Im Dortmunder U beleuchtet die Ausstellung „hello again“ die lokale Clubszene. Dabei lässt sie Besucher:innen tief in die Welt der Clubs eintauchen und lässt diverse Gesichter der Dortmunder Clubkultur zu Wort kommen. STROBO hat sich die Ausstellung für euch angeschaut.
Plötzlich stehst du mittendrin. Dort, wo du seit über 16 Monaten nicht mehr warst. Dort, wo du in diesen 16 Monaten so gerne gewesen wärst. Überraschend bekommst du einen Stempel auf die Hand gedrückt, drehst dich nach links und stehst plötzlich vor einer Bar. Die Barkeeperin sagt: „Ohne Humor machst du unseren Job nicht lange“ und „du bist, wer zu dir kommt“. Spricht sie mit dir? Du weißt es nicht. Sie scheint in den leeren Raum zu sprechen, in dem du der zufällige Adressat bist. Und die Barkeeperin ist auch nicht wirklich hier. Ihre Stimme kommt, ja es mag komisch klingen, aus einem Kühlschrank. In dem neben ihrer Stimme nur eine Lichtmaschine zu verorten ist.
Ausstellung im Dortmunder U „hello again” imitiert einen Club
Was surreal klingt, ist Realität in der Dortmunder Innenstadt. Auf der UZWEI, im Dortmunder U. Denn dort wird aktuell in einer Ausstellung unter dem Titel „hello again“ ein Club imitiert. Mit allem was dazu gehört: Garderobe, Stempel, Dancefloor, Plattenteller, Bar, Couches, Außenbereich, beschmierte Toiletten. Für uns alle sind Clubs seit mindestens 16 Monaten quasi tot – dank der Ausstellung können wir endlich wieder rein.
Und sogar die Verantwortlichen können wir im Club auf der UZWEI wiedertreffen. Die Leute an der Tür, die Barkeeper:innen, die DJs und DJanes und sogar Leute, die beim normalen Clubbesuch unsichtbar sind. Die Clubbesitzer:innen, Booker:innen und Techniker:innen. Wenn sie auch physisch nicht anwesend sind, so kann man ihnen in der Ausstellung trotzdem überall begegnen. Einmal als anonyme Stimmen, die wie die Barkeeperin aus dem Kühlschrank sprechen. Oder wie die Clubbesitzerin, die über ihren Alltag als Unternehmerin in einem eher ungewöhnlichen Arbeitsbereich spricht: „Immer ein Auge auf den Whiskey haben, weil wir den überhaupt nicht losbekommen“ und „Immer schön die Nachbarn glücklich halten und die Feuerwehr“, hört man sie sagen.
„hello again”: Ausstellung will Clubkultur wieder lebendig machen
Die Stimmen kommen mal aus Speakern, mal aus Gegenständen, die Teil der Ausstellung sind. Wie eben aus dem Kühlschrank oder einem alten Telefon. Doch nicht alle Akteur:innen sind namenlos. Auf Videoleinwänden kommen diverse Gesichter der Dortmunder Clubkultur zu Wort. Dimitri Hegemann, Besitzer des Tresor West, spricht zum Beispiel über seine Begeisterung für Clubs, die seiner Aussage nach „wesentliche Orte sind, um das Leben zu verstehen.“
„Die Clubkultur wieder lebendig zu machen, war so ein bisschen der Gedanke“, sagt Judith Brinkmann, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Mirjam Gaffran das Leitungsteam für das UZWEI bildet, ein Ort der kulturellen Bildung im Dortmunder U. Sie beschreiben die Ausstellung als eine Art Austauschprogramm zwischen Ausstellungskunst und Clubkultur.
„Can’t get you out of my head”: Ausstellung kommt auch in Dortmunder Clubs
Einerseits kommen die Dortmunder Clubs auf die UZWEI. Der dort gemimte Club setzt sich fast vollständig aus Gegenständen Dortmunder Clubs zusammen. So gibt es beispielsweise die ikonischen Sofas, Lampen und alten Telefone aus dem Oma Doris, eine Bar, aufgebaut vom alten Weinkeller, und ein Außenbereich mit Gegenständen aus dem Speicher100. Andererseits kommt die Ausstellungskunst ebenfalls in die Dortmunder Clubs.
Parallel zu „hello again“ läuft unter dem Titel „Can’t get you out of my head” eine dezentrale Ausstellung in sieben Dortmunder Clubs. Inszeniert vom Hartware MedienKunstVerein (HKMV), der ebenfalls im Dortmunder U sitzt, sind die Clubs Veranstaltungsorte einer internationalen Medienkunstausstellung.
