NEW TALENTS RUHR: Die Projektmanagerinnen im Interview

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NEW TALENTS RUHR ist ein Förderprogramm vom RVR für junge Künster:innen. Noch bis zum 12.05. könnt ihr euch dafür bewerben. STROBO-Autorin Josiane Speckenwirth hat mit den beiden Projektmanagerinnen Charlotte Kirk und Anika Ehrlich über die Hürden für junge Artists gesprochen und wie NEW TALENTS RUHR sie dabei unterstützt.

STROBO: NEW TALENTS RUHR ist ein neues künstlerisches Talentförderungsprogramm vom RVR: Was steckt dahinter?

Anika: NEW TALENTS RUHR ist an sich nicht ganz neu. Es gab ein Vorgängerprojekt, das Kunstcamp. Das fand früher zwei Mal statt, mit einem Camp und einem Mentoringprogramm. Das beides haben wir jetzt auch. Aber bei NEW TALENTS RUHR beziehen wir uns eher auf neue Künste und legen den Fokus damit auf bestimmte Schwerpunkte. Und wir sind dieses Mal landesgefördert. Was total cool ist, weil wir natürlich mehr Möglichkeiten haben und trotzdem komplett kostenfrei sein können. 

Charlotte: Es ist aber übrigens eine ideelle Förderung, also eine Förderung in Form eines Programms, nicht in Form eines Fördertopfes. Es wurde geschaut, wo noch Förderungsbedarf besteht. Das Gute ist: Die Kommunen leisten schon sehr gute Basisförderungen. Also Programme, wo alle mitmachen können. Aber da ist eine Lücke in Bezug auf die Leute, die einen Schritt weitergehen und sich mit ihrer Kunst professionalisieren wollen. Manche kommen an den Punkt, an dem sie zum Beispiel auf Kunsthochschulen gehen – aber für viele Kunstformen gibt es diesen institutionalisierten Bildungsweg überhaupt nicht mal. Letztendlich geht es im Projekt darum, dass wir junge künstlerische Personen auf ihrem Weg unterstützen wollen.

STROBO:Inside: NEW TALENTS RUHR

Das künstlerische Talentförderungsprogramm NEW TALENTS RUHR dauert insgesamt zwei Jahre. Die Förderung beinhaltet vorbereitende Workshops, ein zehntägiges Camp, ein anschließendes Mentoringprogramm, einen Auslandsaufenthalt und Communityevents. Ihr könnt euch auf einen der vier künstlerischen Schwerpunkte bewerben: Elektronische Musik, Digitale Künste und Performance, Neuer Zirkus und Urban Arts. Voraussetzung für die Bewerbung ist, dass ihr entweder in einer der elf Partnerstädte wohnt oder einen eindeutigen Lebensbezug dazu habt. Alle Infos findet ihr auf der Seite von NEW TALENTS RUHR.

Netzwerke für junge Künstler:innen

STROBO: Welche anderen Hindernisse gibt es denn noch, wenn es um junge Künste geht?

Charlotte: Eine Herausforderung ist auf jeden Fall, dass es eben teilweise sehr junge Künste sind. Urban Arts ist immerhin schon etwas etablierter und bekannter. Vor allem im Bereich Urban Dance, Hiphop – oder Graffiti. Obwohl man da auch nicht diese Assoziation hat, dass man das in einem institutionalisierten Raum machen. Das ist natürlich eine gewisse Barriere. Aber dann haben wir auch Kunstformen wie den neuen Zirkus. Die Szene ist super jung und es gibt noch Auseinandersetzungen innerhalb des Kunstfeldes: Was fällt da rein? Was fällt da raus? Wie definieren wir uns? Im neuen Zirkus können sich alle Bewegungskünstler:innen einbringen, die das, was sie machen, in erster Linie als Sportart sehen. Dass diese Art von Bewegung als Kunstform auf die Bühne kommen kann und sich damit was erzählen lässt, das muss einem erst mal klar werden. Das ist definitiv eine Hürde im Bereich neuer Zirkus. 

STROBO: Also ist ein großes Ziel eures Projekts, Offenheit für neue Kunstformen zu schaffen und den Austausch zwischen den Teilnehmenden zu fördern? Möglicherweise ein neues Netzwerk schaffen? 

Anika: Ja absolut! Wir wollen diese Grenzen zwischen den vier Kunstformen nicht so stark ziehen, weil viele Leute einfach noch gar nicht die Möglichkeit hatten, alle kennenzulernen. Das Schöne ist: Das Gesamtprojekt besteht zum einen aus dem Camp. Hier geben wir den Leuten die Möglichkeit, interdisziplinär zu arbeiten, sich gegenseitig kennenzulernen und den Horizont zu erweitern. Zum anderen haben wir danach das Mentoring, wo wir ganz gezielt und individuell auf die einzelne Person und ihre Wünsche und Ziele eingehen können. Was schon richtig krass ist, wenn du ein junger Mensch mit einer Vision bist und dann einen Profi mit künstlerischer Erfahrung an deiner Seite hast. Der deine Skills mit dir verbessern kann. Dieses Vernetzen und Kennenlernen ist ein total besonderer Schwerpunkt bei NEW TALENTS RUHR.

Charlotte: Und es ist sogar fast wichtiger, dass Offenheit und Interesse an den künstlerischen Prozessen der anderen da sind, als dass jemand in einem unserer Bereiche schon total gute Skills hat. Das würde sonst am Projekt vorbeigehen. Deswegen wollen wir alle Leute ermutigen, sich zu trauen und sich zu bewerben. Auch wenn sie nicht gut zeichnen oder tanzen oder sonst was können, sondern erst mal einfach ein kreativer Kopf sind. Wir finden dann schon einen geeigneten Schwerpunkt für die Bewerber:innen. Man muss noch gar kein Profi sein – dafür haben wir ja Profis, die die Talente unterstützen.

