Kolumne: Wie können wir allen ein gewaltfreies Party-Erlebnis ermöglichen?

Wir stehen kurz vor Halloween – und wenig später beginnt schon wieder die Weihnachtszeit. Für viele ein Grund zu feiern. Leider erleben gerade FLINTA*-Personen in Clubs noch immer häufig Grenzüberschreitungen und sexualisierte Übergriffe. In ihrer ersten Kolumne schreiben Leonie und Lena von Feminismus im Pott, wie ein unbeschwertes Party-Erlebnis möglich ist.

Winter is coming und die Lust aufs Feiern kocht in einigen hoch. Ein bisschen Leichtigkeit bei der politischen Schwere der letzten Zeit ist gefragt – sich endlich mal wieder fallen lassen, tanzen, ausgelassen sein; kurz den Alltagsstress zumindest für ein paar Stunden vergessen. Das alles sind wohl ziemlich legitime Wünsche. Wir alle brauchen Rückzugsorte, an denen wir uns unbeschwert fühlen können. Doch was ist, wenn der Ort, von dem wir uns all das erhofft haben, uns all das plötzlich verwehrt, oder schlimmer noch, zu einer Umgebung wird, in der wir uns unsicher fühlen müssen, an dem uns Belästigung, Gewalt und Diskriminierung widerfährt? 

Spaß haben als Privileg – Sexualisierte Belästigung und Gewalt in der Club-Kultur

Das Ruhrgebiet als Ballungsraum, der mit einer vielfältigen Kunst- und Kulturlandschaft ausgestattet ist, hat auch einiges in Sachen Clubs zu bieten – ob für Techno- oder Indie-Liebhaber:innen. Doch bei all der Ausgelassenheit, all dem Hedonismus bleibt oft einiges auf der Strecke: Clubs sind öffentliche Orte und weisen als solche eine Besonderheit auf. Hier werden Alkohol und andere Drogen konsumiert, in dunkler Atmosphäre treffen unterschiedlichste Menschen aufeinander, die Musik ist laut, die Eindrücke schnelllebig. Aus Spaß kann ganz schnell Ernst werden.

Seien es die K.O.-Tropfen im Drink, der kurze Klaps auf den Hintern oder das Bedrängen in einer dunklen Ecke – all das sind massive Grenzüberschreitungen, von denen statistisch gesehen vor allem FLINTA* (Frauen, Lesben, inter-, nicht-binäre, trans und agender Menschen*) betroffen sind. Fast jede:r kennt Berichte aus den eigenen Reihen, in denen von solchen Vorfällen berichtet wurde und die nicht selten weggewischt, wenn nicht sogar angezweifelt wurden. Der kurze Rock, die sexy Geste, der angenommene Drink eines spendablen Typen, das alles sind für viele immer noch Anzeichen dafür, dass es wohl nicht anders gewollt wurde. Die Rollen von Tätern und Betroffenen werden umgekehrt, es kommt zum Victim Blaming.

FLINTA*

FLINTA* ist ein Akronym, das für Frauen, Lesben, inter, nicht binäre, trans und agender Personen steht. Damit sollen alle Personen angesprochen werden, die aufgrund ihres Geschlechts und ihrer geschlechtlichen Identität in der patriarchalen Gesellschaft marginalisiert werden.

Das alles hat nachhaltige Folgen für die potenziell Betroffenen: FLINTA* dürfen keine Fehler machen. Es ist klar, was zu tun ist, wie sich gekleidet und bewegt werden sollte und wie nicht, wie weit gegangen werden kann. Auf keinen Fall sollte man als FLINTA* allein feiern oder nach Hause gehen. Und wenn doch, dann nur mit dem Schlüsselbund zwischen den Fingern in der einen und dem Handy in der anderen Hand.

Umgekehrt kann es aber auch als prüde, verklemmt oder als spaßbremsend verstanden werden, wenn FLINTA* sich zu ängstlich zeigen, Flirtversuche nicht annehmen, zu oft Nein sagen. Vielen erscheint ein „Nein“ als eine Art Herausforderung, als ein game, dessen einziges Ziel es ist, die Grenzen einer anderen Person endgültig zu brechen. Das alles sind bekannte Situationen, die auf strukturelle Schieflagen hindeuten. Das Patriarchat ist immer noch am Werk, auch in Zeiten voranschreitender Gleichstellung. Es hat sich in unsere Körper und Gedanken eingebrannt und alle müssen sich in der Verantwortung sehen, daran etwas zu ändern.

