Durch Musik mit sich und anderen connecten – Timur Bambil im Porträt

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Zwischen Indie, Alternative und modernen Popsounds bewegt sich Timur Bambil musikalisch auf seinem ersten Album. „I couldn’t keep my head up for the crown“ hat er im Dezember rausgebracht. Der 23-Jährige aus Herne spricht mit STROBO über den Entstehungsprozess und die Message seiner Songs.

2014 ist Timur Bambil der Publikumsliebling beim Herbert, dem Herner Jugendkulturpreis. „Eigentlich hab‘ ich mich damals nur aus Spaß beim Herbert angemeldet. Ich konnte ein bisschen Gitarre spielen und dachte mir, ich probier‘ das mal aus“, erzählt er. Mit einer Mischung aus Rap und Gesang treten Timur und eine Freundin damals vor das Publikum. „Ein Glück gibt es den Auftritt heute nirgends mehr zu sehen – das ist definitiv besser so“, sagt der 23-Jährige und lacht. Knapp zehn Jahre später ist jetzt sein erstes richtiges Album erschienen. Und im Gegensatz zum Auftritt damals kann es sich sehen lassen.

Heute ist Timur dankbar für diese Erfahrungen: „Die Teilnahme am Herbert hat definitiv meinen Lebensweg geprägt. Ich habe so viele Menschen dadurch kennengelernt, die ich sonst nie getroffen hätte. Es ist ein geiles Gefühl, durch die Musik mit anderen zu connecten!“ Mittlerweile ist er selbst im Orga-Team des Herbert und hilft, wo er kann. Durch sein Studium der Sozialen Arbeit und den Nebenjob in der Jugendhilfe scoutet er Teenager:innen für den Wettbewerb. Er hat einen ganz besonderen Draht zu den Jugendlichen und ermutigt sie: „Viele wissen gar nicht, wie talentiert sie sind und brauchen nur einen kleinen Schubser in die richtige Richtung!“

Timur Bambil ist Singer-Songwriter aus Herne. Foto: Cynthia Ruf.

Was hinter der Fassade steckt

„Ich bin kein Mensch, der Gefühle zeigt“, antwortet Timur wie aus der Pistole geschossen auf die Frage, was hinter seiner Musik steckt. Das gelinge ihm weder in Worten noch in Emotionen. Nur beim Songschreiben ist das etwas anderes. Mit Musik kann er all das ausdrücken, was sonst nicht geht – und zwar in Metaphern. „Meine Zuhörer können sich natürlich denken, worum es in den Songs geht. Aber was hinter jeder einzelnen Zeile, hinter jedem einzelnen Wort steckt, weiß nur ich allein.“ Das gibt ihm ein Gefühl von Sicherheit, wenn er mit seiner Gitarre im Arm vor Leuten steht und singt.

In seinen Songs geht es um Momente mitten aus dem Leben. Momente, in denen er uninspiriert ist und nicht weiß, wohin mit sich. Momente, denen er Sinn und Bedeutung geben will, um sich selbst zu reflektieren. „So einen Moment hatte ich 2021 während Corona. Ich war echt nicht gut drauf und komplett fertig mit der Welt“, erinnert er sich. „Es hat sich angefühlt, als würde die Pandemie niemals enden und das hat mich wahnsinnig gemacht.“ Aus dieser Verzweiflung heraus kam ihm die erste Idee zum Song „The Crown“ in den Kopf. Zwischen einigen Tassen Kaffee hält er seine Gefühle in den Notizen vom iPhone fest und nimmt seine ersten Sound-Ideen als Sprachmemos auf. Anschließend fügt er die einzelnen Teile zusammen und bearbeitet den Song, bis er so gar nicht nach DIY, sondern richtig professionell klingt.

Von „Scheiße“ der Vergangenheit zur fertigen LP

„The Crown“ ist erst der Anfang. Jeder Song hat seinen eigenen Background und seine eigene Message: Mit „Scars“ und „Heaven‘s Eyes“ verarbeitet Timur die Krebserkrankung und den Tod seines Vaters. Er findet erstmals Worte für den Verlust, den er erfahren hat. Durch den Song „The Coronation“ hingegen kann er sein aufsässiges Verhalten als Teenager reflektieren und sieht heute klarer. „Im Leben baut man auch mal scheiße, das ist normal und das habe ich auch erlebt. Wir sind schließlich alle nicht perfekt.“

Fünf weitere Songs kommen hinzu und vollenden die LP mit dem Titel „I couldn’t keep my head up for the crown“. Der Name klingt beim ersten Mal Hören etwas sperrig und schwierig zu merken. Was steckt also dahinter? „Die Frage kriege ich oft zu hören“, verrät Timur und verkneift sich ein Grinsen. „Das Album steht dafür, dass es in Ordnung ist, Verletzlichkeit zu zeigen und manchmal nicht im Reinen mit sich selbst zu sein. Es soll Leuten durch eine schwere Zeit helfen und ich finde, das beschreibt der Titel perfekt. Genau das hätte ich früher gerne selbst gehört, wenn es mir mal nicht gut ging.“

Auf seiner LP verarbeitet Timur Bambils seine Gefühle. Foto: Cynthia Ruf.

Timur Bambil: „Diese LP ist zu 100 Prozent ich!“ 

Inspiriert von den 2000ern zählt Timur seine LP zum Alternative Indie Pop. Einer seiner Idole ist dabei Matt Maeson, dessen Musik ihn in den Bann zieht und zu eigenen Tracks anregt. Die Titel der einzelnen Songs hat er mit Bedacht gewählt: „Ich bin mega abergläubisch und finde Tarot-Karten super spannend. Deshalb ist jeder Song auf eine bestimmte Karte bezogen“, verrät er. Dieses Konzept zieht sich wie ein roter Faden durch die LP – mit einem Sound abseits vom Mainstream, den es im Radio zu hören gibt. Sie begeistert auf ihre eigene Art und Weise. Im Fokus stehen klar Gitarrenmusik und Timurs Stimme, die im Zusammenspiel einen Blick in sein Innerstes preisgeben. Ehrlich und echt. In seiner Musik ist er frei – das verrät seine Begeisterung, wenn er über seine Arbeit spricht: „Diese LP ist zu 100 Prozent ich!“

Für 2024 plant Timur, erst mal seinen Bachelor zu beenden. „Wenn das durch ist, hab‘ ich eine Sorge weniger und kann mich auf die Musik konzentrieren“, sagt er grinsend. Dafür hat er jetzt schon angefangen, Auftritte auf Newcomer:innen-Bühnen und Festivals anzufragen. Neue Songs sind ebenfalls in Arbeit: Demnächst sogar auf Deutsch, so viel kann er schon verraten. Klar ist so oder so, dass Timur für die Musik lebt. „Eines Tages von der Musik zu leben, wär‘ natürlich mega, die absolute Traumvorstellung!“ Ob das gelingt, bleibt vorerst abzuwarten. Egal wie sich seine Karriere entwickeln wird, mit Songwriting hat er ein Ventil gefunden, seine Gefühle auszudrücken.

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