„Liefere Tracks wie ein Dealer” – Dortmunder Rapper DEF JAZZ im Interview

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Der Dortmunder Rapper DEF JAZZ ist erst 22 Jahre alt und hat sich schon jetzt einen Namen in der Dortmunder-Underground-Szene erspielt. Im STROBO:Talk erzählt er wie Kiffen seine Musik beeinflusst hat, wieso es starke Messages schwer haben und wieso netzwerken so wichtig ist.

STROBO: DEF JAZZ, wir sitzen gerade vor dem U – Dortmunds Wahrzeichen und Ort deines zuletzt erschienenen Musikvideos „Hit em High“. Wieso ist Lokalbezug so präsent bei dir?

DEF JAZZ: Ich sage nicht: „Dortmund ist die krasseste Stadt, Dortmund hat die krassesten Rapper.“ Dennoch denke ich, dass Dortmund im Vergleich zu anderen Städten etwas unterschätzt wird. Deswegen versuche ich, die Stadt auf die Karte zu setzen. Außerdem ist Dortmund meine persönliche und musikalische Heimat. Ich bin hier groß geworden und habe hier meine Leute. 

STROBO: Im Gegensatz zu anderen Rapper:innen verzichtest du auf das Angeben mit Autos, Schmuck und allem, was dazu gehört. Warum?

DEF Jazz: Früher ging es vielmehr um den Flow, das Spielen mit den Wörtern und eine krasse Live-Performance. Damit möchte ich auch überzeugen. Heute wollen alle nur noch ein gutes Marketing-Team hinter sich haben und mit ihrer Musik möglichst viel Cash verdienen. Das ist nicht mein Ding. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich das ja in 20 Jahren. (lacht)

STROBO: In Green Ghetto rappst Du „Liefere Tracks wie ein Dealer“ und in deinen anderen Texten werden oft Joints thematisiert. Inwiefern ist Gras für dich ein Bestandteil deines Lebens oder inspirierend für deine Musik? 

DEF JAZZ: Vermutlich habe ich durch das Kiffen überhaupt angefangen, Texte zu schreiben. Wenn ich aber produktiv sein möchte, ist es mehr eine Ablenkung.

STROBO: Wie entsteht ein typischer DEF JAZZ Track?

DEF JAZZ: Das versuche ich auch immer herauszufinden. Wenn ein Beat mich in den ersten 20 Sekunden catcht und ich direkt einen Flow im Kopf habe, den ich umsetzen möchte, dann klappt es sehr gut. Manchmal sitze ich tagelang an einem Text und bin dann sehr selbstkritisch. Früher habe ich bis in die Nacht Texte geschrieben, heute geht es schneller und mehr um den Flow. Gerade weil ich zwischen Trap und Boom Bap schwanke, wandelt sich das momentan.

STROBO: Während Rap mittlerweile von verschiedenen Genres beeinflusst ist und immer fluider wird, kehrst du zum Oldschool-Sound zurück. Warum? 

DEF JAZZ: Das liegt am Dortmunder Umfeld. Hier werden krasse Boom Bap-Beats produziert. Durch die Auftritte, die ich spielen durfte, habe ich auch viele Leute in der Szene kennengelernt, die meine Musik gefeiert haben. Dennoch möchte ich mich nicht auf Boom Bap festlegen. Bei Trap siehst du auch, wie die Community wächst und wie viel Potenzial sie hat.

STROBO: Gerade bei der Richtung Boom Bap steht ja auch der Inhalt im Mittelpunkt – wieso setzt du deinen Fokus jetzt mehr auf den Flow?

DEF JAZZ: Vor allem live habe ich gemerkt, dass ich viel mehr aus der Stimmung herausholen kann. Denn es ist schwierig, eine krasse Message so dope zu verpacken, dass es hörbar ist und im Kopf bleibt. Da setze ich jetzt lieber auf wenige komplizierte Texte und Schlüsselwörter, die hängen bleiben. Prinzipiell gibt es aber nur wenige MCs, die das schaffen und dabei zeitgemäß bleiben. Bei den DortmundCityCyphers im Oma Doris liefen aber oft Boom Bap-Beats. Meine erste Texte waren dann auch gesellschaftskritischer und hatten eine klare Message.

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Boom Bap ist ein Subgenre der Rap-Musik und wird häufig mit dem Begriff „Oldschool“ in Verbindung gebracht. Boom Bap-Beats sind meist geprägt von akustischen klingenden Drums, die durch eine schwere Kick und eine hohe Snare hervorstechen.