Eine Party für Alle – für eine diskriminierungsfreien Umgang in Clubs 

Das sollte nicht nur auf der Straße, in der Uni, auf der Arbeit oder im Verein passieren, sondern auch da, wo wir frei und schwerelos sein wollen. Die Party ist das Mikroabbild dieser Gesellschaft, das ihr wahres Gesicht durch Alkohol und Drogen nur schneller und deutlicher zeigt. Es sollte nicht zum Privileg einzelner (meist weißer, männlich gelesener) Personen werden, Spaß zu haben. Auch die Veranstalter:innen der Clubs müssen für eine diskriminierungsfreie Umgebung sorgen. Es reicht eben nicht, sich als Safe Space für marginalisierte Personen auszuweisen, dafür aber nichts zu tun oder aktiv dagegen zu handeln. 

Stattdessen braucht es geschultes Personal, das auf die Erfahrungsberichte belästigter Personen eingeht, diese ernst nimmt und Konsequenzen daraus zieht – die übergriffige Person zur Rechenschaft zieht und im Zweifelsfall rausschmeißt. Es bedarf außerdem eines klaren Awareness-Plans, der auch auf Mehrfachdiskriminierungen eingeht, zum Beispiel  von Personen, die sowohl von Sexismus als auch Rassismus betroffen sind.

Prävention und Aufarbeitung sind hier die Schlüsselwörter: Diskriminierung und Gewalt sollten keinen Platz haben und wenn sie es schaffen, sich in der Unübersichtlichkeit einer Party doch einzuschleichen, müssen solche Fälle klar benannt und aufgearbeitet werden. Übergriffiges Verhalten ist kein Flirt und auch kein Spaß, es ist der Versuch, Macht über eine andere Person auszuüben und sich gegen ihren Willen durchzusetzen! 

Tipps für ein unbeschwertes Party-Erlebnis

Nicht immer ist es leicht, herauszufinden, was dem:der anderen gefällt und wo seine:ihre Grenzen liegen. Vielen scheint ihr übergriffiges Verhalten im Vorhinein nicht bewusst gewesen zu sein, sie fragen sich, was sie falsch gemacht haben. 

Um ein besseres Bewusstsein für ein konsensorientiertes, tatsächlich unbeschwertes Partyerlebnis zu schaffen, haben wir uns einige Orientierungspunkte überlegt, die dabei helfen können:

  • „Nein“ heißt „Nein“ und nicht „überzeug mich“. Nur „Ja“ heißt „Ja“: Ungefragte Berührungen, wie Grapschen, gehören also nicht zum „guten Ton“ und sind auch kein Kompliment – vergewissere dich, dass die andere Person damit einverstanden ist.  
  • Ein kurzer Rock oder ein ausgelassener Tanz ersetzen keine Zustimmung – frag lieber einmal zu viel nach als einmal zu wenig. 
  • Es kann bedrohlich wirken, wenn Du nachts in einer verlassenen Umgebung dicht hinter einer (FLINTA*)-Person läufst. Auch wenn Du keine bösen Absichten hattest, wechsle lieber die Straßenseite
  • Einer deiner Freund:innen verhält sich falsch? Sprich ihn:sie darauf an. Überlass es nicht den anderen, etwas zu tun – sei ein Ally! 
  • Du beobachtest, wie jemand gegen ihren:seinen Willen belästigt wird – versuche, dieser Person Deine Hilfe anzubieten und greif‘ ein, wenn es nötig wird. Dabei ist es nicht notwendig, sich selbst zu gefährden: Wende Dich in solchen Fällen an das Club-Personal! 
  • Entschuldige Dich, wenn Du die Grenzen einer Person überschritten hast. Sollte es doch zu einer Grenzüberschreitung gekommen sein, zeig keinen falschen Stolz, sondern entschuldige Dich für Dein Verhalten. Signalisiere, dass Du für Dein Verhalten Verantwortung übernimmst und es zukünftig anders machst. 
  • Informier Dich, wenn Dir nicht so klar ist, was unter Diskriminierung, (sexualisierte) Belästigung und Gewalt fällt und welchen Gefährdungen FLINTA* ausgesetzt sind. Es gibt zahlreiche Beiträge und Infomaterial zu dem Thema, zum Beispiel hier.

Wenn alle sich danach richten, können wir gemeinsam ohne Angst, Scham und Gewalt feiern und eine gute Zeit haben! Let’s get the party started! 

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