„Wanderer zwischen den Welten“: Nachtbürgermeister Christoph Stemann im Interview

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Christoph Stemann ist nicht nur der erste Nachtbürgermeister der Stadt Dortmund, sondern auch von ganz NRW. Im STROBO:Talk haben wir mit dem ehemaligen DJ Firestarter über den Job, Erlebnisse und Insider Tipps zum Feiern in Dortmund gesprochen. 

STROBO: Christoph, du hast viele Jahre erfolgreich als DJ Firestarter gearbeitet. Jetzt bist du Nachtbürgermeister von Dortmund. Wie kommt es zu deiner beruflichen Umorientierung?

Christoph: Schon vor der Pandemie kam bei mir ein Umdenken. Ich hab nach einer Veränderung gesucht – einfach weil ich eine kleine Tochter habe. Mir war klar, dass ich mehr in Dortmund machen wollte, vor allem Veranstaltungen. Durch die Pandemie gab es da aber lange keine Möglichkeiten. Bis ich die neue Stelle als Nachtbeauftragter gesehen habe.

 

STROBO: Wie wird man denn Nachtbürgermeister? 

Christoph: Ich habe mich auf die Stelle beworben und wurde zum Auswahlverfahren  eingeladen. Ich glaube, dass ich genommen wurde, weil ich in Dortmund schon in so vielen verschiedenen Läden Veranstaltungen gemacht habe, und dadurch eben die kleinen und großen Läden kenne. Das bringt eine Neutralität mit sich, die für den Job gut ist. Witzigerweise war das auch das erste Vorstellungsgespräch in meinem Leben – sonst war ich immer selbstständig. 

STROBO: Als DJ sind die Arbeitsaufgaben ziemlich eindeutig. Was gehört zu deinen Aufgaben als Nachtbürgermeister? 

Christoph: Ich bin der Mentor, für alle, die am Nachtleben beteiligt sind. Ich bin sozusagen der Wanderer zwischen den Welten. Einerseits bin ich Ansprechpartner der Verwaltung für die Clubs und andererseits bin ich das Sprachrohr der Clubs in die Verwaltung. Ich habe mit dem Ordnungsamt zu tun, mit dem Gesundheitsamt und allem anderen was dabei eben eine Rolle spielt. Für die Gäste und für die Anwohner bin ich auch zuständig, wenn es da Stress gibt und bin auch selbst zu den Clubs gegangen, als sie wieder geöffnet haben.

 Zu meinem Job gehört es auch, Trends zu erkennen und das geht natürlich nicht vom Schreibtisch aus. Ich bin außerdem nicht nur zuständig für das organisierte Nachtleben, sondern auch für das unorganisierte Nachtleben, wie zum Beispiel die Versammlungen am Dortmunder U während der Pandemie. Das unorganisierte Nachtleben ist durch die Pandemie immer mehr geworden. Junge Leute und Jugendliche brauchen Räume und Anwohner brauchen ihren Schlaf. Da ist es mein Job zu schauen, wie Lösungen gefunden werden können. 

STROBO:Inside- Christoph Stemann

Christoph Stemann (50) hat schon neben seinem Studium als DJ aufgelegt, und sich vor allem als DJ Firestarter und Veranstalter einen Namen gemacht.  Bisher hat er in 38 Ländern aufgelegt und war der erste deutsche DJ bei den Oscar Verleihungen. In den letzten 5 Jahren war er monatlich in Japan und hat dort die Olympischen Spiele mit vorbereitet. 

STROBO: Wie gehen die Clubs mit den Schließungen durch die vierte Welle um? 

Christoph: Leider sind wir wieder die ersten, die dicht machen mussten, obwohl durch Hygienekonzepte, Lüftungsanlagen, 2G und später 2G Plus alles getan wurde, um möglichst sicher feiern zu können. Viele Betreiber nehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung sehr ernst, akzeptieren auch erneute Schließungen. Was aber einheitlich doof gefunden wird, ist der Umgang mit den Clubs, und das sehe ich auch so. Zum Beispiel kam die Corona-Schutzverordnung vom Land an einem Freitag um 16:01 Uhr bei uns an und sollte um Mitternacht umgesetzt sein. So eine Corona-Schutzverordnung ist aber auch nicht immer eindeutig und muss übersetzt werden. Die Clubs hatten für Freitagabend noch die Lager voll für Partys, die stattfinden sollten. Wir mussten denen dann sagen „Ne, ist nicht“ und das ist einfach ätzend. 

In NRW sind Clubs gleichgestellt mit Spielhallen und Bordellen. Was da fehlt, ist einfach eine gesellschaftliche Anerkennung und die Erkenntnis das Clubs auch Kultur sind. Das wäre ein wichtiger und richtiger Schritt. 

STROBO: Du bist als DJ wie als Nachtbürgermeister in vielen Clubs in Dortmund unterwegs gewesen. Hast du Insider Tipps zum Feiern in Dortmund für uns? 

Christoph: Ich finde gerade die Clubs in einer Stadt sind die kleinen Lichtlein, die auch den Charakter ausmachen. In Dortmund haben wir Clubs, wie zum Beispiel das Oma Doris. Das ist ein Club, der schon in der dritten oder vierten Generation geführt wird. Da sind einfach so viel Liebe, Identität und Identifikation drin, den kann ich auf jeden Fall empfehlen.Das Nightrooms, FZW, der Weinkeller und viele andere haben auch gute Party-Formate, das hängt vom individuellen Musikgeschmack ab, was da passend ist. Unsere Läden haben individuellen Charme, stehen für Dortmund und die gibt es so woanders nicht.

STROBO: Was hast du bisher in deinem Job als Nachtbürgermeister erlebt? 

Christoph: Hier in Dortmund war das große Problem am Dortmunder U, dass es da eben sehr unorganisiert war, und es da auch eskaliert ist. Das hat nicht zur Freude der Anwohner beigetragen. Da war ich selbst so zehn bis zwölf Nächte als Sozialarbeiter unterwegs und habe mal mit den Leuten gesprochen. Da gabs dann auch die Situation, dass jemand ans U gepinkelt hat. Wenn man da natürlich ankommt und sagt „Hallo, Stadt Dortmund“ wird man nicht immer freudig begrüßt. Aber wenn die jungen Leute dann verstehen, dass man sich interessiert, sind ganz großartige Gespräche zustande gekommen. 

Allerdings war es auch nicht immer nur super. Ich bin auch auf Gruppen gestoßen, die keinen Bock haben mit Leuten von der Stadt zu reden. Da wurde ich auch schon bedroht, aber zum Glück ist da immer alles gut gelaufen. Am Ende der Gespräche kam auch ganz oft der Satz „Ich küsse dein Herz, Bro“. Ich glaube, dass das nicht die allerschlechteste Verabschiedung ist. 

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