STROBO: Deine Single „Hose für Zwei“ ist ja auch etwas trappiger. Wie kam es dazu?

DEF JAZZ: Der Münchener Rapper und Produzent Plattenlieferant hatte mich gefragt, ob ich Lust hätte, mal einen Track zusammen aufzunehmen und hat mir dann den Beat geschickt. Der hat mich direkt gecatcht und ich konnte sofort meine Lines darauf schreiben. Er ist unfassbar talentiert und weiß, wie er vorankommt. Das finde ich gut.  

STROBO: Mit Witten Untouchtable, RAG und auch SBK Basement gab es unter anderem drei Crews, die noch heute genannt werden, wenn es um „Rap im Ruhrgebiet“ geht. Warum lässt der Nachwuchs auf sich warten?

DEF JAZZ: Ich kenne so viele Leute, die großes Potenzial haben, aber nicht die richtige Unterstützung bekommen. Die schreiben heftige Texte, aber müssen ihre Musik auf Youtube Beats veröffentlichen, weil sie keine Produzent:innen kennen. Am Anfang muss man einfach zusammenarbeiten, um im Team das bestmögliche herauszuholen. 

Das Problem ist, dass viele lieber einen Beat für 100 Euro verkaufen wollen, anstatt zusammen ein ganzes Album zu produzieren und gemeinsam zu wachsen. Natürlich muss jeder auch für seine Arbeit vergütet werden. Das ist bei mir nicht anders. Wenn man aber Hand in Hand arbeitet, ist es für beide Seiten ein größerer Schritt Richtung Erfolg.

STROBO: Obwohl du selbst Musik machst, hast du deine Augen und Ohren überall. Kommt man ohne Vernetzung heutzutage nicht mehr weit?

DEF JAZZ: Viele kleine Künstler:innen machen für sich Musik, sodass die Szene nie ineinander aufgeht und zusammenwächst. Ich möchte mich auch auf mein Umfeld konzentrieren und gemeinsam etwas pushen anstatt nur auf Geld zu setzen. Ich bin glücklich, wenn ich viele Konzerte spielen kann. Das ist mein Ziel. 

STROBO: Viel Live-Erfahrung hast du ja schon zu Beginn deiner Musik-Karriere gesammelt. Wie macht man die Veranstalter:innen auf sich aufmerksam? 

DEF JAZZ: Immer wenn wir ein Konzert gespielt haben, war jemand im Publikum, der uns dann für das nächste Konzert gebucht hat. Da sich in Dortmund auch die Locations untereinander kennen, war es ziemlich einfach, da reinzukommen. Über einen Contest im FZW sind wir zum Rekorder gekommen, von da zum JKC und von da zum Urban Culture Fest. 

Meine Tracks kann ich live viel besser performen als vor dem Mikrofon im Studio. Wenn ich direkte Resonanz bekomme und merke, dass dem Publikum meine Musik gefällt, geht es mir auch gut. Und das motiviert noch mehr.

STROBO: Stellvertretend für deine Arbeit als Networker steht auch THE GREEN MAGAZINE, in dem du zahlreiche Newcomer versammelt hast. 

DEF JAZZ: Natürlich sind Magazine ausgestorben, aber etwas Gedrucktes in der Hand zu halten, ist eine andere Form von Support, als eine Erwähnung in der Instagram Story. Dafür, dass es nur aus einer spontanen Idee heraus entstanden ist, war die Resonanz auch sehr gut. Alle 60 Exemplare waren direkt weg und ein paar Künstler:innen haben sich auch darüber kennengelernt. Das war crazy. 

Hier könnt ihr die erste Ausgabe des THE GREEN MAGAZINE lesen.

STROBO: Was steht musikalisch bei dir als nächstes an?

DEF JAZZ: In Bezug auf Releases bin ich sehr lahm. Bald veröffentliche ich Tracks, die ich schon vor längerer Zeit hätte releasen können, aber jetzt noch einmal neu aufgenommen habe. Das sind meine Babys. Ich will die einfach loswerden, weil ich schon so lange darauf sitze. Danach kommen neue Tracks, die noch einmal anders klingen. Und generell möchte ich, dass Leute mir zuhören und meine Musik feiern. Die Stage will ich dann nutzen, um Dinge anzusprechen, die angesprochen werden müssen – zum Beispiel rassistische oder sexistische Themen, um die viele Rapper:innen einen Bogen machen. Ich denke: Wenn man eine Reichweite besitzt, dann steht jeder in der Pflicht, davon auch Gebrauch zu machen.  

Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Network44: Bochumer Lokalpatriotismus aus der Garage

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