Die Dortmunder Jana Kerima Stolzer und Lex Rütten kreieren als Künstler:innen multimediale Installationen und Performances und sind als DJ Duo „Alice and Bob“ aktiv. Im Interview erzählen die beiden vom Positiven im Klimawandel und Liebesgeschichten zwischen Bots.
STROBO: Ihr beiden macht Kunst, Musik und Bühnenbild. Also irgendwie alles. Wie definiert ihr eure Arbeit?
Jana: Schwierige Frage. Wir beschäftigen uns mit Dingen aus unserer Umwelt. Das hat angefangen mit dem Verhältnis zwischen dem Menschen, Technologie und Natur. Wir recherchieren viel zu den Themen und arbeiten sie danach aus. Dementsprechend ist es oft „alles“, weil diese Ausarbeitung in allem münden kann. Das kann eine Installation, ein virtuelles Projekt oder ein Musical sein.
Jana Kerima Stolze und Lex Rütten kreieren zusammen Installationen, Soundprojekte und DJ-Sets
STROBO: Zum Thema Sound: Auf den Musikcovers eures DJ-Projekts „Alice and Bob“ sieht man oft eure Katzen. Sind Katzen eine Art Symboltier für eure Arbeit?
Jana: Ich hatte schon immer Katzen. Wegen dem Studium und häufige Ortswechsel sind wir zeitweise ohne ausgekommen. Als wir zusammengezogen sind haben wir uns nach einigen Gastkatzen eingestanden, dass wir auch eine brauchen… Jetzt sind es schon drei. Wir sind einfach Fans.
Lex: Gerade wenn man viel reist, ist es schön nach Hause zu kommen und zu merken, dass da jemand wartet.
STROBO: Ihr habt beide ursprünglich Kunst studiert und euch durchs Studium kennengelernt. Aber wie kam die Idee, zusammen Kunst zu machen?
Lex: Jana und ich haben uns 2016 in Dortmund auf einer Party wieder getroffen und näher kennengelernt. Gleichzeitig hatte die Kunstakademie eine Ausschreibung für eine Ausstellung im Wewerka Pavillon. Jana und ich haben uns dann gedacht: „Warum nicht zusammen?“ Wir haben damals ein installatives Musical gemacht. Das gesamte Fördergeld haben wir für Synthesizer ausgegeben, den Glaskasten mit einer Nebelmaschine geflutet und live ein Konzert gespielt. Die Synthesizer haben wir dann genutzt, um Technosets zu spielen. So entstand auch die Idee, zusammen Musik zu machen.
STROBO: Ihr probiert in eurer Kunst immer wieder neue Softwares aus und experimentiert viel. Wie hilft es euch dabei, ein Duo zu sein?
Jana: Wir diskutieren viel und das schafft Reflektion. Dazu kommt jeder mit seinen Spezialfähigkeiten in das Duo. Allgemein haben wir zu zweit mehr Mut als allein.
Lex: Wir trauen uns Kunst zu machen, die abseits von bestimmten Normen funktioniert. Die ist auch mal süß und nicht immer nur cool.
„Alice and Bob“: Eine Liebesgeschichte zwischen zwei Bots
STROBO: A2icE_&_Bo3 (Alice and Bob) ist euer Name als DJ-Duo und ein Synonym für Sender und Empfänger in der Physik, Kryptographie und Netzwerkprotokolle. War das die Idee dahinter?
Jana: Das Prinzip von Sender und Empfänger war nicht unser erster Gedanke. Es hat damit angefangen, dass Facebook zwei Chatbots entwickelt hat, die englisch sprechen konnten aber keine richtige Grammatik hatten. Und diese Bots hießen Alice und Bob. In der Kommunikation haben die Bots ihr eigenes Sprachsystem entwickelt. Darauf aufbauend haben wir für eine Installation eine Liebesgeschichte zwischen den beiden konzipiert.
STROBO:Inside – A2icE_&_Bo3
Das Duo Jana Kerima Stolzer und Lex Rütten kreieren multimediale Installationen und Performances, die sich mit dem Zusammenspiel des Menschen und seiner technologischen Umwelt beschäftigen. Seit 2016 arbeitet das Duo zusammen und stellt in Recklinghausen ihren dritten Teil der Installations-Serie „Pawaaraibu – filling the vacuum“ aus. In der Reihe wird von einer Drohne erzählt, die, auf der vom Menschen verlassenen Erde, zurückgelassen wurde. Neben Kunst sind die beiden auch als DJ Duo als „A2icE_&_Bo3 “ aktiv und sind Teil des Kollektivs Dortmund Dance Division.
