Wenn Musik alles ist – Indie-Band Lunates im Porträt

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Ein freier Indie-Pop-Sound aus den Ideen von sechs individuellen, teils sehr unterschiedlichen Künstler:innen: Wenn Lunates spielt, passt einfach alles zusammen. Die Band aus Essen spricht mit STROBO über die Bedeutung ihrer Songs, musikalische Selbstzweifel und ihre internationalen Hörer:innen.

Songwriting und die ersten Proben in 2022, dann mehrere Gigs in 2023. Knapp zehn eigene Songs, zwei davon bei Spotify. Eine geplante EP im Frühjahr. Innerhalb der letzten zwei Jahre entwickelt sich Lunates von einer groben Idee zu einer etablierten Band mit klaren Zielen. Mit Jonathan und Maria fängt es an: „Ich hab Jonathan in der Bahn getroffen. 10 Uhr morgens, er im Bärenkostüm und mit einem Bier. Jonathan meinte: ‚Hast du nicht mal was gesagt von einem Projekt?‘. Ich nur: ‚Ja.‘ Und er: ‚Ja, lass mal machen.‘“ Danach kommen Jan, Joshi, Wiktor und Emma dazu. Die sechs studieren an der Folkwang-Uni in Essen. Zwar unterschiedliche Studiengänge, aber alle mit Musik. Denn die ist ihr Leben.

Maria von Lunates: „Mir ist wichtig, dass Menschen den Text mit sich selbst verbinden können“

Sechs Mitglieder: Für eine Indie-Pop-Band sind so viele Leute ziemlich ungewöhnlich. Ebenso wie zwei Gitarren plus ein Keyboard zu haben. Aber für Lunates funktioniert gerade das perfekt. Denn wenn sie spielen, dann finden alle musikalischen Elemente ganz natürlich zueinander; sie arrangieren sich mittlerweile wie von selbst. „Unsere ersten Songs waren die von Maria, die sie mal geschrieben hatte. Jeder von uns hat für sich seinen Part gespielt und daraus hat sich langsam unser Sound entwickelt“, erzählt Wiktor. „Den haben wir nicht festgelegt, der ist einfach entstanden.“ Dieser Indie-Pop-Sound klingt mal jazziger, mal rockiger – aber immer nach Lunates. Sozusagen die Schnittmenge des Musikgeschmacks von allen.

Die Grundideen für ihre Songs kommen meist von Wiktor und Maria. Manchmal habe sie noch Schwierigkeiten damit, die Texte genau auf den Punkt zu bringen. „Aber ich finde wiederum cool, dass es offen bleibt zum Interpretieren und jeder seinen Sinn darin finden kann“, meint Maria. „Mir ist wichtig, dass Menschen den Text hören und mit sich selbst verbinden können.“ Sobald das Grundgerüst eines Songs steht, arbeiten die anderen daran mit. Nicht eine einzelne Person trägt den Prozess, sondern die Band als Gemeinschaft. Sie probieren herum, jammen, nehmen auf. Lunates‘ Lied „Forget me“ ist sogar beim ersten Zusammenspiel entstanden – als alle ihre Parts noch mehr oder weniger improvisiert haben.

Die Essener Band Lunates spielt zusammen rockigen Indie-Pop. Foto: Lennart Neuhaus.

Zusammenhalt und Selbstzweifel

Vielleicht braucht es eben nicht immer ewiges Proben, solange die Dynamik stimmt. Wie bei Lunates. Wenn sie auf der Bühne stehen, so unterschiedlich ihre Hintergründe teilweise sind, funktionieren sie einfach und werden zu einem Ganzen. „Das Spielen auf der Bühne gibt uns Zusammenhalt. Wir werden sicherer und unsere Gigs immer besser“, findet Emma. Vergangenes Jahr haben sie fast die zehn Auftritte vollgemacht, an die sie sich als Band immer wieder zurückerinnern. „Wisst ihr noch der Gig?“ – „Oder der in Duisburg?“ – „Warte, welchen mochtest du denn nicht?“ 

Aber oft schleichen sich auch Selbstweifel ein. Vor allem Maria als Frontfrau spürt einen Extra-Druck auf sich lasten und fühlt sich von der Gesellschaft sehr beurteilt. Mit dem Gesang höre ihre Verantwortung nicht auf, im Gegenteil: „Man muss gut reden, gut aussehen, gut singen können. Im besten Fall mit allen befreundet und happy sein.“ Aber sie hat glücklicherweise die Band, die sich dessen bewusst ist und ihr Rückhalt gibt. „Es ist voll das gute Gefühl, mit Menschen zusammen auf der Bühne zu spielen, mit denen es Spaß macht“, erzählt Maria. 

