Musik für die Seele – die Band Vitamin Dream im Portrait

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Fließende Melodien und träumerische Klänge, kombiniert mit einem dynamischen Beat – das ist die Space-Pop-Band Vitamin Dream. STROBO hat sie beim Proben besucht und dabei gespürt, wie eingespielt und kraftvoll ihre Live-Auftritte sein können. Und dabei haben sie einen spannenden Twist: Fast die gesamte musikalische Darbietung ist improvisiert.

„Musik ist für die Seele, was Vitamine für den Körper sind”, so erklärt Sophie Zeich den Namen der Gruppe Vitamin Dream aus Gelsenkirchen, für die sie am Mikrofon steht. Damit bringt sie auf den Punkt, wofür sie mit ihrer Musik steht. Lebendig und experimentell, mit einer Prise Verträumtheit, sprechen sie vor allem die innere Gefühlswelt an. Wer dem zuhört, kann sich fallen lassen und mit auf die Reise gehen. 

Die Anfänge als Duo

Die Entstehungsgeschichte des Projekts Vitamin Dream erzählt sich genauso intuitiv wie ihre Herangehensweise an die Musik: Tobias Püllmann, mit Sophie zusammen das Grundgestein der Band, hatte schon immer eine Affinität für elektronische Musik, weswegen er früh begann, selbst zu produzieren. Vor vier Jahren dann, auf einer seiner selbst organisierten Partys, hielt er Sophie zu einem seiner Sets das Mikrofon an den Mund, als er sie leise mitsummen hörte. Aus einem spontanen Impuls erwuchs schnell ein erfolgreiches Projekt. „Es kam so gut an, dass wir keine andere Wahl hatten, als es weiterzuführen. Sophie war die Konstante, die ich gesucht habe“, sagt Tobias jetzt über diese Zeit. 

Die beiden ergänzten sich perfekt – denn auch Sophie fand in der gemeinsamen musikalischen Arbeit den Antrieb, den sie brauchte, um ihre Passion für Musik und Gesang weiter zu verfolgen. Die Texte für Tobias´­­ Songs schrieb sie zunächst im Voraus, indem sie sich ein Stück anhörte und ihre Gefühle dazu schriftlich festhielt. Nun improvisiert Sophie die Texte bei den Proben: „Ich hatte viel mehr Lust dazu, das, was ich gerade fühle, in dem Moment auszusprechen“.

Vitamin Draeam wächst

Eines ihrer ersten Konzerte fand schließlich 2020, dank viel Glück und ein paar guter Freund*innen, in der Weststadthalle in Essen statt. Ein riesiger Erfolg für eine Band, die gerade in den Startlöchern stand und eine Bestätigung des eigenen Schaffens. Damit sollten Sophie und Tobias nicht lange alleine bleiben, denn bald bekamen sie tatkräftige Unterstützung: Innerhalb der nächsten Jahre ergänzte sich die Gruppe durch zwei weitere Mitglieder, Maike Hülshoff an der Violine und später Daniel Rose am Synthesizer. Er spielt eigentlich in einer Rockband und ist erst seit einem Jahr beständiger Teil von Vitamin Dream, obwohl er wortwörtlich schon immer ein bisschen mitgemischt hat.

Man bewegte sich eben in denselben Kreisen und hilft sich gegenseitig. Auch Maike spricht die Sprache des Genre-Crossovers fließend: Sie legt ab und zu in Clubs auf und hat auch hier immer ihre Geige dabei. „Falls es mal langweilig klingt, spiel ich halt was dazu“, ergänzt sie lachend mit einem Achselzucken.

Von der Freiheit der Improvisation

Dass die Gruppe nicht nur zum gemeinsamen Zweck der Musik zusammenkommt, ist klar. Doch gerade bei ihrer Herangehensweise an Songs scheint es gar nicht anders möglich, als sich gut zu kennen und nonverbal kommunizieren zu können. Dafür stehen sie bei den Proben gemeinsam um einen Tisch herum, um die räumliche Sprachbarriere möglichst gering zu halten. „Das funktioniert viel mit Augenkontakt und Telepathie“, bemerkt Sophie schmunzelnd.

Um die Unsicherheiten beiseite zu räumen, gibt es sogenannte „Meilensteine“: Hierbei handelt es sich um feste Bestandteile eines Tracks, um eine Art Rahmen für die Improvisation zu setzen. Zu der Vorbesprechung gehört also nur, wie der Anfang- und Endpunkt aussieht, ob und wie ein Tonartwechsel stattfindet und welche Atmosphäre erzeugt werden soll. Da reicht es schon, wenn Sophie sowas sagt wie: „Gleich kommt der Absturz, und dann fliegen wir weiter, okay?“.

Ein langsamer, aber dynamischer Beat setzt ein, Tobias an der E-Gitarre ergänzt gemeinsam mit Daniel das musikalische Grundgerüst zu einem sphärischen Klangteppich. Maike an der Violine und Sophie im Gesang bringen aufeinander abgestimmt eine Melodie in Bewegung, sodass sich das gesamte Ensemble experimentell zu träumerischen, atmosphärischen Klängen zusammenfügt, die die Hörer*innen durch eine komplexe musikalische Landschaft tragen. Mal treibt der Beat den Track voran, mal wird es ruhig und melodisch, eine ausgewogene Mischung aus Höhen und Tiefen. Ob eine gelungene Passage mitgezeichnet wurde, ist übrigens genauso zu gewissen Teilen dem Zufall überlassen wie ihr Inhalt: Denn den Aufnahmeknopf drückt Tobias nur manchmal. Und nur heimlich.

Wohnzimmer, Küche, Proberaum

Sophie und Tobias teilen sich die zwei herzlich und bunt eingerichteten Stockwerke ihrer Wohnung in Gelsenkirchen Feldmark mit zwei Katzen und einem Proberaum voller musikalischem Equipment. Keine klare Trennung von Wohnraum und Arbeit betont einmal mehr, wie sehr sie, Daniel und Maike sich in der Musik daheim fühlt. Daraus resultiert ein Zusammenspiel, bei dem Raum entsteht, um alltäglichen Dingen einen Weg in das kreative Schaffen bahnen. Ob nun der stets lautstark präsente Hauskater Yokdog (japanisch für: „kein Hund“) als Sample in der Single „Fly to Space“ oder ein kleines Glockenspiel über dem Synthie-Tisch, dem das ungeübte Auge zuerst nur dekorative Zwecke zugetraut hat.

Wie gemütlich der Proberaum auch sein mag, er hält Vitamin Dream keineswegs davon ab, große Zukunftspläne zu schmieden. Im nächsten Jahr möchten sie vor allem auf größere Bühnen, weiter an ihren Live-Performances feilen und viele Publika begeistern. Kurz nach unserem Interview ging es auf ein immersives Sounderlebnis nach Witten, einen Tag später stand das eigene Event „Vitamin Dream & Friends“ in Gelsenkirchen an. 

Wer den nächsten Live-Auftritt der Gruppe nicht verpassen möchte, sollte am 24. August auf jeden Fall auf dem Kunst-Tagesfestival „Szeniale” in Gelsenkirchen vorbeischauen. Als kleiner Vorgeschmack erscheint bereits in ein paar Tagen, am 17. Juli, eine neue EP: „tapestry of stars“. Es steht also schon viel auf dem Plan, aber auf die Frage, was das große Ziel für das nächste Jahr ist, ist die Antwort eindeutig: Vitamin Dream möchte im Sommer auf dem Fusion Festival spielen.

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