arbeitet als freischaffende Schauspielerin. Foto: Lennart Neuhaus.

„Das Freischaffende hat mich ausgesucht“

Iman schloss im Sommer 2021 ihr Schauspielstudium im Mozarteum am Thomas Bernhard Institut in Salzburg ab. Danach entschied sie sich, freischaffend als Schauspielerin zu arbeiten und nicht an einem Stadttheater anzufangen. „Das Freischaffende hat mich ausgesucht“, erklärt sie. „Im Studium wird einem nie so wirklich etwas über freischaffende Arbeit erzählt. Uns wurde immer ans Herz gelegt, uns einen festen Job an einem Stadttheater zu suchen.“

Für Iman kam es jedoch anders: Die Vorsprechen an den Stadttheatern liefen nicht erfolgreich – aber:„Ungefähr zur gleichen Zeit sind Leute auf mich zugekommen, die Projekte mit mir machen wollten. Daraus hat sich dann meine Arbeit ergeben.“ Und das nicht zu knapp. Iman spielte in den letzten eineinhalb Jahren bei den Salzburger Festspielen, am Volkstheater Wien und im Schauspielhaus Graz in der jetzt schon dritten Produktion. Außerdem arbeitete sie beim Theaterfestival in Hessen.

Das Weibliche auf der Bühne

In Dortmund war sie als Gast in dem Programm „Künstler*innenresidenz“ im auf der Bühne zu sehen. Organisiert wurde das Stück „Cherchez la FemMe“ vom Kollektiv Operation Memory. Zusammen mit den drei Kollektivmitgliedern Maria Babusch, Cosmo Glanc und Julienne De Muirier entwickelten Iman und drei weiteren Schauspielerinnen ein Stück, in dem sie vier historisch bekannte Frauen auf der Bühne aufeinander treffen ließen. „Die Fotografin und Schriftstellerin Claude Cahun, die Philosophin Hannah Arendt und die beiden Sängerinnen und Schauspielerinnen Josephine Baker und Eartha Kitt. Es ging um die Femininität im Performativen“, erzählt Iman. Die Frage war: Wie gingen die vier mit ihrer Weiblichkeit um. „Das war eine sehr aufregende Arbeit. Ich mochte es, mit so flachen Hierarchien zu arbeiten.“

„Das Theater Dortmund ist sehr divers”

„Das Theater Dortmund ist sehr divers. Es war eine schöne Erfahrung für mich, nicht die einzige schwarze Person im Raum zu sein”, sagt Iman. Auf die Nachfrage, ob das sonst immer so gewesen war, antwortet sie mit: „Ja, schon. Und das nicht nicht nur hinter und auf der Bühne, sondern auch im Publikum.“ Die auf mehreren Ebenen fehlende Diversität sei aber auch kein Wunder: „Alleine schon, wenn man sich die Kosten für die Theater Tickets anschaut, dann erklärt das ja eigentlich schon, warum das Publikum so homogen ist. Es kann sich halt nicht jeder leisten, ins Theater zu gehen.“ 

Iman erzählt vom Anspruch der Theater, Menschen anzusprechen, die sonst nie ins Theater gehen. Doch die Schauspielerin sieht da wenig Hoffnung: „Ich glaube, das ist fast unmöglich. Schon, wenn es darum geht, dieses Gebäude zu betreten. Ein Gebäude, das wegen seiner Bauart und seinem Stil viele Menschen an Orte erinnert, in denen sie einfach unmenschlich behandelt wurden, wie zum Beispiel Ausländerbehörden. Ich würde in so ein Gebäude auch nicht reingehen wollen.“

Iman Tekle beschäftigt sich mit Diversität im Theater. Foto: Lennart Neuhaus.

„Decolonize Dortmund“: Die koloniale Geschichte Dortmunds

Mit dem Thema Rassismus und Dekolonisation beschäftigte sich Iman auch abseits des Theaters. Während ihrer Zeit in Dortmund veranstaltete sie mit dem Kollektiv „Decolonize Dortmund“ einen audio-geführten Stadtspaziergang durch die koloniale Geschichte Dortmunds. Das Thema Rassismus und Kolonialisierung spielt für Iman zwangsläufig eine große Rolle in ihren schauspielerischen Themen. Iman stellt heraus: „Ich, als schwarze Person, werde zum Beispiel ausschließlich zu Stücken angefragt und besetzt, wenn es um Rassismus geht. Meine Hautfarbe spielt also immer eine Rolle.“ Das sei etwas, so betont sie, auf dass man unbedingt auch aufmerksam machen müsse. 

Dass die junge Schauspielerin bei so unterschiedlichen Projekten mitmachen kann, ist durch ihre freischaffende Arbeit möglich. Dadurch kann sie viel reisen und ist nicht an ein Theater gebunden. Trotzdem entstehe durch die sechs- oder sogar achtwöchigen Vorbereitungen für die Stücke in den verschiedenen Ensembles eine intensive Auseinandersetzung mit den Themen und ein Zusammenwachsen der Schauspielenden. Genau das war es auch, was Iman zum Schauspiel bewegte.

Imans Weg zum Theater

Geboren 1995 in Asmara, Eritrea, und aufgewachsen in Köln, hatte die Schauspielerin bis zu ihrem ersten Vorsprechen im Jugendtheater in verschiedenen Gruppen bereits recht viel Theater gespielt. Trotzdem gab es für sie als Kind einfach andere Prioritäten, wie Boxtraining oder Tanzunterricht: „Das war bis dahin meine Welt.“ Als die Schwester ihrer besten Freundin sie dann eigentlich nur zur Unterstützung mit zu einem Vorsprechen in den Jugendclub des Schauspiel Köln mitnahm, sprach Iman schließlich auch selbst vor: „Das Miteinander, diesen Ensemble-Gedanken fand ich so schön, dass ich beim Schauspielern bleiben wollte.“

Die „Rheinischen Rebellen“, wie der Jugendclub in Köln sich nannte, lösten sich schließlich nach einem Intendantinnenwechsel auf. „Ich war immer die Jüngste in dieser Gruppe. Nach der Auflösung des Clubs haben die anderen angefangen, an Schauspielschulen vorzusprechen. Ich musste erst einmal schauen, ob ich das wirklich will“, sagt Iman. Nachdem sie dann aber noch für eine Weile „einen Haufen junger Menschen, die auch Theater spielen lieben“ in Leverkusen gefunden hatte, war ihr klar, dass sie ein Schauspielstudium beginnen möchte. Dafür musste sie jedoch Deutschland verlassen und nach Österreich ziehen.

Die Arbeit im Pott hat Iman viel Spaß gemacht: „Als ich meine Produktion hier gemacht habe, habe ich mich zu Hause gefühlt. Dass man sich so selbstverständlich mit Menschen unterhält, dass alle in der U-Bahn Freunde sind. Genau das war das, was mir in Österreich gefehlt hat.“ Auf die Frage, ob Iman wieder in die Theater im Ruhrgebiet kommen möchte, sagt sie: „Voll gerne.” Sie lacht: „Ich würde es lieben. Also, wer das liest und einen Job für mich hat: Hit me up!“

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