Monat der Medienkunst: Riccarda Hessling und Fabian Saavedra-Lara vom Medienwerk NRW im Interview

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Am 01.09. ging der erste Monat der Medienkunst an den Start. Die Eventreihe des Medienwerk NRW soll ein Licht auf die Medienkunstszene NRWs werfen. Unter dem Motto „peer to peer“ gibt geht es durch ganz NRW. Auch in Essen gibt es Ende September einiges zu entdecken. STROBO hat das Veranstaltungsteam besucht. Ein Gespräch über Kunst, KI, Vielfalt und NRW.

STROBO: Was ist eigentlich Medienkunst?

Saavedra-Lara: Gute Frage. Es ist ein Begriff mit einer langen Geschichte. Ich würde ich mal behaupten, der geht mindestens so bis in die Mitte des 20 Jahrhunderts zurück. Es gab in den frühen 1950er- und 1960er-Jahren in der bildenden Kunst schon erste Experimente mit digitalen Technologien. Mit Computern, auch mit alten Druckern. Daraus ist das ein bisschen entstanden.

Es ist einmal das künstlerische Anwenden von digitalen Technologien, aber auch das künstlerische Nachdenken über Veränderungen, die diese Technologien für die Gesellschaft mit sich bringen. Es ist schon ein diskussionswürdiger Begriff, weil es heute ja ganz selbstverständlich ist digitale Medien einzusetzen, auch in der Kunst. Viele junge Menschen sagen einfach: „Wir machen halt Kunst.“ Aber es ist ein Begriff der eine lange Geschichte hat, das ist uns wichtig.

„Wir sehen uns als Plattform für Künstler:innen in NRW“ – Riccarda Hessling

STROBO: Die Medienkunst scheint euer Thema zu sein. Was genau macht der HMKV und das Medienwerk NRW?

Saavedra-Lara: Der HMKV ist ein Kunstverein, der sich Mitte der 1990er gegründet hat und ist Träger vom Medienwerk. Der HMKV macht vor allem Ausstellungen und Vermittlungsprojekte zu den Ausstellungen im Dortmunder U.

Wir im Medienwerk koordinieren und betreuen Förderprogramme und ein Stipendium für Medienkünstler:innen. Und auch viel kulturpolitische Arbeit, um den Dialog mit Politik und Verwaltung anzunehmen und denen zu zeigen, wie Künstler:innen heute arbeiten und was deren Bedürfnisse und Anliegen sind. Wir versuchen immer, die Interessen der Akteur:innen zu vertreten, in deren Dienst wir ja eigentlich stehen.

Hessling: Wir sehen uns als Plattform für Künstler:innen in NRW. Das heißt, wir gehen wirklich auf Künstler:innen zu und möchten da gerne helfen, eine Plattform zu finden. Das geht dann durch Veranstaltungen wie jetzt beim Monat der Medienkunst oder auch durch unsere Online-Formate.

Fabian Saavedra-Lara ist Kurator, Autor und Leiter des Medienwerk NRW. Foto: Samir El Hannaoui.

STROBO: NRW scheint ja für die Medienkunst ein krasser Standort zu sein!

Saavedra-Lara: Ja, total. NRW als Bundesland ist total groß und unglaublich vielfältig, was auch die Regionen anbelangt. Vom ländlichen Raum über’s Ruhrgebiet bis ins Rheinland gibt es echt große Unterschiede. Aber hier gab’s eben auch schon in den 1960ern Pionier:innen der Medienkunst. Auch Nam June Paik – seine Ausstellung ist gerade im Dortmunder U zu sehen – hat hier lange gearbeitet und gewirkt.

Rheinland, Münsterland, Ruhrgebiet – der Monat der Medienkunst zieht durch ganz NRW

STROBO: Der Monat der Medienkunst soll auf diese Szene in NRW jetzt den Fokus legen?

Saavedra-Lara: Die Motivation war erstmal Projekte zu featuren und zu präsentieren, die durch zwei Förderprogramme ermöglicht worden sind, die wir koordiniert haben. Das ist einmal der Medienkunst Fonds, ein Coproduktions Fonds für Akteurinnen, Institutionen und Initiativen in NRW.

Das andere sind die Medienkunst Fellows. Das ist ein Fellowship-Programm, was sich vor allen Dingen an Akteur:innen, Künstler:innen, Kurator:innen und Wissenschaftler:innen außerhalb NRWs richtet, die gemeinsam mit einer Institution ein Projekt beantragen konnten. Insgesamt sind 21 Projekte so ermöglicht worden. Das hat sich auch wirklich verteilt auf’s Rheinland, Ruhrgebiet und Münsterland. Einige dieser Projekte wollen wir jetzt gerne im Rahmen des Monats vorstellen.