STROBO: Seit einigen Jahren arbeitet ihr an eurer Installationsserie „Pawaaraibu – filling the vacuum“. Worum geht es in der Reihe?
Lex: Es geht um eine kleine Drohne, die auf der Erde zurückgelassen wurde, als die Menschen die Erde verlassen haben. Die Software der Drohne hat sich nicht mehr geupdatet, woraufhin sie angefangen hat, über das zu singen, was sie sieht. Sie sieht, wie sich die Post-humane Erde entwickelt. In ihren Songtexten sucht sie nach ihrem Sinn auf der Erde als technisches Wesen und beschreibt das Verhältnis von Natur und Technik. Ihre Sprache ist aber nicht zu verstehen, weil sie mit englischem Text gefüttert und auf japanische Grammatik eingestellt ist, weshalb die Serie untertitelt ist.
STROBO: Was bedeutet der Titel Pawaaraibu?
Lex: Pawaaraibu ist eine wortwörtliche, aber nicht ganz korrekte Übersetzung. Pawaaraibu ist das was rauskommt, wenn man in den Google Übersetzer „Power alive“ eingeben würde – Durch Energie am Leben. Und das ist auch die Existenz der Drohne.
Potenziale im Klimawandel: Künstler:innen-Duo aus Dortmund will Perspektivenwechsel schaffen
STROBO: Wir führen das Interview bei der dritten Episode der Installationsreihe. Die Drohne reist hier zu den verschwindenden Gletschern der Alpen. In den vorherigen Teilen der Reihe wart ihr an der Emscher und dem Hambacher Forst. Habt ihr bestimmte Kriterien, wonach ihr eure Szenerien auswählt?
Jana: Wir haben keine Kriterien. Meist sind es aber Orte, die wir selbst kennen. Wenn wir von dort aus eine Geschichte starten, wird sie viel greifbarer. Genauso ist es mit den Gletschern. Alle kennen die Bilder von den schmelzenden Gletschern und die sind ein brutales Zeichen für den Klimawandel. Aus dieser Schmelze kann man wieder andere Dinge erzählen, wie das Entstehen neuer Kreisläufe und gleichzeitig wird unter dem Eis auch Geschichte freigelegt.
Lex: Das Narrativ kann dann auch sein, dass wir im Klimawandel Potenziale sehen. Es geht sogar so weit zu sagen: „Es gibt andere Lebewesen auf diesem Planeten, die vielleicht davon profitieren.“ Wir wollen damit einen Perspektivwechsel schaffen.
STROBO: Wird eure Reihe noch weitere Teile haben?
Jana: Die Geschichte ausgehend von der Emscher und der Drohne ist in sich abgeschlossen. Allerdings wollen wir an dieser Thematik weiterarbeiten. Wir haben in letzter Zeit viel über Symbiosen recherchiert. Angefangen bei Mikroorganismen bis hin zu Säugetieren. Auf die Weise entwickeln wir neue Thematiken für die nächste Arbeit. Ein Thema ist nie richtig abgeschlossen.
STROBO: Wollt ihr in euren zukünftigen Arbeiten noch mehr Kunstformen ausprobieren?
Lex: Ich hatte früher jedes Jahr einen anderen Job und konnte mich nie richtig festlegen. Vergleichbar ist das für mich mit unserer Kunst. Ich halte mich und meine Kunst dadurch am Leben, dass wir je nach Inhalt mit neuen Softwares und verschiedenen Medien experimentieren. So bleibt mir dieser spielerische Zugang. Dadurch bleibt mir dieser spielerische Zugang.
Jana: Unsere Kunst wird sich immer in eine Richtung weiterentwickeln, die mal abgespaced, konzeptionell oder streng sein kann. Auch für uns bleibt es jedes Mal spannend, weshalb wir das auch machen.
Bock auf mehr STROBO? Lest hier: IVORY: House-Open Airs als Alternative zu derzeitigen Techno-Szene im Ruhrgebiet