Anders könnten sie es sich in einer Band auch gar nicht vorstellen. Sie brauchen diese Innigkeit miteinander, die sich im Gespräch immer wieder bemerkbar macht. Wie sie miteinander sprechen, scherzen und lachen. Sie sind nicht bloß eine Band oder Kommiliton:innen, sondern Freund:innen und zeitweise sogar Mitbewohner:innen. Den Vibe dieser Vertrautheit bringt Lunates sowohl mit Leichtigkeit als auch der nötigen Ernsthaftigkeit in ihre Songs. Und das natürlich gemeinsam.

Die sechs Mitglieder von Lunates sind durch die Musik verbunden. Foto: Lennart Neuhaus.

Der Musik wegen 

Welche Rolle Musik für Lunates spielt? „Die allergrößte. Das ist das unser Leben.“ Es fühle sich nicht mal so an, als würden sie ihr Hobby zum Beruf machen. Denn Musik lässt sich nicht in diese Kategorien unterscheiden. Sie ist einfach alles. Und immer präsent. „Ich könnte jeden Tag den ganzen Tag über Musik reden, Musik hören oder Musik machen“, sagt Jan. Das meiste davon dient allerdings einem bestimmten Zweck: Uni, Lunates oder anderweitige Projekte. Es bleibt wenig Zeit übrig, Musik nur der Musik wegen zu machen. „Das ist so schade“, findet Maria. „Ich denke manchmal, ich möchte jetzt alles ausmachen, nichts für niemanden machen und nur für mich spielen.“ Quasi eine Auszeit von der Musik – mit Musik.

Denn: „Man hört immer ein bisschen mit einem analytischen Ohr“, bemerkt Jan. Die sechs Artists nehmen die Musik sehr aktiv wahr, suchen unterbewusst nach coolen Sounds und nach Inspiration für Lunates. „Es ist auch schön, Stille zu haben“, ergänzt Emma. „Oder einen Podcast zu hören. Dabei kann ich manchmal sogar besser abschalten.“

„Zeit, Energie und unfassbar viel Arbeit“

Eine internationale Fan-Base zu haben, davon träumen eigentlich alle Künstler:innen. Lunates ist diesem Ziel schon sehr nahe. Sowohl in der Indie-Szene in Irland als auch in London ist die Band gut vernetzt: „Wir haben tatsächlich eine 50-prozentige Hörerschaft an englischsprachigen Leuten. Das war für uns auch eine Überraschung.“ Ihre absolute Leidenschaft für Musik, der Zusammenhalt in der Band und der Spaß am Spielen – Lunates macht auf jeden Fall etwas richtig.  

Für 2024 nimmt die Band sich neben der geplanten EP vor, mehr Geld reinzubekommen, um davon Studiozeit zum Aufnehmen finanzieren zu können. Größer und besser werden ist zwar der Wunsch, aber nicht ohne Bedenken. „Es geht auch darum, dass man verfügbar sein und Sachen bringen muss, wenn man unter Vertrag ist“, erzählt Maria. „Und unter diesem Druck zu stehen, find ich schwierig. Trotzdem wäre es nice, wenn man als Künstlerin entlohnt wird für das, wo man Zeit, Energie und unfassbar viel Arbeit reinsteckt.“ Die Musik ist es ihnen mehr als wert. Für alle sechs Mitglieder gibt es schon länger keine andere Möglichkeit mehr als „Ja, lass mal machen.“

Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Alternative Rock aus dem Pott – Nero’s Friends im Interview.

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