Und schon ist der Juli vorbei – auch in diesem Monat haben zahlreiche Ruhrgebiets-Artists Releases gedroppt. Ab jetzt kuratiert euch STROBO diese in einer monatlichen Rubrik.
Alben/EPs/Compilations aus dem Ruhrgebiet im Juli 2022
PATINA Records (Dortmund): Patina Sampler Vol. 1 – 29. Juli 2022
Das Dortmunder Rap-Kollektiv PATINA Records hat sich zum Ziel gesetzt, sich selbst und Dortmund auf die Rapkarte zu setzen. Das gemeinsame Debüt-Release der acht Künstler:innen „Patina Sampler Vol. 1” ist der beste Weg dahin. Auf 7 Tracks rappen die Musiker:innen in verschiedenen Konstellationen über Themen wie durchgefeierte Nächte, das Leben in Dortmund und die Realität zwischen Live-Musik und Partys und schaffen es dabei, jedem Mitglied einen eigenen Moment im Scheinwerferlicht zu geben – zwischen Protzen mit den eigenen Rap-Skills und deepen Texten. Damit macht der Sampler Lust darauf, auch mehr von den einzelnen Rapper:innen zu hören.
Yako Ok (Dortmund): Knack den Tresor EP – 14. Juli 2022
Passend zum vorherigen Sampler kommt die nächste EP des Monats von PATINA-Rapper Yako Ok. Die „Knack den Tresor EP“ zeigt, was der Dortmunder besonders gut kann: mal gekonnt überheblich auf ballernden Beats mit der eigenen Musik flexen, mal melancholisch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft reflektieren. Yako Oks EP handelt von der Leidenschaft zur Musik, dem Loslassen von Vergangenem und falschen Freund:innen, dem Weg nach oben und dem stetigen Streben nach mehr. Für „Knack den Tresor“ hat er mit dem Dortmunder Produzenten-Duo (und ebenfalls PATINA-Member) Clockwork zusammengearbeitet, sowie mit Trunkz.
Karmakind (Bochum): Mosaik (The Remixes) – 29. Juli 2022
Das Bochumer Trio Karmakind hat bereits im Mai ihr Debütalbum „Mosaik“ veröffentlicht und legt jetzt mit einem Remixalbum nach. Mit neun Songs von Künstler:innen aus unter anderem Berlin, Chile und Argentinien stellt die Band ihre Internationalität sowie ihren Anspruch genrefrei zu denken weiter unter Beweis. So lassen sich die Songs des Albums nicht einem Genre zuordnen, sondern sich höchstens unter dem Label „tanzbar“ vereinen, Funky Beats und Breakbeat inklusive. Wer die Originalsongs bereits seit einigen Wochen kennt, wird sich über neue Perspektive auf die Songs und die Liebe zum Detail der Remixe freuen. Eine schöne Erweiterung des Albums „Mosaik“, womit die Bedeutung des Titels noch um einige Facetten verstärkt wird.
Mother Bear (Dortmund): Zamonian Occultism – 29. Juli 2022
Das Dortmunder Stoner-Doom-Trio hat am 29ten ihr Debütalbum veröffentlicht und dabei eine perfekt funktionierende Verbindung geschaffen: Mother Bear kombinieren Stoner Doom mit den Zamonienromanen von Walter Moers (unter anderem 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär) und erschaffen so einen brodelnden und rumpelnden Homunkoloss. Musikalisch in der Tradition von Electric Wizard (GB) und Weedeater (USA) stehend, schaffen sie es auf dem von Arno Augustin (Drens) produzierten Album den Sound der angesprochenen Bands ins Ruhrgebiet zu holen. Mother Bear machen Lust auf Gimp ehren, Erforschen der Untenwelt und lesen der Literatur von Gofid Letterkerl.
Zymt (Dortmund): Das Privileg der Misanthropie – 22. Juli 2022
Die Dortmunder Zymt haben diesen Monat ihr Debütalbum „Privileg der Misanthropie“ veröffentlicht und beschweren sich über Gott und die Welt – allerdings nicht auf typische „gegen Staat, Bullen und Faschos“-Punkmanier, sondern zynisch und durchdacht. Spielfreudig und dadaistisch zeigen sie auf ungefähr 20 Minuten Albumlänge wozu Punk alles fähig sein kann, was sie allen voran mit den Singles „Kasse Vier“, „Gonzo-Zeit“, „Sprengschlamm“ und „Was kannst du für Armin Laschet tun?“ eindrucksvoll unter Beweis stellen. Letztere war im September 2021 unsere Single des Monats. Wer am Westenhellweg oder in Gesprächen mit einem rassistischen Ruhrpottheinz schlechte Laune bekommt, wird dank diesem Album wieder lächeln.
Singles aus dem Ruhrgebiet im Juli 2022
Byelian (Sprockhövel): lost| a different perspective – 15. Juli 2022
Der Sprockhöveler Julian Kleinert alias byelian hat mit „Crawl Underneath My Blanket” im vergangenen Jahr seine Debüt-EP veröffentlicht – eine melancholische Wohlfühl-EP, die perfekt in die dunkleren Jahreszeiten passt und zwischen Pianoklängen und elektronischen Soundscapes STROBOs EP des Monats August 2021 geworden ist. Mit „lost| a different perspective“ gibt der bei MIGHTKILLYA gesignte Künstler einen Vorgeschmack auf seine zweite EP, die noch diesen Monat erscheinen soll. Der Song ist dabei noch elektronischer als die Tracks der Vorgänger-EP und befindet sich irgendwo zwischen tranceartigen Beats, vibrierenden Gitarrensounds und tanzbarer Melancholie. Damit passt er zu warmen Sommernächten auf dem Rückweg aus dem Club. Behalten hat byelian seinen charakteristisch hohen Falsetto-Gesang, den er zwischendurch wie eine weitere Schicht des Gesamtkunstwerks einbaut, und mit dem er Justin Vernon von Bon Iver in Nichts nachsteht.
