Indie-Musik hallt durch das FZW, junge Musiker:innen am Start ihrer Karriere spielen auf der Bühne – das sind die Indie Nights im FZW. Wichtiges Erkennungsmerkmal der Veranstaltungsreihe: Die Künstler:innen stammen aus dem EU-Ausland. Im Interview erklärt Felix Japes vom FZW die Philosophie hinter den Indie Nights und warum er und sein Team besonders gern Newcomer:innen unterstützen.
Im Dortmunder Westen, am Neuen Graben 167, steht eine Neubausiedlung. Auf rote Ziegelsteine türmt sich Beton, angestrichen in Cremeweiß. Dazwischen machen sich Fenster breit. Die unscheinbare Außenfassade scheint die Aufmerksamkeit geradezu absichtlich von sich wegzulenken. Der Vorgarten gemäht, die Hecken gestutzt – kein Zentimeter des Bauwerks lässt ahnen, dass einst ein Rockclub auf diesem Grundstück stand. Nur ein Blick bei Google Street View auf dem Stand von 2008 erinnert an die vergangene Ära. Wo nun ein Neubau sitzt, sieht man durch die Linse einer Google-Kamera das ursprüngliche Gebäude des FZW. Die Außenwände voller Graffitis, zugekleistert mit Plakaten.
1968 öffnete das FZW erstmals seine Forte, damals noch als „Freizeitzentrum West“ für Kinder und Jugendliche. Im Laufe der Jahrzehnte änderte sich die Ausrichtung. Das FZW wurde mehr und mehr zur Party- und Konzertdestination. Musiker:innen wie Greenday spielten dort auf kleinen Bühnen, noch vor ihrem großen Durchbruch. Lange Zeit war das FZW die Anlaufstelle für Rock, Punk und Parties. Ganze Generationen gingen in dem Gebäude ein und aus.
Indie Nights zeigen Entwicklung des FZW
Heute steht das FZW unweit vom Dortmunder Hauptbahnhof. Die Konzertlocation am Neuen Graben wurde zu klein, die Beschwerden der umliegenden Anwohner:innen zu laut. Graue Platte ersetzt die weißen Fliesen. Eine Glasfront ziert den Eingang. Flach, modern, kalt. So ragt das quadratische Gebäude empor. Ein Blick in das Programmheft verrät: Das FZW beherbergt Musiker:innen aus verschiedenen Genres. Der Rockclub mit Jugendzentrum-Charme hat sich geöffnet und wurde zum Veranstaltungshaus mit Vielfalt im Programm.
Die Veranstaltungsreihe Indie Nights spiegelt diese Entwicklung wider. Seit 2015 veranstaltet das FZW sie. Das Konzept: Newcomer:innen aus dem EU-Ausland kriegen eine Bühne geboten. Das Publikum darf sich über Eintritt zum schmalen Taler freuen. Eine Win-win-Situation. Wie der Name es vermuten lässt, treten Musiker:innen aus dem Genre Indie auf. Finanziert wird das Ganze aus einem EU-Fördertopf, der für Diversität in der europäischen Musikszene sorgen soll. Im Jahr 2023 holt sich das FZW dafür knapp 50 Newcomer:innen aus der EU auf die Bühne.
Felix Japes ist verantwortlich für Veranstaltungen und Konzerte im FZW. Wer im Programmheft landet und wer nicht, entscheidet er mit seinem Team. Im Interview redet er über die Philosophie hinter den Indie Nights und wieso das FZW Newcomer:innen unterstützt und auf Indie steht.
Die erste Indie-Nights-Veranstaltung – „ein Hammer Paket“
Japes sitzt in einem von zwei Räumen, die das FZW für Veranstaltungen vermietet. Carhartt-Kappe, Vans und Hemd. Die Schultern hängen locker nach vorne. Während er erzählt, streift sein Blick immer wieder konzentriert durch den Raum.
STROBO: Wie lief die erste Indie Night 2015 ab?
Japes: Da ist tatsächlich Kevin Morby, jetzt ein richtig großer, etablierter Indiekünstler, aufgetreten. Dann die Dortmunder Band Rekk und Fùgù Mango, eine belgische Band. Diese drei – das war schon echt ein Hammer Paket direkt zum Auftakt. Mittlerweile machen wir es so, dass wir meistens zwei Newcomer:innen-Acts bei den Indie Nights haben, damit es für die Gäste nicht so spät wird.
STROBO: Was für ein Gedanke steckt hinter den Indie Nights? Warum habt ihr die Veranstaltungsreihe gestartet?
Japes: Wir möchten Newcomer:innen-Acts vorstellen, mit einem Fokus auf nichtdeutsche europäische Künstler:innen. Das kommt auch durch die Liveurope-Förderung. Das ist eine Förderung der EU, die uns bei den Indie Nights finanziell unterstützt. Damit wir Geld erhalten, müssen die Künstler:innen aus dem nichtdeutschen EU-Ausland kommen. Ohne Liveurope könnten wir uns die Indie Nights definitiv nicht erlauben und würden diese Bands nicht buchen.
