Von Karaoke Nights, Konzerten und DJ-Workshops hin zu Lesungen und Mutter-Kind-Café: Das Programm im Gelsenkirchener Soziokulturzentrum HIER IST NICHT DA ist vielfältig. Doch was ist die Vision für den offenen Raum, was passiert auf der Bochumer Straße und warum sollte man lieber hier anstatt da den Abend verbringen? Roman Milenski liefert Antworten.
STROBO: Roman, du bist einer der Initiator:innen vom HIER IST NICHT DA. Wer gehört noch dazu und was macht ihr alles?
Roman: Das HIND gibt es jetzt seit Anfang 2022 und ist ein Projekt von zwei Gelsenkirchener Vereinen. Einmal die Insane Urban Cowboys & -girls e. V., bei denen ich zweiter Vorsitzender bin, und der Förderverein Szeniale e. V. Wir setzen uns hauptsächlich aus freischaffenden Menschen kreativer Berufe zusammen und sind ein Verein für Stadtentwicklung. Wir schwirren seitdem durch das Gebiet Ückendorf und konkret die Bochumer Straße, die mehr entwickelt werden soll, herum und stellen Projekte auf die Beine. Ein Soziokulturzentrum hat unserer Meinung nach in Gelsen noch gefehlt.
STROBO: Wie füllt ihr diese Lücke und was ist eure Vision für das HIER IST NICHT DA?
Roman: Wir machen hier zwar auch unsere Vereinstreffen, aber in erster Linie wollen wir einen offenen Raum schaffen mit einem Kulturangebot, das für jeden zugänglich ist. Was Freitag und Samstag nicht nur Kneipe ist, sondern wo eben auch immer noch mehr an Kulturprogramm geht.
STROBO: Und was genau geht im HIER IST NICHT DA?
Eigentlich fast alles! Grundsätzlich verfolgen wir zwei Ansätze: Einmal alles, was wir selbst anbieten und organisieren, und dann haben wir noch unseren partizipativen Ansatz. Kulturschaffende können uns kontaktieren und ihre Ideen vorstellen – egal ob Bands oder DJs für Clubbing-Nächte, Lesungen, Podiumsdiskussionen und so weiter. Erstmal gibt es keine Grenzen, außer natürlich die formalen Gegebenheiten der Location. Durch die Einnahmen für die Vermietungen haben wir Bühne und passende Technik. Wir bieten den Raum zu fairen Konditionen an. Unsere oberste Bedingung ist aber, dass der Raum immer zugänglich bleibt und es keine geschlossenen Gesellschaften gibt.
Roman Milenski: „Vielleicht finden wir etwas, das mehr zu Gelsen passt“
STROBO: Warum ist das HIER IST NICHT DA gerade auf der Bochumer Straße entstanden?
Roman: Vorher wurden die Räumlichkeiten vom „Subversiv“ genutzt, einem Kollektiv für Kulturarbeit. Nach zwei Jahren haben die leider aufgehört und der Raum stand leer. Das fanden wir extrem schade für das Viertel. Irgendwas musste passieren! Ganz spontan bei einem Kneipenabend in der Trinkhalle am Flöz schräg gegenüber haben wir rüber geschaut und uns dann gedacht: Wir sind die richtigen, um den Ort wieder aufzupeppen.
STROBO: Die Bochumer Straße ist ja schon etwas länger im Wandel. Ist Ückendorf das Gelsenkirchener Kreuzberg?
Roman: Ich beobachte das Ganze jetzt schon seit zehn Jahren und es ist immer ein Auf und Ab. Auch schon damals gab es interessante Ansätze und Menschen, die sich hier im Viertel bewegt haben. Das hat teilweise funktioniert, phasenweise aber wiederum nicht. Gerade erleben wir wieder eine Hochphase, aber man muss auch aufpassen. Wir wollen keine Verdrängungseffekte, jeder ist willkommen. Der griechische Imbiss an der Ecke hat genauso seine Daseinsberechtigung wie wir. Wichtig ist, sich nicht zu vergleichen mit Vierteln, die es woanders in einem Einheitsbrei gibt. Vielleicht finden wir etwas, das mehr zu Gelsen passt und dem Stil der Stadt entspricht.
STROBO: Würdest du sagen, die Zielgruppe und Nachfrage ist da – Menschen, die Bock haben, Kultur zu machen oder diese anzuschauen?
Roman: Es gibt einen großen Bedarf an Auftrittsmöglichkeiten. Gerade wenn die Kulturschaffenden noch unbekannt und daher wenig gebucht werden. Deshalb wollen wir es ihnen so einfach wie möglich machen. Hier sollen sie sich ausprobieren. Trotzdem reicht es nicht, einfach das Angebot zu machen – wir müssen auch motivieren, indem wir ein vielfältiges Programm anbieten und verschiedenste Menschen abbilden. Das löst eine Art Kettenreaktion aus. Erst letztens hatten wir eine Truppe aus dem Hotel Shanghai in Essen da, die wiederum ihre Essener Leute mitgezogen haben. Es ist uns auch wichtig, dass sich Gelsenkirchen mehr im regionalen Kontext positioniert und dass die Menschen auch mal hierherkommen wollen, anstatt nur nach Bochum oder Essen zu fahren.
HIER IST NICHT DA: Ein Raum zum Interpretieren
STROBO: Der Name ist ein ziemlicher Ear-Catcher. Woher kommt er?
Roman: 2015 haben Studierende einer Kunsthochschule in Amsterdam zusammen mit dem Kulturreferat Gelsenkirchen Projekte auf der Bochumer gemacht. Einer davon hat zwei große leuchtende Schilder mit jeweils einer Aufschrift geschaffen: „HIER IST NICHT DA“ und „DA IST NICHT HIER“. Beim Abriss des Gebäudes ist ein Schild verloren gegangen. Das „DA IST NICHT HIER“ hat überlebt und wurde irgendwo im Hinterhof deponiert. Daraus entstand dann der Name. Den fanden wir ganz passend und man kann viel reininterpretieren. Das Schild steht neben der Theke.
STROBO: Hast du persönliche Highlights?
Roman: Alles ist ein großes Highlight. Etwas rauszustellen fällt mir schwer. Was aber wirklich passend war, war das Konzert vom Rapper Zynik. Er ist in Ückendorf aufgewachsen und hat sein Album „Bochumer Straße“ getauft. Das Abschlusskonzert seiner Deutschlandtour hat er dann bei uns gespielt. Ich meine, wo auch sonst? Der Laden war voll. Und ansonsten ist „Kommse Ücken“ immer richtig gut besucht.
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