Stadt, Land, Fluss – Ein Tag auf der Route Industriekultur in Duisburg

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Die Route Industriekultur kennen die meisten durch die bronze-braunen Richtungsschilder, die an Kreuzungen den Weg zu einem der über 50 Standorte weisen. Sie erzählen von der industriellen Vergangenheit der Region. Hinter den Standorten verbergen sich Museen, alte Siedlungen und Panoramen mit hervorragender Aussicht. STROBO-Autor Max ist einen Tag lang den Schildern in Duisburg gefolgt und hat sich in die Diskrepanz des Strukturwandels begeben.

Es ist eine Szenerie wie aus einer WDR Lokalzeit Heimatflimmern Doku. Meterlange Binnenschiffe säumen sich ihren Weg den Rhein hoch und runter. Weite, unbelassene Wiesen und das im Sonnenschein schimmernde Wasser malen das Bild von einer unschuldigen Natur. Ein Blick weiter der Bruch: Dampfende Industrieanlagen, die sich weit bis zum Horizont aneinanderreihen, brummen schnaufend im Akkord.

Alsumer Berg: Das Tor zum Ruhrgebiet

„Das Tor zum Ruhrgebiet. So habe ich es mir vorgestellt“, denke ich mir als ich an einem sonnigen Morgen am Fuße des Alsumer Bergs in Duisburg stehe, einer alten Halde, die sich die Natur zurückgeholt hat. Es ist die erste Station meines Tages in Duisburg auf der Route Industriekultur. Er beginnt mit einem kleinen Spaziergang vergleichsweise ruhig. Das Zwitschern der Vögel legt sich auf die Geräuschkulisse der Anlagen und einer Autobahn. Ganz ruhig ist es im Ruhrgebiet eben selten.

Am Fuße des Berges erklärt mir die für die Route Industriekultur bekannte bronzene Tafel die Geschichte des alten Stadtteils Alsum und der Halde. Nach einem kurzen Fußmarsch hoffe ich auf eine Aussicht in die Ferne des Umlands, die jedoch durch das Dickicht der Sträucher und Bäume erschwert wird. Nur an manchen Stellen eröffnet sich mir ein Panorama-Blick auf Duisburg und seine immer noch brummenden Werke. Von weitem erkenne ich den Landschaftspark Duisburg-Nord, ein stillgelegter Hochhofen und öffentlich zugänglicher Lost Place für alle, der Tourist*innen aus aller Welt ins Ruhrgebiet lockt. Er wird mein nächstes Ziel sein – eine kurze Reise aus der Gegenwart der Industrie in eine andere Gegenwart: Die der kulturellen Nutzung.

Perspektivwechsel-App

Wer mehr über die Geschichte des Ruhrgebiets wissen möchte, sollte die Perspektivwechsel-App der Route der Industriekultur auschecken. Dort könnt ihr zum Beispiel einen Kohlentreiber, einen Bergbaubeamten oder eine Hausfrau der damaligen Zeit begleiten und mit einem virtuellen Tourguide mehr über das Leben in den Zeiten des frühen Ruhrbergbaus oder der Hochphase der Industrialisierung erfahren. Die App gibt es kostenlos in allen App-Stores.

Der Landschaftspark als Festival-Kulisse

Immer wieder dient die außergewöhnliche Industrie-Kulisse auch für Festivals und Events aller Art. Das Traumzeit Festival besticht nicht nur mit der imposanten Kulisse, es hat auch jedes Jahr ein sorgfältig kuratiertes Line-Up. 2024 spielten an zwei Tagen unter anderem Bombay Bicycle Club, Faber, Mina Richmann und Loki. The Third Room hingegen, gestandener Rave-Veranstalter und ehemalige Betreiber des Studios in Essen, holt schon seit mehreren Jahren internationale Top Acts aus der Techno-Szene ins Ruhrgebiet. Dessen Events finden unter anderem im Landschaftspark Duisburg Nord, auf Zeche Zollverein in Essen oder der Henrichshütte in Hattingen statt. Dann wird dort getanzt, wo einst hart gearbeitet wurde. Ob Indie- oder Techno-Festival – für mich ist das lebendige Industriekultur, die junge Menschen anzieht.

