Julina ist Singer-Songwriterin aus Witten. Ihre neueste Single „Immernoch“ ist am 19.04.2024 erschienen, darauf folgen eine nächste Single im Mai und die EP „blau“ im Juni. Im Interview mit STROBO erzählt sie davon, warum jetzt der richtige Zeitpunkt für die Releases ist und welche Selbstzweifel sie als Newcomerin beschleichen.
STROBO: Julina, du bist Singer-Songwriterin – was schreibst du für Songs?
Julina: Ich schreibe aus meinem Herzen. Eigentlich oft, wenn ich abends in meinem Zimmer am Keyboard sitze, dann kommt eine Melodie, die Musik, der Text. Es sind meistens Themen, die ich gerade nicht mit jemandem bereden kann. Und dann ist das wie mein Tagebucheintrag, nur als Song. So kann ich das gut verarbeiten. Ich würde mich bei einer Mischung aus den ganzen Indie-Künstler:innen einreihen, ähnlich wie Wilhelmine oder Paula Hartmann, auch Schmyt textlich. Aber es ist trotzdem einzigartig und einfach sehr ehrlich. Meine Musik ist ich. Jede Melodie spiegelt ein bestimmtes Gefühl oder eine Atmosphäre wider.
STROBO: Was ist denn das Gefühl, dass du transportieren möchtest?
Julina: Das ist von Song zu Song unterschiedlich. Aber zum Beispiel bei meiner EP, die bald kommt, ist es ein Zwiespalt zwischen loslassen wollen, aber nicht können. In einem Hin und Her aus: Mache ich jetzt weiter? Oder lasse ich es, weil ich weiß, aufgeben wäre eigentlich besser. Es kommt auch Verzweiflung und Trauer raus – und Hoffnung, die nicht vergeht.
Wie Julina Gefühle in ihren Songs verarbeitet
STROBO: Beziehst du dich mit deinen Texten auf konkrete Personen?
Julina: Kommt voll drauf an. Meine EP ist schon auf eine Person bezogen, aber keiner weiß, wer es ist. Die weiß es nicht mal selbst. Außer ich. Nicht alle Songs beziehen sich 100-prozentig auf die Person, sondern entstehen eher aus einem Gefühl heraus, was sich durch die Person ergibt. Dann beschreib ich das Gefühl und versuche, dass die Menschen das irgendwie nachempfinden können, wenn sie es sich anhören.
STROBO: Wie ist es für sich zu wissen, dass das nach dem Release auch fremde Menschen hören?
Julina: Es ist echt cool! Es macht Spaß, sich das vorzustellen. Aber es ist schon auch sehr gruselig, weil es voll die persönlichen Sachen sind und dann hören das Leute, die ich nicht kenne. Muss man sich mit anfreunden. Ich habe sogar ein paar Songs, die ich gar nicht veröffentlichen will, weil es dann schon sehr persönlich ist. Aber ich denke mir, wenn ein bisschen Zeit vergeht, dann werde ich auch die irgendwann rausbringen. Die Songs, die jetzt auf der EP sind, habe ich teilweise schon vor vier Jahren geschrieben. Die sind jetzt nicht mehr so aktuell und dann kann ich damit besser klarkommen, als wenn ich jetzt einen Song von gestern veröffentliche.
STROBO: Und wie ist es mit Menschen, denen du sehr nah stehst? Zeigst du ihnen deine Musik eventuell sogar schon vor der Veröffentlichung?
Julina: Ja manchmal. Meinen ersten, englischen Song habe ich erst gezeigt, als er schon öffentlich war – als Surprise. Aber meine deutschen Lieder hab ich schon immer relativ direkt gezeigt. Auch, um Feedback zu bekommen, weil die Leute ihre Meinung haben und gleichzeitig wissen, was ich schön finde. Aber bei ganz neuen Songs, die zeige ich gar keinem außer meiner Sprachmemo App auf dem Handy. Die schreib ich mehr für mich, mein Gefühl und meine Verarbeitung. Irgendwann zeig ich die auch meinen engsten Freunden. Nur eben immer erst, wenn es sich richtig anfühlt für mich.
