Durch Charaktere wie Luciano, Tarek & Zenci oder Prettyfacecapi hat sich die Drill-Szene über die letzten Jahre auch in Deutschland etabliert. Der Dortmunder Künstler Perry2Times hat im von Chicago Beats und Gang Signs geprägten Subgenre ein Ventil für seine musikalische Kreativität gefunden. STROBO-Autorin Stella hat Perry und seinen Producer im Studio getroffen und mehr über ihn und seine Karriere erfahren.
Als ich Perry aka Perry2Times im Studio treffe, arbeitet er gerade an seinem neuesten Release für Stu Sesh. Das Deutschrap-Youtubeformat erinnert vom Prinzip her an ICONxMADE. Die Besonderheit: Es wurde im Ruhrpott von Calum The Engineer und Iloo ins Leben gerufen und auch viele der Teilnehmer:innen kommen von den Straßen des Ruhrgebiets. „Da kann man zwar auch Cash gewinnen, aber darum geht es mir nicht. Es geht mir um Exposure“, stellt Perry fest.
Geboren und aufgewachsen ist der 20-Jährige in Accra, der Hauptstadt Ghanas, seit 2015 wohnt er mitten im Pott. Seit seinen ersten Studiobesuchen 2017 hat sich Perry immer weiterentwickelt und an seiner Leidenschaft festgehalten. „Das erste Mal, dass ich auf der Bühne stand, war 2008 bei einem Talentwettbewerb. Das war von meiner damaligen Schule in Ghana organisiert. Zu der Zeit habe ich noch Songs von meinem Lieblingsmusiker Sarkodie gecovered“, erzählt der Driller, „ich mache Musik, seitdem ich mich erinnern kann.“
Perry2Times rappt ausschließlich auf Englisch. Er hat zwar schon versucht, etwas auf Deutsch aufzunehmen. „Aber irgendwie bin ich dann nie zu hundert Prozent mit dem Ergebnis zufrieden”, meint er. „Dass mal was auf Deutsch kommt, würde ich aber nicht ausschließen.“ Der Driller empfindet die deutsche Sprache auf gewisse Weise als befremdlich: „Auf Englisch kann ich mich einfach besser ausdrücken.“
Perry2Times über seinen Sound: „Authentic, unique und divine“
Insgesamt 12 Singles und eine EP aus vergangenem Juni – das sind Perry2Times’ Veröffentlichungen auf diversen Plattformen. Die größte persönliche Bedeutung schreibt er dabei dem Lied „No More“ zu. „Es gab eine Phase, in der ich mit einigen Sachen zu kämpfen hatte. Ich hatte das Gefühl, dass ich mit meiner Musik nicht vorankomme“ erinnert sich Perry. Nach längerer Studiopause kam es dann dazu, dass er den Track „No More“ aufgenommen hat: „Eigentlich war ,No More’ nur für mich gedacht. Sobald ich den Track aber meinen Jungs gezeigt habe, haben die mich gepusht weiter zu machen und das zu veröffentlichen.“ Daraus entstand dann Perrys erste EP „CLOUDBOY: The Tape“, mit insgesamt 7 Songs. Sein unterstützendes Umfeld sei mitverantwortlich für seine Motivation, sagt der Künstler.
Während das Drill-Genre oft von Liedtexten über Gewalt und Kriminalität geprägt ist, findet man in Perrys Diskografie einen Mix aus Hood und Gefühlsoffenbarungen. Sogar ein wenig Romantik ist hier und da in der tiefen Stimme des Musikers rauszuhören. Seine Musik beschreibt der junge Künstler mit den Worten „authentic, unique und divine“.
An seinem Geburtstag im Juni stand Perry2Times dann als Voract von dem britisch-französischen Rapper French the Kid auf der Bühne. „Die Crowd war crazy, wahrscheinlich auch, weil die Leute schon auf englische Musik eingestellt waren. Solche Auftritte wären ohne meine Jungs nicht möglich“, so Perry. Damit meint der Artist seinen Manager Michel Petzold, den Fotografen Bloodyshotz und viele weitere starke Leute, die hinter ihm stehen. Unmittelbar vor French the Kid zu performen, verlieh dem Dortmunder Driller einen Motivationsschub. „And I came back with Bangers“, sagt der 20-Jährige mit einem Strahlen im Gesicht.