Newcomer:innen im FZW fördern
Während Japes redet, laufen Mitarbeiter:innen in den Hallen umher und tragen Kisten voll Technik von A nach B. Eine Woche ohne Veranstaltungen und Trubel – für das FZW undenkbar. In diesem Jahr hat das FZW, so erzählt Japes, knapp 50 Musiker:innen für die Indie Nights eingebucht. Somit kommt man auf 20 bis 25 Indie Nights in 2023. Also knapp 10 Prozent des Gesamtprogramms, was Konzerte angeht. Und das alles, obwohl die Indie Nights oft unrentabel sind.
STROBO: Fördert ihr Newcomer:innen aus dem EU-Ausland, seit es die Förderung von Liveurope gibt oder war das auch schon die Jahre davor ein Thema für euch?
Japes: Nachwuchsarbeit ist immer wichtig. Das gilt aber meistens für deutsche Acts. Weil das perspektivisch sinnvoller ist, die mitaufzubauen. Das FZW kommt ja aus dem Städtischen. Subkulturförderung gab es da immer. Das war natürlich viel einfacher mit den Geldern der Stadt. Seit 2011 ist das FZW privat geführt. Seitdem müssen wir natürlich schon auf die Mittel gucken. Entsprechend dankbar sind wir über die Liveurope-Förderung, mit der das verschmerzbar ist. So ein Indie-Ding ist unser Herzensprojekt. Am Ende verdienen wir das Geld mit den großen Shows und Partys. Aber wir sind natürlich dankbar, dass das funktioniert und wir uns sowas wie die Indie Nights dann auch leisten können.
STROBO: Wieso ist es euch wichtig, jungen, bisher unbekannten Künstler:innen eine Bühne zu bieten?
Japes: Für uns ist es wichtig, dass Bands nachkommen, die Karten verkaufen – also Publikum generieren können. Kontra K zum Beispiel hat hier im FZW früher im kleinen Raum vor 300 Leuten gespielt. Dann im großen Raum. Danach haben wir ein Konzert mit ihm in der Westfalenhalle vor 12000 Leuten gemacht. Dass man so die Künstler:innen zu einem kleinen Teil mit aufbauen kann. Außerdem gibt es sehr viele kleinere Bühnen, die es einmal gab, nicht mehr. Dementsprechend müssen wir auch darauf achten, Newcomer:innen so gut es geht miteinzubeziehen.
Einst Rock-Club, jetzt buntes Haus
Japes selbst ist zu jung, um die 1968er miterlebt zu haben. Die Gründungsjahre des FZW kennt auch er nur aus der Retroperspektive: Vom Jugendzentrum zum Konzertclub mit Fokus auf Rock, Punk und Gothic. Die Entwicklung der letzten zehn, 15 Jahre hat Japes aber miterlebt. Heute stehen Musiker:innen aus Europa auf der Bühne und spielen Indie. Rock-Veranstaltungen gibt es zwar immer noch, sie machen aber schon lange nicht mehr den Hauptteil des Programms aus. Die alte Fassade ist abgerissen: Ein neues Haus bietet Platz für mehr kulturelle Vielfalt.
STROBO: Wofür steht das FZW heute? Was macht das Programm aus?
Japes: Mittlerweile sind wir ein großer Laden und bedienen uns an Rock und Pop. Das schließt jetzt erstmal Subkulturen wie Gitarrenrock, Rap, aber auch Indie mit ein. Ich glaube, dass wir erstmal ein Programm haben, das allgemein verträglich ist. Dass jede:r zu jeder Veranstaltung gehen kann, ohne schreiend rauszulaufen. Dass wir aber auch links und rechts in die Nischen gehen und da schön auswählen. Dass vielleicht nicht mehr der kommerzielle Erfolg ausschlaggebend ist, sondern es oft auf andere Dinge ankommt. Zum Beispiel Künstler:innen in der Anfangszeit zu supporten oder wirklich in die Subkultur zu gehen, weil man überzeugt ist von einer Band, von einem:r Künstler:in. Weil man dann eher die Perspektive sieht, dass man in der Zukunft die große Halle vollmacht.
STROBO: Passen die Indie Nights in dieses Bild vom heutigen FZW rein?
Japes: Ja, auf jeden Fall. Wir hatten jetzt im Januar eine Indie Night mit der Band The Haunted Youth aus Belgien. Und da kann ich mir sehr gut vorstellen, dass wir da nächstes Jahr auch nochmal ein Konzert machen und das dann ausverkaufen.
Eine Übersicht über kommende Veranstaltungen findet ihr auf der Internetseite des FZW. Tickets könnt ihr auf der Website des FZW oder an der Abendkasse vor Ort erwerben.
Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Rapper Trop im Interview: Mit Cowboyhut im Club Shanghai