Imposante Gebäude am Duisburger Innenhafen

In Gedanken an Duisburg und das Ruhrgebiet laufe ich noch etwas durch den umliegenden Park und über das weitläufige Gelände, ehe ich mich wieder ins Auto zu meiner letzten Station auf der Route Industriekultur in Duisburg begebe: Der in den 1990er Jahren von dem britischen Stararchitekten Sir Norman Foster umgebaute Duisburger Innenhafen. Laut Stadt Duisburg eins „der beliebtesten Ausflugsziele der Region.“ Ohne der Stadt zu nahe treten zu wollen: Das ist etwas hochgegriffen, aber der Hafen mit seinen gläsernen Büro-Neubauten auf der einen Seite und den alten, renovierten Hafengebäuden liefern einen sehenswerten Kontrast. Er sieht ein bisschen aus wie der Hafen in Münster, aber eben nur ein bisschen. Besonders hervorstechen dabei das alte Speichergebäude des Landesarchiv mit seinem Archivturm, der an eine überdimensionale Figur aus Catan erinnert, und das Museum Küppersmühle für moderne Kunst – seines Zeichens Mühle, heute ein architektonisches Verschmelzen von Industrie und Gegenwart.

Ich flaniere einmal hin und zurück, vorbei am Yachthafen und an den zahlreichen Gastronomien, dessen Besucher*innen am Abend den Hafen mit Leben füllen. Zugegeben, es sind eher Ketten, die sich wie an vielen raumplanerisch angelegten „Quartieren“ hier angesiedelt haben: Vapiano, L’Osteria, Bolero, Mangos, ein Burgerrestaurant und vieles mehr. Nichts sticht hervor, aber es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Währenddessen muss ich an den Strukturwandel Duisburgs denken, der sich hier in seinem Architektur-Mix besonders zeigt. Hier Moderne, da Erbe.

Von Strukturwandel und Aufbrechen

„Strukturwandel“ – ein Begriff, der verwendet wird, wenn Leute über das Ruhrgebiet sprechen und nicht mit den Leuten, die dort wohnen. Ein Begriff, den ich nicht gerne verwende, weil er mir aus den Ohren herauskommt. Jedoch beschreibt er im Kern wertfrei, dass sich im Ruhrgebiet irgendetwas wandelt – wie lange schon, sei einmal dahingestellt. Ein Ende in Sicht? Ich denke nicht. Wie das ganze Ruhrgebiet wandelt sich auch Duisburg. Am Dach des Hauptbahnhofs ist das berühmte Klebeband verschwunden, mit dem Stapeltor gibt es wieder ein ambitioniertes soziokulturelles Zentrum und das Theater überrascht mit frischen Inszenierungen. An meinem Tag auf der Route Industriekultur ist diese Diskrepanz und Vielseitigkeit eines Wandels wieder zu sehen gewesen. Es war nur ein kleiner Ausschnitt Duisburgs, einer Großstadt mit 500.000 Einwohner*innen, jedoch zeigt der Tag: Man will aufbrechen, ohne die Vergangenheit hinter sich zu lassen.

Zum Schluss gönne ich mir noch einen Kaffee im „Edel“, damals eine Druckerei und heute ein lichtdurchflutetes Café mit kleinem, aber feinen Programm, wie zum Beispiel einem Spieleabend. Hier lasse ich den Tag ausklingen und bin gespannt, welchen Ausschnitt Duisburgs ich beim nächsten Mal zu erleben bekomme.


Die Route Industriekultur verbindet als touristische Themenstraße die wichtigsten und attraktivsten Industriedenkmäler des Ruhrgebiets. Zum Netz der Route zählen 27 Ankerpunkte, Standorte mit besonderer historischer Bedeutung und herausragender touristischer Attraktivität. Daneben gehören 17 Aussichtspunkte, 13 Siedlungen und zahlreiche Themenrouten zur Route Industriekultur. Weitere Informationen findet ihr auf der Website.

Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Gabelstapler fahren & Tagträumen – Ein Tag auf der Route der Industriekultur

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