Fabian oder der Gang vor die Hunde

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Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Medienpartnerschaft mit: RuhrBühnen. Die RuhrBühnen haben keinen redaktionellen Einfluss auf die Rezension.

Mit Fabian oder der Gang vor die Hunde läuft aktuell ein Klassiker von Erich Kästner im Bochumer Schauspielhaus, der schon alleine wegen der Vorlage sehenswert ist. Doch gelingt es Thomas Dannemann und den Schauspielstudierenden der Folkwang Universität den Stoff ansprechend umzusetzen? STROBO-Autor John Schmidt hat eine Aufführung des Stückes besucht und berichtet.

Fabian oder der Gang vor die Hunde (auch Fabian. Die Geschichte eines Moralisten oder einfach Fabian) von Erich Kästner aus dem Jahr 1931 erzählt die Geschichte von einem zwischen vorher nicht gekannter Liberalität und dem sich ausbreitenden Nationalsozialismus gespaltenen Berlin gegen Ende der Weimarer Republik. Mit einer gelungenen Mischung aus Ironie und Realismus beschreibt Kästner das Leben des Jacob Fabian, welcher zu Beginn als Propagandist tätig ist und nach der Kündigung durch Berlin irrt, um einen neuen Job, Anstand und Liebe zu finden. Liebe findet er in den Armen von Cornelia, doch diese Beziehung scheitert schnell wieder an den Wünschen der beiden. Mit seinem besten Freund Stephan Labude verbindet Fabian seit jeher eine enge Verbindung, die jedoch nach Labudes Freitod infolge eines schlechten Scherzes ein jähes Ende findet. Auch Fabian, desillusioniert und zurückgekehrt in seine Heimatstadt Dresden, stirbt – womit der Roman ein abruptes Ende findet.

Mit Fabian gelingt Kästner eine Momentaufnahme, welche das Chaos Berlins um 1930 glaubwürdig einfängt und humoristisch an mehreren Stellen stark untermauert. Vom Buch war ich begeistert, aber wird mir auch die Umsetzung im Schauspielhaus Bochum gefallen?

Die Darsteller*innen des Fabian (in der Mitte Anton Balthasar Römer als Jacob Fabian und Laoise Lenders als Cornelia Battenberg). Foto: Birgit Hupfeld.

Berliner Chaos untermalt mit Iggy Pop und Herbert Grönemeyer

Das Stück von Thomas Dannemann beginnt mit einer von Fabian erdachten Zigarettenwerbung, startet (dem Buch folgend) also fast schon mittendrin. Die Szene ist als Einstieg gut gewählt und setzt die Darsteller:innen gut in Szene: Fabian startet schnell und chaotisch, die Zuschauer:innen müssen sich in der Darstellung erst zurecht finden – ganz wie im Buch und super umgesetzt. Die Bühne wird zu einer Art Manege, teilweise fühlen sich Szenen wie Kabarett an, und die Darsteller:innen wirbeln in verschiedenen Rollen um Jacob Fabian, der großartig von Anton Balthasar Römer verkörpert wird. Als unterhaltsame Conférenciers führen Franka Forkel und Florian Kreßer durch’s Stück und geben dem Stück, Römer ergänzend, so etwas wie einen roten Faden, an dem sich das Publikum in diesem Chaos orientieren kann. Meine Begleitung fühlt sich streckenweise auch stark an The Great Gatsby erinnert. Es sei dahingestellt, ob die Ähnlichkeit beabsichtigt ist oder reiner Zufall, dem positiven Vergleich kann ich mich nur anschließen. Die Bühne wird nach und nach immer weiter mit Requisiten, Federn und Wein zugemüllt, Fabian zündet sich in fast jeder Szene eine Zigarette an und die Darsteller:innen wirbeln sich und das Publikum von Szene zu Szene. Musikalisch unter anderem untermalt mit Männer aus dem Reichstag von Claire Waldorf, Alkohol von Herbert Grönemeyer und dem immerkehrenden Passenger von Iggy Pop, schafft es das Ensemble das Chaos von Fabian in einer höchst amüsanten und unterhaltsamen Weise umzusetzen, die zum Lachen – aber auch zum Nachdenken – anregt. Bei Sprüchen wie „Wenn schon unter Faschisten, dann doch lieber Italien“ und „Bald sind Wahlen und noch haben wir eine Demokratie“ fühlt man sich auch schmerzhaft an die heutige Zeit erinnert. Spitzen, die zum Nachdenken anregen und gut gesetzt sind. Etwas unter geht die Rolle des besten Freunds Labude, der von Leander Hesse zwar gut verkörpert wird, jedoch gegen Ende erst eine größere Rolle zuteil wird. Labudes Präsenz geht zulasten der Darstellung der Liebesbeziehung zwischen Fabian und Cornelia, verkörpert von Laoise Lenders. Diese Gewichtung stellt nun jedoch keinen Nachteil dar, denn Römer und Lenders nutzen den dargebotenen Raum auf eine zärtlich-ergreifende Art, für die man eben gerne ins Theater geht. Sie schaffen es, dass sich die Beziehung mit allen Höhen und Tiefen (vor allem Tiefen) wesentlich intensiver und mitreißender anfühlt als es Kästner in seinem Roman schafft.

Fabian oder der Gang vor die Hunde. Foto: Birgit Hupfeld.

Unpassend ist allerdings (für mich und meine Begleitung zumindest) das Ende: Nachdem Fabian stirbt und die Bühne verlässt, konkludieren Forkel und Kreßer die Handlung: Die beiden bitten Fabian doch noch für einen letzten Song über eine frohe grüne Welt auf die Bühne. Das Ende wäre ohne diesen Song wesentlich runder, stumpfer und absurder gewesen – eben wie im Buch, welches abrupt mit dem Tode Jacob Fabians endet. Alternativ hätte hier auch eine erneute Wiederholung von Passenger Sinn ergeben, sofern man auf ein „wohliges“ Ende besteht.

Fabian im Schauspielhaus Bochum: Weitere Vorstellungen im März und Anfang April

Davon ab, gelingt Dannemann und den Darsteller:innen eine passende und zeitgemäße Interpretation des Fabian von Erich Kästner. Auch Fans des Buches (oder der von mir bisher verschmähten Verfilmung) erleben hier keine Langeweile und können sich auf eine wilde Tour freuen. Weitere Vorstellungen sind noch am 15.03., 27.03., 29.03., 01.04. und 03.04. Tickets bekommt ihr hier auf der Webseite des Schauspielhauses Bochum.

Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Null Zucker: Nackt im Theater- über Heimatgefühle und Zugehörigkeit.

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