Bei den Talenttagen können sich die jungen Künstler:innen miteinander vernetzen und austauschen. Foto: RVR.

NEW TALENTS RUHR: Vom Ruhrgebiet fürs Ruhrgebiet

STROBO: Was denkt ihr, warum bietet denn ausgerechnet das Ruhrgebiet das künstlerische Potenzial für so ein Projekt?

Charlotte: Wir haben im Ruhrgebiet ein Netzwerk von wahnsinnig vielen Großstädten – und kleineren Städten – mit wirklich tollen Kulturinstitutionen, in denen ganz viel passiert. Es gibt super Universitäten und Tanzschulen, Kunstszenen und Subkulturen. Eigentlich ist alles schon da! Auch die vielen künstlerischen Talente. Sie müssen eben nur davon wissen, dass es sowas wir NEW TALENTS RUHR gibt. Das ist eine total besondere Erfahrung, sich mit so vielen Leuten austauschen zu können, die alle künstlerisch interessiert sind. Diese Netzwerke können sehr entscheidend sein für das, was danach für die Talente kommt.

STROBO: Mit vielen dieser Institutionen und Städten im Ruhrgebiet kooperiert NEW TALENTS RUHR ja auch, oder?

Charlotte: Genau. Die Städte sind Teil des Vermittlungskonzepts unseres Projekts. Denn: Der RVR selbst hat diese Vor-Ort-Netzwerke nicht. Wir brauchen die engagierten Kolleg:innen, die in ihren Städten und Kommunen vernetzt sind und die Institutionen vor Ort kennen, zum Beispiel Jugendsozialarbeiter:innen. Wir sind total darauf angewiesen, dass sie die Infos weitertragen. Und sich zu vergegenwärtigen, wer unsere künstlerischen Kooperationspartner:innen sind, ist nicht ohne. Die Folkwang Universität der Künstle, Urbanatix, OPENSPACE, Pottporus, die beiden Theater und die Einzelpersonen, die diese Institutionen vertreten. Das sind alles großartige Menschen mit ganz viel Expertise. 

Die Talents können sich in vier Kunstbereichen ausprobieren, zum Beispiel Digitale Künste und Performance. Foto: RVR.

„Wir machen das für die Talente, nicht für uns“

STROBO: Inwieweit seid ihr selbst denn im direkten Kontakt mit den Bewerber:innen?

Anika: Wir sind diejenigen, die alles koordinieren und sich um alles kümmern, was nicht künstlerisch ist – aber auch da bringen wir unsere Perspektiven ein. Und wir verwalten die E-Mail-Adresse. Da geben wir uns größte Mühe, alle Fragen und Zweifel der Bewerber:innen entweder selbst zu beantworten oder die künstlerischen Leitungen hinzuzuziehen. Sich als Talent zu bezeichnen, ist vielleicht die erste Hürde. Dann muss man sich einem Schwerpunkt zuzuordnen, die nächste Hürde. Wir wollen diese Barrieren wegnehmen, wenn die Leute mit uns in den Austausch zu treten. Wir sitzen am Ende nicht in der Jury und entscheiden nicht, wer gefördert wird. Aber wir können ermutigen und sagen: „Trau dich!“

STROBO: Die meisten Leute nehmen die Kulturbranche einfach als total elitär wahr. Deshalb kann ich schon gut verstehen, dass junge Menschen sich nicht trauen – aber genau diese Leute wollt ihr ja erreichen mit eurem Projekt. 

Anika: Total. Alle sind willkommen und sollten diese Chance wahrnehmen – egal, was für ein sozialer Hintergrund. Wir sind im ständigen Austausch mit den künstlerischen Leitungen. Sie versuchen, das Programm an die Bewerber:innen anzupassen und allen gerecht zu werden. Das Projekt lebt am Ende von denen, die daran teilnehmen.

Charlotte: Es geht uns wie gesagt darum, einen besseren Zugang zu Netzwerken zu schaffen. Das Bewerbungsprofil zum Beispiel lässt sich bis zum Tag der Abgabe noch bearbeiten. Dann kann man immer wieder was bearbeiten und geht nicht ganz so verkopft an die Sache. Denn: Wir machen das für die Talente, nicht für uns. Wir haben übrigens viele Diskussionen gehabt, was das Wort Talent angeht. Aber was benutzen wir sonst, um alle mitzumeinen? Man findet keine perfekten Lösungen. Das ist etwas, mit dem wir leben müssen. 

Anika: Stimmt. Etwas finde ich noch wichtig: Ich bin schon lange in der Musikszene und da bekomme ich mit, dass beratende Leistungen oft mit Eigennutzen und Profit einhergehen. Sie wollen in dich investieren, dich großmachen. Aber für uns ist die Beratung und das An-der-Seite-stehen ein emotionales Thema. Wir wollen kein Geld verdienen mit den Menschen im Projekt und ich glaube, das ist eine sehr ehrliche Art der Beratung. Das wird durch Landesförderungen und den RVR ermöglicht. Dass man sowas bekommt, ohne dass wir was zurückverlangen. Wir wollen gemeinsam diese Erfahrung teilen und hoffen, dass wir am Ende ganz viele tolle Geschichten zusammen schreiben können.

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