Confusing Paradise (Dortmund/Schwerte): Overthinking – 22. Juli 2022
Auch die Progressive Metaller von Confusing Paradise sind bei Strobo keine Unbekannten (hier kommt ihr zum Porträt): Ihr Debütalbum „Qualia“ als war unsere Platte des Monats Juli 2021. Seitdem hat sich einiges getan und die Band ist nicht mehr zu dritt, sondern hat sich am Schlagzeug und Bass verstärkt sowie eine neue Single releast: Mit „Overthinking“ geht die Band den eingeschlagenen Weg konsequent weiter und baut ihre erkannten Stärken aus. Tighte Riffs à la Korn und kraftvolle Drums werden hier gekonnt von Sänger Jens Tommek in Szene gesetzt. Sehenswert ist auch das zugehörige Musikvideo, inklusive Dortmunder Bekanntheiten wie dem Domicil oder dem guten Hansa Pils.
Figur Lemur (Witten): Opa – 22. Juli 2022
Die Wittener Poprap-Band Figur Lemur veröffentlicht noch diese Woche ihr erstes Album „Politik und Liebe“ – ihr Track „Opa” ist nach vier bereits veröffentlichten Songs die letzte Single, die das Release anteasert. Der Song kommt minimalistisch daher, mit düsteren elektronischen Beats, die den eindrücklichen Sprechgesang von Rapper Ben untermalen und die Zuhörer:innen Stück für Stück weiter in den Song hereinziehen. Und das wird dem Text gerecht, denn „Opa” behandelt ein wichtiges Thema: Es geht um Krisenzeiten, darum, seine Großeltern zu wenig zum Zweiten Weltkrieg gefragt zu haben, darum, die aktuellen Nachrichten mitzubekommen, während sich ein Teil vergangener Generationen aus der Verantwortung geredet hat, indem sie meinten, von den Gräueltaten nichts gewusst oder mitbekommen zu haben. Klar ist: „Opa” ist bei weitem kein Gute-Laune-Track, passt aber umso besser in die aktuelle Zeit.
Yako Ok (Dortmund): Vorbei Ja – 7. Juli 2022
Der Track „Vorbei Ja“ von Yako Ok ist Teil seiner „Knack den Tresor EP“ und überzeugt mit sommerlich-leichten Beats, tightem Rap und entspannten Autotune-Elementen. Es geht um das Loslassen und gleichzeitige Wertschätzen der Vergangenheit, um Erlebnisse in der Jugend und zahlreiche erste Male, mit denen sich viele Menschen identifizieren werden können. Damit passt der Song zum Soundtrack langer Sommerabende im Park mit Freund:innen, die man seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hat, und mit denen man in Erinnerungen schwelgt.
Mustertochter (Dortmund): Stay Real – 29. Juli 2022
Die Dortmunderin Mustertochter möchte Female Rap nach vorne bringen und setzt sich neben ihrer Musik auch für weibliche Rapperinnen bei Festival-Line-Ups ein. Auf „Stay Real“, ihrer dritten Single 2022, zeigt sie mit viel Power, dass sie raptechnisch richtig auffahren kann und liefert einen empowernden Track mit tighten Beats – gegen „Fuckboys“ und für ihre Hood Dortmund.
DOTE (Essen): Big Boys – 1. Juli 2022
Die Band DOTE aus Essen liefert mit „Big Boys“ einen nachdenklichen, aber tanzbaren Coming-of-Age-Indiesong, der von den Ängsten irgendwo zwischen Jugend und Erwachsensein handelt. Wie Sänger Jonah und Lukas im STROBO-Interview verraten haben, arbeitet die Band zurzeit an einem größeren Release, auf ein Datum wollten sie sich aber noch nicht festlegen.
Giant Rooks (Hamm): Morning Blue – 8. Juli 2022
Der vielleicht größte Ruhrgebiets-Export der Gegenwart ist die Band Giant Rooks aus Hamm. Mit „Morning Blue“ haben sie im Juli eine neue Single releast: tanzbarer Indie mit groovigen Disko-Elementen und ein Song zwischen dem Gefühl, getrieben zu sein und sich genau darin zu verlieren.
Lobby Boy (Dortmund): Vielleicht – 22. Juli 2022 / Zeig mir deine Lippen – 1. Juli 2022
Lobby Boy aus Dortmund machen Alternative Rock mit Blues-Elementen und haben im Juli mit „Vielleicht“ und „Zeig mir deine Lippen“ direkt zwei Singles releast, die beide in die gleiche Kerbe schlagen: deutschsprachige Texte treffen auf klassische Rock-Gitarren und sanften aber mitreißenden Gesang. Wer Lust auf mehr hat, muss sich nicht mehr lange gedulden, denn Ende des Jahres erscheint das Debütalbum von Lobby Boy.
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