„Der aktuelle Kunstmarkt ist scheiße“: Zu Besuch bei Künstler Moritz Mannhardt

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Moritz Mannhardt ist Künstler aus Essen. Seine Inspiration zieht er aus dem urbanen Raum: Aus Streetart, Graffitis und den unschönen Seiten der Stadt. Sein jüngstes Buch „Stille Orte“ zeigt Fotos von Dixi-Klos. STROBO hat den Künstler da besucht, wo er lebt und arbeitet.

Ende der 90er-Jahre wird Moritz Mannhardt beim Graffiti-Sprühen von der Polizei erwischt. Seiner Mutter verspricht er, damit aufzuhören. Beim Betreten seines Ateliers wird jedoch schnell klar, dass das nicht geklappt hat. Es riecht nach Farbe, überall Spuren der Sprühfarben. Möbel, Wände und Klamotten sind bunt gesprenkelt. Mannhardt ist Künstler, seit Anfang des Jahres lebt er allein von seinen Bildern. Seine Kunst bedient sich an Einflüssen aus der Pop-Kultur und den urbanen Räumen des Ruhrgebiets.

Von der Graffiti-Szene belächelt

Kunst hat er schon immer gemacht. Mal mehr, mal weniger fokussiert. Doch der Drang zur Kreativität zieht sich durch das Leben des Essener Künstlers. Was als bloßes Graffiti-Sprühen angefangen hat, entwickelt sich zu Streetart und sorgt für erste Kontakte in Kunstkreisen. „Mit Streetart habe ich angefangen, weil Kleistern und Stickern ja erstmal nicht so illegal ist. Im Umkreis des AZ Mülheims habe ich dann die ersten Leute kennengelernt, die das auch cool fanden und auch selbst gemacht haben“, erinnert sich Moritz. Aus den Kreisen des Autonomen Zentrums entsteht schließlich das Kollektiv „Arte Noir“, das Moritz mitgründet. Gemeinsam organisiert das Kollektiv Ausstellungen und Partys quer durch Deutschland. „Von der Graffiti-Szene wurde das am Anfang immer noch ein bisschen belächelt. Die sind dann aber auch nach und nach dazugekommen. Mittlerweile ist Streetart ja ziemlich angekommen“, erzählt Moritz.

Moritz Mannhardt: „Das Problem war, dass ich Schule einfach scheiße finde“

Durch einen Schicksalsschlag übernimmt Moritz schließlich das Design-Büro seines Vaters. Die Arbeit sorgt dafür, dass er seine Kunst vernachlässigt. Auch das Kollektiv verliert sich aus den Augen. Als das Büro keine Aufträge mehr bekommt, weil Moritz nicht studiert hat, schreibt er sich mit 28 Jahren für Kommunikationsdesign in Düsseldorf ein. Schnell merkt er, dass das Studium nichts für ihn ist. Schließlich landet er als Koch in der Rüttenscheider Gastronomie. „Das Problem war, dass ich Schule einfach scheiße finde. Ich fand es dann einfach geil, zu malochen und Geld zu verdienen“, erklärt er.
Einige Jahre bleibt Moritz als Koch tätig. Doch mitten in der Corona-Pandemie verliert der Essener durch die Lockdowns seinen Job. Er entschließt sich, von nun an Vollzeit-Künstler zu sein. Eine Entscheidung, die er nicht bereut.

Künstler Moritz Mannhardt bei der Arbeit. Der Essener malt.
Künstler Moritz Mannhardt. Foto: Lennart Neuhaus.

Heute lebt er allein von den Einnahmen, die er durch den Verkauf seiner Bilder erzielt. In Vollzeit als Künstler tätig sein zu können heißt aber auch, verkaufen zu müssen. Das schafft Moritz ganz eigenständig, ohne Galerien und Kontakte in die Hochkultur. Seine Werke verkauft er über Online-Plattformen wie Etsy oder Catawiki. Dabei bleibt er immer aktiv, hat immer Auktionen laufen, bei denen jede:r auf seine Werke bieten kann.

Wie hoch der Gewinn hier ausfällt, ist unterschiedlich. Manche Auktionen enden bei geringen Eurobeträgen, einige schaukeln sich auf ein paar Hundert Euro hoch. Der Durchschnitt scheint für eine Wohnung in Essen Rüttenscheid zu reichen. „Klar ist: Der aktuelle Kunstmarkt ist scheiße. Du brauchst leider immer noch einen Abschluss, gute Kontakte und Nachweise. Sonst schaffst du es nicht“, erklärt Moritz. Die Möglichkeit der Online-Auktionen offenbart neuen Künstler:innen neue Wege und ermöglicht ihnen, sich unabhängig von Galerien und exklusiven Kunst-Netzwerken zu finanzieren.

Laute Kunst und „Stille Orte“

Für Moritz scheint der Weg des Online-Verkaufs bislang gut zu funktionieren. Das liegt auch an seiner Kunst. Es sind Collagen aus klassischen Streetart-Elementen, bekannten Gesichtern und Objekten. Seine Motive zieht Moritz dabei häufig aus der Popkultur. So sind es Gesichter wie Frida Kahlo, Nick Cave oder Steve McQueen, die als Schablonen auf den Leinwänden von Moritz landen. Sie alle bekommen eine Behandlung in feinster Streetart-Manier. Prince bekommt einen Klecks Sprühfarbe ins Auge, die quer durch sein Gesicht läuft. Sänger Nick Cave werden von einem Graffiti-Fisch die Augen bedeckt. Frida Kahlos Kopf wird in der Mitte geteilt.

Es ist fast verrückt, dass trotzdem keines der Motive verunstaltet wirkt. Sie werden neu in Szene gesetzt. Mal vor bunt gesprenkeltem Hintergrund, mal einfach schwarz-weiß. Ein Werk zeigt Muhammed Ali, der Micky Maus zu Boden schlägt. Ein anderes einfach den ernst blickenden Joseph Beuys. Moritz‘ Kunst wirkt immer laut und wild und ist jedes Mal einmalig. Denn Moritz fertigt keine Kunstdrucke an. Er verkauft ausschließlich Originale.

Künstler Moritz Mannhardt: „Ich hatte immer eine Faszination für hässliche Dinge“

Ganz anders als seine Kunstwerke sind seine Fotos. Neben den lauten Streetart-Collagen kehrt in seinen Fotos Ruhe ein. Das sogar wortwörtlich. Sein letztes Fotobuch trägt den Titel „Stille Orte“ und zeigt Fotos von mobilen Toiletten. Auch in seinen Fotos liegt die Inspiration also im urbanen Raum. „Ich hatte immer eine Faszination für hässliche Dinge“, erklärt Moritz lachend.

Künstler Moritz Mannhardt.
Moritz Mannhardt. Foto: Lennart Neuhaus.

Moritz Mannhardt macht laute Kunst. Aber er ist kein lauter Mensch. Wer den Künstler kennenlernt, gewinnt den Eindruck, dass er seine ganze Aufregung in seine Kunst steckt. Wer sie betrachtet, erkennt die Stadt darin wieder. Die urbane Inspiration, die Faszination des Künstlers für das Unperfekte. Für schiefe Blicke, Farbkleckse, Risse, Dixi-Klos. Klar ist aber auch: Ende der 90er-Jahre lügt Moritz Mannhardt seine Mutter an. Zwar sprüht er heute keine Wände und Züge mehr an, doch die Graffiti-Dosen sind heute Teil seiner Arbeit und die markanten, bunten Farben ausschlaggebend für seinen Stil.

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