„Das U geht in die Clubs, und die Clubs kommen ins U – das ist ein solidarisches Zeichen“, beschreibt es Mirjam Gaffran. Ihr und Judith Brinkmann ist wichtig zu betonen, dass die Ausstellungen auf die Clubs als Kulturort aufmerksam machen wollen. „Die Clubkultur soll sich präsentieren können. Weil auch die Clubkultur mit sehr vielen Künsten verbunden ist, die auf jeden Fall auch auf Augenhöhe zu sehen sind mit anderen Kunstformen. Die Ausstellung ist auch eine Art Wertschätzung“, so Brinkmann. Für sie sind Clubs ein “zeitgenössisches Kulturgut, dass auf jeden Fall förderungs- und unterstützungswürdig ist.”
Ausstellungen wollen Wichtigkeit von Clubkultur in einer Stadt zeigen
Diese Wertschätzung haben Clubs in letzter Zeit enorm vermisst: In der Pandemie leidet die Clubkultur unheimlich. Ausbleibende Gäste und somit ausbleibende Einnahmen. Kaum Perspektiven und keine anderen Nutzungsmöglichkeiten.
Sowohl „hello again“ als auch „Cant’ get you out of my head” wollen darauf aufmerksam machen, wie wichtig Clubkultur für eine Stadt sein kann. Dass Clubkultur mehr ist als Alkohol trinken und DJ Antoine Songs grölen. In der Mitte der Gesellschaft, gerade im Ruhrgebiet, werde einem Club nur selten das Beiwort „Kultur“ zugestanden, so die Club-Besitzenden. Die in der Ausstellung zu Wort kommenden Akteur:innen beklagen im Besonderen die Vergütungssteuer, die in Dortmund auf den Clubeintritt erhoben wird, sowie die Sperrstunde, die zwischen fünf und sechs Uhr in Dortmund als eine der wenigen Städte Deutschlands, gilt.
Doch nun setzt die Stadt Dortmund probeweise die Sperrstunde aus. Außerdem wird in Dortmund künftig ein:e Nachtbürgermeister:in aktiv das Nachtleben in Dortmund mitgestalten, als Schnittstelle zwischen Clubs und der Stadt. Die lokale Politik scheint immer mehr zu verstehen, dass Clubkultur ein wichtiges Element für die Stadtgemeinschaft ist. Spannend ist, wie sich die Einstellung der breiten Bevölkerung gegenüber der Clubkultur entwickeln wird und ob die Ausstellung einen Beitrag dazu leisten kann.
Ausstellung „hello again” vermittelt positiven Blick in die Zukunft
Es scheint sich was zu bewegen in Dortmund. Und das hat, die Erkenntnis bekommt man schnell beim Besuch auf der UZWEI, vor allem mit den ansässigen Akteur:innen zu tun, die die Dortmunder Clubkultur prägen. So erklärt es auch Mirjam Gaffran: „Wir haben gemerkt, dass das allen total wichtig war. Vieles ist auch gemeinsam mit ihnen entstanden und davon lebt die Ausstellung. Und das finde ich am wichtigsten, dass wir ihnen eine Plattform geben können und eine Stimme geben können und hoffentlich trägt sich diese Stimme dadurch auch etwas weiter in die Politik rein.“
Egal ob es Dimitri Hegemann ist, der aus Berlin ins Ruhrgebiet zurückgekehrt ist, um in der Nähe seines Jugendortes etwas aufzubauen, oder ob es die Verantwortlichen des Rekorders sind, die seit Jahren mit diversen Veranstaltungen das Dortmunder Nachtleben prägen – sie alle haben Lust, die Kultur im Ruhrgebiet noch mehr zu prägen, mehr als je zuvor. Die Ausstellung “hello again” vermittelt durch die zu Wort kommenden Akteur:innen Aufbruchsstimmung, einen positiven Blick in die Zukunft und vor allem Bock, aus Dortmund eine richtig interessante Stadt zu machen. Oder wie es Mirjam Brinkmann ausdrückt: „Man spürt bei den Akteur:innen: Dortmund kann ein cooler Ort sein, aber ihr müsst was machen. Ihr müsst uns helfen, anders geht es nicht.“
“hello again” im Dortmunder U: Weitere Informationen
Ihr könnt die Ausstellung “hello again” auf der UZWEI noch bis zum 7. November 2021 unter folgenden Öffnungszeiten besuchen:
Di + Mi 11-18 Uhr
Do + Fr 11-20 Uhr
Sa + So 11-18 Uhr
Die Ausstellungen in den Dortmunder Clubs laufen noch bis zum 08. August. Die Öffnungszeiten variieren zwischen den Clubs, folgende Ausstellungsorte sind beteiligt:
Großmarktschänke
Langer August
Oma Doris
Rekorder
Subrosa
Tresor-West
Zum Schlips
Der Eintritt ist in allen Clubs sowie auf der UZWEI im Dortmunder U kostenlos. Weitere Informationen findet ihr auf der Website des HMKV.
STROBO-Tipp: Am 31. Juli 2021 bieten der HMKV und die UZWEI eine Fahrradtour zu den beteiligten Clubs und den dortigen Ausstellungsstücken an.
Bock auf mehr STROBO? Lest hier Nachtclubs und Feminismus: 5 Ausstellungen im Ruhrgebiet, auf die wir uns 2021 freuen.
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