Perry2Times: „Ich will einfach Energy in meiner Crowd sehen“
Vergangenes Jahr gewann Perry den jährlichen Rap-Contest, organisiert unter anderem von der Initiative „Bring your own Beats“ und dem Jugendamt Dortmund. Er schlug sich gegen 20 bis 30 vorher ausgewählte Teilnehmer:innen durch. Der Gewinn: Ein Platz auf der BringYourOwnBeats-Bühne beim Dortmunder Juicy Beats Festival 2023. Diese Bühne bietet eine Plattform für junge Künstler:innen aus dem Ruhrpott. Das Ziel: Reichweite generieren und wertvolle Festivalerfahrungen sammeln. „Als Perry im Finale stand, überzeugte er einfach mit einer unheimlich starken Bühnenpräsenz, daran kann ich mich noch gut erinnern“, sagt Niclas Meier vom Jugendamt Dortmund über den Auftritt beim Contest.
„Mein ultimatives Ziel als Musiker ist es, eines Tages auf einem Festival wie Rolling Loud zu performen. Ich will einfach Energy in meiner Crowd sehen“, erzählt Perry und ergänzt: „Aber alleine schon die Erfahrungen, die ich bisher gesammelt habe, zum Beispiel auf dem Juicy Beats dieses Jahr, sind riesig für mich. Ich habe die Möglichkeit, Menschen meine Musik und meine Bühnenperformance zu zeigen – sie hören zu, bringen ihre eigene Energy mit und lassen sich auf etwas ein, was sie noch nicht kennen. Ich weiß das zu schätzen.“
Tracks von null an aufnehmen
Produziert werden die Songs von Perry2Times seit mehr als einem Jahr von seinem Kollegen und Musikproduzenten Jonni.prod. „Ich arbeite mit Perry zusammen wegen seines guten Herzens. Er ist einer der respektvollsten und reflektiertesten Künstler, die bei mir im Studio aufnehmen“, erzählt der 18-Jährige. „Am meisten feier ich die Abende, wo Perry ins Studio kommt, wir wirklich bei null anfangen und einen Track von Grund auf kreieren. Songs, die so spontan entstehen, sind einfach die, die am härtesten kommen.“
In Jonnis Studio produziert der „Mini-Mozart“ seit 2019. Für Musik hat Jonni aber schon von klein auf ein auffällig gutes Gespür gehabt. Angefangen hat seine musikalische Entwicklung mit jahrelangem klassischem Klavierunterricht – heute mixt und mastert er hauptsächlich Trapsongs. Während des Interviews herrscht ausgelassene Stimmung im Studio und so kommt es dazu, dass ich – zugegebener Weise etwas weniger musikalisch begabt – selber mal ans Mikrofon darf und den neuen Producertag für Jonni einspreche.
„Ich bin nicht Luciano, ich bin nicht Fredo oder Central Cee. Ich bin Perry.“
Im deutschen Musikraum schaut Perry2Times zum Berliner Drill-Rapper Luciano auf: „Mit ihm oder 2lade würde ich gerne mal was aufnehmen. Sie inspirieren mich. Ich möchte aber nicht, dass Menschen anfangen meinen Sound zu vergleichen. Ich bin nicht Luciano, ich bin nicht Fredo oder Central Cee. Ich bin Perry.“
Wer Perrys Musik selber abchecken möchte, kommt am besten im September selber mal nach Dortmund. Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Jugendamt wurde Perry2Times jetzt nämlich für die Nacht der Jugendkultur am 23.09.2023 im Jugend- und Kulturcafe an der Rheinischen Straße gebucht. „Ich freu mich da sehr drauf. Orte, wo Jugendliche zusammenkommen, sind extrem wichtig“, erzählt Perry stolz. Alternativ ist Perrys neuester „Banger“ jetzt auch auf dem StuSesh Youtubekanal in der Qualifizierungsrunde für die vierte Staffel zu finden.
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