Release nach Bauchgefühl
STROBO: Du hast grad gesagt, dass deine bisherigen Songs auf Englisch sind du die neuen auf Deutsch. Woher kommt dieser Wechsel?
Julina: Ich hatte früher den Gedanken, dass er nur Sinn macht, englische Musik zu machen. Ich weiß nicht, woher der Gedanke kam – irgendwie dumm. Dann hab ich irgendwann einen Song geschrieben und ohne nachzudenken gesungen und dann wars halt deutsch. Seitdem wusste ich, deutsch ist auf jeden Fall mein Ding. Zu 100 Prozent. Es fühlt sich viel authentischer und viel mehr nach mir an.
STROBO: Und genau die Singles bringst du jetzt raus – du hast jetzt eine Single neu, dann im Mai die nächste und dann die EP. Was geht dir denn generell da alles durch den Kopf?
Julina: Große Vorfreude! Ich schreib jetzt seit vier oder fünf Jahren deutsche Songs und habe sie noch nie jemandem so richtig gezeigt. Und jetzt ist das endlich ein Step, der voll sich befreiend anfühlt. Gleichzeitig auch gruselig, weil ich nicht weiß, wie das ankommt – aber eigentlich ist es auch egal, wie es ankommt. Ich habe generell ein richtig starkes Bauchgefühl, auch unabhängig von der Musik. Und mein Bauchgefühl sagt mir jetzt: Mach es! Also mach ich es jetzt so.
STROBO: Kommen denn auch manchmal Selbstzweifel auf?
Julina: Dass die Richtung jetzt die richtige ist, da bin ich mir sicher. Ich bin sehr perfektionistisch, deswegen mache ich mir zu jedem Detail tausend Gedanken. Und dann gibt es Phasen, in denen ich keine Ahnung hatte, was ich überhaupt mache. Da kommen manchmal Songs oder Schnipsel zusammen und ich denke: „Was ist das eigentlich, das hört sich scheiße an.“ Dann verwerfe ich die wieder oder mache später weiter, weil man sich so unter Druck setzt mit dem Anspruch, dass jetzt ein Song entstehen muss, der einem gefällt, authentisch ist und irgendwie in die Zeit passt.
Und manchmal kommen Zweifel durch Social Media. Vor allem, wenn ich auf Tiktok gehe und Künstler:innen sehe, die ähnliche Musik machen. Ich frage mich, ob ich es wie die machen oder bei mir bleiben sollte. Es ist wahrscheinlich normal, dass man dann zweifelt. Ich muss mir immer wieder sagen: „Ich bin ich und ich bin authentisch. Und ich bleib ich.“ Und zu dem Schluss komm ich auch immer wieder dank meiner Familie und Freund:innen.
Julina: „Meine Musik ist ganz nah an allem“
STROBO: Jetzt kommen endlich der Sommer und die Festivals. Wo würdest du am liebsten mal auftreten?
Julina: Entweder etwas Riesiges, wie das Splash oder so, das wäre richtig cool. Oder tatsächlich sowas ganz Kleines. Ich freue mich total auf meinen Release-Gig in dem Innenhof in Witten, weil das voll klein und süß wird. Ich mag Mini-Locations voll gerne, wo vielleicht 50 Leute kommen – dann ist es intimer. Meine Musik ist ganz nah an allem. Es ist so schön, die Reaktionen im Publikum zu sehen. Bei meinem ersten Auftritt war meine ganze Familie in der ersten Reihe und die haben alle geheult als ich so einen Song gespielt hab und dann musste ich selbst fast weinen. Deswegen versuche ich da dann teilweise schon, mich abzuschotten. Es ist wirklich crazy zu sehen, dass Menschen klatschen und meine Texte mitsingen.
STROBO: Was löst das in dir aus?
Julina: Viel Freude! Ich merke, dass ich die Leute berühre. Und ich kann mich sicherer fühlen in dem, wie ich auf der Bühne bin – auf jeden Fall sicherer, als wenn alle stehen und nur gucken. Es ist die Bestätigung, dass das gut ist was ich mache und ich so weiter machen kann und soll – und muss.
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