Der Gelsenkirchener Chris verwandelt sich immer wieder in sein Alter Ego Aria Viderci. Doch das Leben als Drag Queen besteht nicht nur aus Glitzer und Glamour. STROBO hat sich mit ihm getroffen und herausgefunden, wie viel Arbeit und Schmerzen hinter dem Drag-Business eigentlich stecken und warum es die Strapazen trotzdem wert ist.
Aria Viderci, das schillernde Alter Ego von Chris. Sie ist mehr als nur eine Drag Queen, sie verkörpert eine lebendige Kunstform für den Gelsenkirchener. Durch sie hat er ein Ausdrucksmittel für seine Kreativität und Leidenschaft gefunden. Chris, der tagsüber als Sachbearbeiter bei der Stadt arbeitet und sich selbst als introvertiert beschreibt, verwandelt nicht nur sein Äußeres wenn der zu Aria wird. Dann tritt er in eine Welt ein, die voller Extravaganz und Lebendigkeit ist. Die Queen ist das komplette Gegenteil von ihm. Sie liebt Aufmerksamkeit und zelebriert stolz jede Kurve ihres Körpers. Für ihn ist Aria ein kleines Outlet, eine Möglichkeit, sich auszudrücken und in eine andere Dimension einzutauchen.
Aria – die Muddi ausm Pott
Die Drag Queen ist nicht nur eine Persönlichkeit für Chris, sondern auch die „Muddi ausm Pott“, wie er sie selbst liebevoll beschreibt. Sie ist fürsorglich, liebevoll und hat vorsichtshalber immer alles doppelt dabei, um anderen Queens auszuhelfen. Für sich selbst würde der Sachbearbeiter nie viel Geld ausgeben, dafür aber für den Star seinen letzten Cent. Egal ob Perücken, Stoffe oder Make-up, sie bekommt alles, um absolut fabelhaft auszusehen.
Die Muddi ist noch sehr jung. Offiziell geboren wurde sie im Juli 2021, aber ihre Ursprünge reichen bis ins Jahr 2005 zurück, als Chris zum ersten Mal Transvestit-Künstler:innen im Movie Park Germany begegnet. Er hatte schon immer ein Interesse für Theater und der Umzug in ein Bauerndorf führte dazu, dass er sich mehr mit dem Nähen beschäftigte. Schließlich sind die Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Land nach wie vor begrenzt. RuPaul’s Drag Race und insbesondere die Näh-Challenges beeinflussten ihn stark. All dies führte schließlich zu seiner Entscheidung, bei einem Freund im Garten aufzutreten, der kleine Drag Shows veranstaltete. Am Anfang alles ein bisschen ungewohnt und schwierig, aber es hat sich alles ausgezahlt. Denn 2023 ist Aria Viderci Drag Star geworden, ihr bisher absolut größter Erfolg.
Aria Viderci: „Drag ist scheiße schmerzhaft“
Die Verwandlung in eine Drag Queen bringt nicht nur puren Glamour mit. Für Aria kommt daher aber ihre Attitude. „Gaffa-Tape an gewissen Stellen, zwei Korsagen, zehn Paar Strumpfhosen … Ich hasse es, aber ich mach es trotzdem gerne. Es ist extrem hilfreich so eine Art Grundhass zu haben und dann zu moderieren”, erzählt sie, „du hast direkt diesen bitchy vibe drin und haust jeden Spruch raus.“
Mit ihrer Performance ist sie auf Bühnen überall in Deutschland zu sehen. Berlin, Frankfurt, Köln und überwiegend Düsseldorf. Ein paar Moves stehen fest, der Rest ist Improv. Sie macht einen Split nach dem anderen und bringt das Publikum zum Ausrasten. Dabei kommt ihr ganz klar die lange Cheerleader-Erfahrung zugute. So ein Auftritt dauert höchstens fünf Minuten oder eben so lang wie der Song ist.
„Ich bin lieber fies und witzig als fies und beleidigend“
Natürlich kommt man als Person des öffentlichen Lebens nicht um Kritik und unangebrachte Kommentare herum. Gerade als Drag Queen darf man sich dann gleich doppelt so viel anhören.
Dabei schätzen beide konstruktive Kritik sehr und reagieren auf diese auch besonnen.
Online werden negative Kommentare ignoriert, aber face to face wird gekontert. Am besten ein guter Spruch, der der Person das Lachen vergehen lässt, die Freund:innen aber umso mehr lachen lässt.
Dabei wird Aria aber niemals beleidigend, ein kleiner Roast reicht schon aus, um die „Kritik“ verstummen zu lassen.
Wer mit der Drag Queen spricht, merkt: Drag ist ein anstrengendes Business. Körperlich und zeitlich wird sie beansprucht. Der Job von Chris bringt ihn aus der Drag-Bubble ein bisschen raus, aber spätestens am Wochenende steckt er wieder voll drin. Fährt stundenlang in andere Städte, um Aria im schillernden Licht stehen zu lassen. Und das tut er liebend gern. Doch für 2024 wünscht er sich auch mal ein bisschen Ruhe. Die Knie schonen und ein bisschen entspannen. Trotzdem stehen schon wieder viele Termine an. Es bleibt abzuwarten, wie viel Ruhe Chris tatsächlich bekommen wird. Denn eins steht fest: Aria Viderci gehört auf die Bühne.
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