STROBO: Ihr seid an vier Standorten diesen Monat: Köln, Düsseldorf, Essen. Aber wo ist eigentlich Havixbeck?

Saavedra-Lara: Das ist im Münsterland! Auf dem Land. Das ist eine Burg auf der ein Zentrum für Literatur untergebracht ist. Die beschäftigen sich da auf sehr zeitgenössische Art mit Literatur.

Schwerpunkt in Essen: Körperpolitik und KI

STROBO: Ich glaub, wir von STROBO bleiben erstmal lieber im Ruhrgebiet. Wie ist der Monat der Medienkunst denn in Essen gelandet?

Saavedra-Lara: Wir haben mit Orten zusammengearbeitet, die alle auch in irgendeiner Form an diesen Förderprojekten beteiligt waren. Entweder als Co-Produzent:innen oder als Haus. Es gibt einen Künstler, Marco Donnarumma, der jetzt aus seinem Fellowship heraus ein Projekt entwickelt hat. Das wird dort jetzt mit PACT Zollverein vorgestellt. Der Zollverein ist auch ein ganz langjähriger Netzwerkpartner. Wir haben dort auch schon viele Projekte gemeinsam gemacht!

STROBO: Was erwartet uns alles auf der Zeche Zollverein?

Saavedra-Lara: Da gibt es zwei Wochenenden, die sich im weitesten Sinne mit dem Themenfeld künstlicher Intelligenz auseinandersetzen. Das Fellowship von Marco Donnarumma beschäftigt sich mit künstlicher Intelligenz und Fragen von selbst erfahrener oder zugeschrieben Behinderung. Marco hat in seinem Projekt mit einer Gruppe von Menschen aus der Region zusammengearbeitet, die entweder gehörlos oder schwerhörig sind. Er hat sich die Frage gestellt, wie Technologie eine Rolle spielen kann, um mit dieser Behinderung eine Hörerfahrung anders wahrzunehmen.

Das zweite Wochenende auf Zollverein beschäftigt sich nochmal mit ganz anderen Fragen von künstlicher Intelligenz. Da wird es eine große Arbeit zum ersten Mal in NRW zu sehen geben. Das Projekt von Alexander Schubert heißt Anima TM und ist eine Performance, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz entwickelt wurde. Die KI wurde eingesetzt, um diese Arbeit zu produzieren. Darüber hinaus wird es aber auch einen Workshop und einen Talk geben, die sich auch rund um’s Thema KI drehen.

„Uns ist eine Vielfalt von Blicken sehr wichtig“ – Fabian Saavera-Lara vom Monat der Medienkunst

STROBO: In Essen legt dann auch das Kollektiv YAYA auf, das einen starken Fokus auf BIPoC-Frauen hat. Wie wichtig war euch Diversität bei der Planung des Monats?

Saavedra-Lara: Das ist vor allen Dingen eine Frage für den Jury-Prozess gewesen. Uns war eine Vielfalt von Blicken von Anfang an schon sehr, sehr wichtig. Wir alle teilen die persönliche Haltung, dass in so einem Förderprogramm sehr unterschiedliche Perspektiven auch sichtbar werden sollten. Das ist, glaube ich, für uns alle im Team, aber auch in der Jury ein ganz wichtiges persönliches Anliegen.

STROBO: Ihr gebt auf eurer Website auch sehr detaillierte Information zur Barrierefreiheit. Wie schafft man es, so eine Eventreihe möglichst inklusiv zu machen?

Hessling: Wir sind ja an die Gegebenheiten der Locations gebunden. Das heißt, das ist keine Barrierefreiheit, für die wir speziell gesorgt haben. Aber unser Anspruch ist auf jeden Fall zu zeigen, dass wir immer für Fragen zur Verfügung stehen und vorab so viele Informationen anzubieten, wie wir können. Wir glauben, das Barrierefreiheit auch da schon anfängt. Mit den Mitteln, die wir haben, ist das das Mindeste, was wir machen können. Das Ziel ist aber auch gemeinsam über die nächsten Jahre hier immer besser zu werden und zu lernen.

STROBO: Es scheint, der Monat der Medienkunst hat für alle etwas zu bieten …

Saavedra-Lara: Ja, ich glaube das sind echt Themen, die auch über so eine Nische von Medienkunst total interessant und relevant sind. Es geht echt um aktuelle Themen, die alle was angehen. Ob das jetzt Klimagerechtigkeit, Ability, KI oder Postkolonialismus und die Frage von Erinnerungskultur ist. Wir würden uns total freuen, wenn eben auch über die Szene hinaus Menschen den Weg zu uns finden und Lust haben, mit uns gemeinsam Zeit zu verbringen, zu diskutieren und sich das ganze anschauen.

Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Das Ruhrgebiet ist faul geworden.

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