Kommentar: „Das Ruhrgebiet ist faul geworden

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Essen feiert in Essen, Dortmund in Dortmund, Bochum in Bochum. Schade! Ein bisschen Abwechslung würde der jungen Kultur im Ruhrgebiet gut tun und kann kleineren Locations Aufwind geben. Sind wir zu faul geworden? Ein Kommentar von STROBO-Redakteur Jacob. 

Nein, keine Sorge. Das hier wird keiner von diesen „Die Gen Z will ja gar nicht mehr arbeiten“-Texten. Hier geht’s um Partys, Konzerte, Ausstellungen und Lesungen. Um kleine und große Bühnen, Clubs und Theater. Denn davon gibt es so viele im Ruhrgebiet. Doch wie viele davon besuchen wir wirklich regelmäßig? Ich sage: viel zu wenig.

Über Stadtviertel hinaus blicken

Ganz ehrlich, ich mach’s ja selbst nicht besser. Wer im gemütlichen Essener Südviertel wohnt, hat Rüttenscheid direkt vor der Nase und wagt sich nur, wenn es wirklich sein muss, auch gerne mal in die Innenstadt. Nur genau da fängt das Problem ja schon an! In der Essener Innenstadt passiert nämlich ordentlich was. 

Mit dem Rabbit Hole gibt es ein relativ neues, super kleines und charmantes Theater, das direkt um die Ecke vom Café Nord liegt. Ein neues Theater zu gründen ist ein krasser Schritt. Jetzt macht das Rabbit Hole aber auch richtig viel coolen Shit! Mit ihrem Stück „Abschlussfeier“ bringt das kleine Ensemble hier zum Beispiel richtiges Netflix-Serien-Feeling auf die Bühne. Alle paar Wochen gibt’s eine neue Folge und wer eine verpasst, bekommt beim nächsten mal auch ein „Was zuletzt geschah“ vorgetragen. 

Auch der Gitter Raum, der neben seiner Fahrradwerkstatt eine Reihe richtig cooler Kultur-Events präsentiert, liegt mitten in der Essener City. Hier gibt es Lesungen, Performances und Konzerte. Sogar die wunderbare Kira Hummen hat hier gespielt. Solche Locations müssen doch eigentlich mehr supported werden. Und ja, I’m looking at you, Rüttenscheid. Traut euch doch mal aus eurem Folkwang-nahen Kultursafespace heraus.

Sich quer durch’s Ruhrgebiet trauen

Aber Essen ist hier eigentlich nur ein kleines Beispiel für das gesamte Ruhrgebiet. Liebe Dortmunder:innen: Wie oft wart ihr in den letzten Monaten mal in Witten? An die Bochumer:innen: Verlasst ihr eure Stadt für’s Nachtleben überhaupt mal? Es kommt im Ruhrgebiet viel zu selten vor, dass die junge Szene sich in den Zug setzt und für ein Kulturevent durch den Pott fährt. Obwohl wir spätestens seit Torben Kassler wissen, wie gut das Pendeln mit dem RE1 geht. 

Ich wollte eigentlich nie die Berlin-Karte spielen, aber ist es da nicht völlig normal für ein kleines Konzert oder einen Poetry Slam auch mal anderthalb Stunden durch die Stadt zu fahren? Nur, dass es da halt EINE Stadt ist. Als wir von STROBO mit dem wunderbaren Stapeltor die Ruhr Rap Stage in Duisburg veranstaltet haben, hieß es aus meinem Freund:innenkreis nicht nur einmal: „Puh, nach Duisburg?“. Ja, nach Duisburg, warum denn nicht? Von Essen aus sind das ja keine zwanzig Minuten. Dafür gibt es da dann ja auch ein geiles Line-Up und ihr unterstützt das Transurban-Festival, das Stapeltor und ja, auch uns hier von STROBO. Junge Kulturinstitutionen. Nicht falsch verstehen, es waren viele tolle Leute vor Ort – die meisten aber eben aus Duisburg selbst. Und wie cool könnten solche Events in Zukunft werden, wenn die Szene aus den umliegenden Städten auch einfach mal den Arsch hochbekommt

Vielleicht meine ich aber auch gar nicht das gesamte Ruhrgebiet. Denn zum Feiern und Kulturerleben flüchten ja bereits einige Menschen aus ihrer Stadt. Ich bin selbst in Bottrop groß geworden und die einzige Möglichkeit für einen richtig coolen Abend war dann halt die Fahrt nach Essen. Viele junge Menschen aus „kleineren“ Städten des Potts werden das kennen. Shoutout an alle, die aus Bottrop, Oberhausen und Gladbeck nach Bochum, Dortmund und Essen fahren, um eine gute Zeit zu haben und danach stundenlang im RE in Richtung Heimat sitzen. Auch für die großen Festivals kommt das Ruhrgebiet zwei oder drei mal im Jahr zusammen. Das Juicy Beats, Bochum Total und das erste Projekt Rüttenscheid der Essen Diese Macher waren in diesem Sommer solche Events. Aber Moment, das sind doch wieder Dortmund, Bochum und Essen?

„Ab in den RE und hin da!“

Wir, die in den Städten wohnen, in denen sich ein regelmäßiges Nachtleben etabliert hat und Kulturinstitutionen Fuß gefasst haben, sind aber eben etwas faul geworden. Es ist einfach zu gemütlich, nach dem Feiern nach Hause laufen zu können, das verstehe ich. Denn dafür wohnen wir ja in Großstädten. Goethebunker, Hotel Shanghai, Schlegel Kultur Club, Die Trompete, Oma Doris – alles tolle Läden, die auch weiter besucht werden müssen. Ein bisschen öfter könnten wir den Spieß aber auch mal umdrehen und anfangen, kleine Projekte wie das „Hier ist Nicht Da“ in Gelsenkirchen zu supporten. Oder das Stapeltor in Duisburg. Oder die Werkstadt in Witten. Denn es gibt einen Haufen toller Locations und Events, die nicht in den drei „Kultur-Hochburgen“ liegen. Also ab in den RE und hin da!

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