Warum ich hoffe, dass der Festivalsommer im Ruhrgebiet schnell zurückkommt

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Schon die zweite Festivalsaison ist pandemiebedingt größtenteils ausgefallen. Das ist frustrierend, findet STROBO-Redakteurin Leonie. Denn gerade das Ruhrgebiet hat für sie festivaltechnisch extrem viel zu bieten. In ihrer Kolumne erklärt sie, wieso.

Es ist Mittag. Ich habe eine sporadische Fünf-Minuten-Pause, an die ich mich seit ein paar Monaten im Homeoffice halte, um irgendwie Kontrolle über meinen Tagesablauf zu bekommen, und drifte mit den Gedanken ab. Klick für Klick öffnen sich wie durch Zauberhand die Tabs in meinem Browser. Fast apathisch öffne ich sie, und klicke mich schlussendlich melancholisch durch das, was sie mir zeigen: die Line-Ups der zig abgesagten Festivals, die dieses Jahr wieder nicht stattfinden konnten. Im nächsten Jahr soll es wieder so weit sein, hoffe nicht nur ich, sondern auch die Veranstalter:innen, die auf ihren Websites schon die Daten für 2022 angegeben haben. Ich seufze. 

„Das Ruhrgebiet hat normalerweise so viel zu bieten, dass man seinen ganzen Festival-Sommer hier verbringen könnte“

Der Grund für mein melancholisches Gewusel durch die Webauftritte der nationalen Festivals: Letzte Woche wäre das Lollapalooza in Berlin gewesen und hätte damit die Saison der großen Musikfestivals in Deutschland beendet. Hat es aber nicht. Weil es keine Festivalsaison gab. Und ich bin mir sicher, dass ich nicht die Einzige bin, die davon genervt ist. Das zweite Jahr ohne mehrere Tage Live-Musik unter freiem Himmel ist zu Ende gegangen – und das ist nicht nur für die Künstler:innen und Veranstalter:innen tragisch, sondern auch für die zahlreichen Musikfans. Und allein das Ruhrgebiet hat normalerweise so viel zu bieten, dass man seinen ganzen Festival-Sommer hier verbringen könnte. 

Festivals in Dortmund: Was für’s HipHop- und Indie-Herz

Fangen wir in Dortmund an, wo ich wohne und herkomme. Seit fast zehn Jahren ist das Juicy Beats Festival im Westfalenpark jedes Jahr rot in meinem Kalender eingekreist. Ich liebe die Acts, ich liebe das Feeling und ich liebe die Location – ich meine, auf welchem Festival kann man sonst zwischen den Acts neben Flamingos am Seerosenteich chillen? Außerdem hat man hier mit den zahlreichen Floors, von denen die meisten nachts nach den Hauptacts aufmachen, zwei Festivals in einem. Und es gibt kostenlose Fotoautomaten. Zahlreiche. Mit vielen Motiven (ich spreche über dich, McFlurry-Fotoaparat vom Juicy Beats 2019). Ich glaube viel mehr muss man dazu gar nicht sagen. Während das Juicy Beats vor allem mein HipHop-Herz erfüllt, stillt das Way Back When Festival meinen Indie-Hunger. Seit seiner ersten Ausgabe in 2014 habe ich dort Bands und Musiker:innen wie Fanfarlo, Bilderbuch, The Slow Show und Dillon gesehen. Das Way Back When ist tatsächlich 2020 in eine Pause gegangen, nachdem es 2019 ins Junkyard in Dortmund umgezogen ist, und möchte sich neu strukturieren. Hoffentlich kommt es wieder, wenn sich der ganze Spuk wieder ein wenig normalisiert hat. Denn kein anderes Festival in Dortmund konnte die Stadt so schön in eine Indie-Metropole verwandeln.

Festivals im Ruhrgebiet: „Umsonst & Draußen“ Festivals mit coolen Acts

Genug zu Dortmund: Nur eine Stadt weiter gibt es normalerweise jedes Jahr das Bochum Total, das komplett kostenlos ist – und trotzdem coole Acts wie OK Kid, Ahzumjot, Bilderbuch, Heisskalt oder Blackout Problems in seinem Lineup hatte (oder, wenn man sich die ganz großen Pop-Acts anschaut auch Joris und Mark Forster). Auch mag ich die Location besonders, weil sich das Bochum Total rund um das Bermuda3eck und seine gefühlt hunderten Kneipen und Bars verteilt – zudem sind die Cocktails aus dieser Bude, die aussieht wie eine Bierdose, einfach zu gut. Generell hat das Ruhrgebiet wirklich gute „Umsonst&Draußen“-Festivals, die trotzdem bekannte Acts zeigen (beim auch kostenlosen Pfingst Open Air in Essen sind schon Von Wegen Lisbeth, Prinz Pi und Mighty Oaks aufgetreten). 

Und obwohl ich viel auf den Festivals im Ruhrgebiet unterwegs bin, gibt es noch viel, was ich auf meiner Liste habe – zum Beispiel den Ruhr Reggae Summer in Dortmund und Mühlheim an der Ruhr. Dieses Jahr sollte hier Damien Jr. Gong Marley auftreten, in den Jahren davor waren Konshens, Max Herre, Busy Signal und Trettmann die Headliner. Auch das Traumzeit-Festival in Duisburg möchte ich unbedingt einmal sehen. Immerhin das soll nächste Woche stattfinden – mit einem abgespeckten Line-Up und vielen Hygieneregeln.  

Zeigt: Wir haben im Ruhrgebiet echt viele Festivals – meine kleine Liste zeigt da bei Weitem nicht alles. Und genau das wird einem, wie Vieles, vielleicht erst dann bewusst, wenn man es nicht mehr hat. Meine Fünf-Minuten-Pause ist mittlerweile vorbei, und ich klicke die Tabs weg, um mich wieder meiner eigentlichen Arbeit zu widmen. Nächstes Jahr wird es schon wieder funktionieren, hoffe ich und freue mich schon darauf, das Juicy Beats in meinen Kalender von 2022 einzutragen. 

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