Familiärer Ruhrpott-Rap – mit Dein Couseng bei Nonstop: Essen nach Shanghai

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Fünf Rapper aus dem Ruhgebiet wollten mit „Nonstop: Essen nach Shanghai” das Rap-Event des Jahres veranstalten. Darunter auch MC Smook und Kay Shanghai. STROBO hat den Essener Rapper Dein Couseng den Abend lang begleitet. Über einen Abend, der Spaß gemacht hat und doch gemischte Gefühle zurücklässt.

Ursprünglich sollte das hier ein Backstage-Bericht werden. Eine behind-the-scenes-Reportage. Ein bisschen ist es das auch. Nur, dass es so ein richtiges „Hinter den Kulissen” an diesem Abend gar nicht gibt. Dafür ist das selbsternannte „Underground Rap Event des Jahres” zu familiär. Fünf lokale Rapper (ja, nur Männer! Dazu später mehr) bilden das Line-up des Abends in der Weststadthalle. Sie alle haben ihre Leute dabei, ihre Fans, ihre Crew. Arman Marvani alias Dein Couseng holt uns rein, nimmt uns mit. Wir sind ihm – so gut es ging – auf Schritt und Tritt gefolgt.

Eine eingeschworene Rap Familie 

„Nonstop: Essen nach Shanghai” heißt das Event also. Die Idee: Durch die Auftritte von fünf Rappern geht es quer durch die Rap-Welt. Dein Couseng, Big O, Dein Junge STV, MC Smook und Kay Shanghai. Von Essen nach Shanghai eben. DJ an diesem Abend ist Beatamin C, der auch einige Songs mitproduziert hat, die hier gespielt werden. Irgendwie haben hier sowieso alle miteinander zu tun. Deswegen auch: familiär. 

Wie eine eingeschworene Familie wirkt auch das Publikum. Es ist so freundschaftlich, dass wir uns wirklich fragen, wie dieses Event Geld einspielt. Gefühlt stehen hier alle auf der Gästeliste und jede:r kennt einen der Acts persönlich. Das merken wir ziemlich früh, als Dein Couseng uns begrüßen will. „Oha! So viele Cousengs hier draußen”, ruft er und weiß gar nicht, wem er zuerst die Hand schütteln soll. Ein gewohntes Bild an diesem Abend: Die Tür geht auf, wer hineinkommt, begrüßt Arman. Kein Wunder also, dass das auch Thema seiner Songs ist. „Ich bin Patron, ich lauf durch Essen, Leute geben mir Hand”, rappt er zum Beispiel. Als selbsternannter „Essen City Präsident” geht das wohl nicht anders. Wer Arman einen Abend begleitet, stellt aber fest, der ist tatsächlich so. Und das war erst die Begrüßung. 

Rapper Dein Couseng auf dem Weg zur Bühne. Foto: Lennart Neuhaus.

Mit Dein Couseng vor und hinter der Bühne

„Ich hab leider keine Backstagebändchen für euch”, ist sein zweiter Satz an diesem Abend. „Aber ich box euch da rein”, verspricht er. Im nächsten Moment sitzen wir neben den Rappern und ihren Freund:innen auf der Couch. Es gibt Bier, Cola, Kuchen. Ein separater Raum für Raucher:innen. Absolut nicht spannend. Hier wird sich lediglich kurz ausgetauscht, gesammelt und entspannt. Es ist erstaunlich ruhig. Kurz bevor die Show beginnt, sind hier alle sehr fokussiert. Wie geht es Arman vor dem Start? „Ich hab Bock, ready bin ich nicht. Ich bin ein bisschen aufgeregt, weil ich spontan die Leute anmoderieren soll”, erzählt Arman. 

Kurz nach acht geht es dann los. Aus dem Backstage geht es eilig zu der Bühne im Foyer der Weststadthalle. Das Publikum ist zum Großteil noch draußen. Der erste offizielle Act des Line-ups: Kay Shanghai. Also doch Shanghai nach Essen jetzt? Naja, egal. Auf der Bühne steht dann plötzlich doch MC Smook und moderiert die Gäste von Kay Shanghai an. Der hat nämlich als einziger so etwas wie eine Vorband. Tolkiensplug, Jacco und temi eröffnen für den Essener Clubbesitzer. temi ist übrigens die einzige Frau, die an diesem Abend die Bühne betritt. Gleichzeitig sind die jungen Musiker:innen, die für Kay Shanghai eröffnen, die Überraschung des Abends. Ein bisschen Rap, ein bisschen Bedroom Pop und richtig gute Texte. Was Kay macht, ist bekannt. Eine Mischung aus vernebeltem Trap, Rap und queerem Pimmelhumor. 

Dein Couseng haben wir mal wieder aus den Augen verloren. Später taucht er tanzend im Publikum auf. Generell ist er an diesem Abend öfter vor der Bühne unterwegs. Er feiert die anderen Acts, tanzt mit den Fans und zwischendurch motiviert er die Leute, die draußen vor der Tür stehen, wieder rein zu kommen. 

„Ich will eure Discomoves sehen!” – Dein Couseng bei Nonstop: Essen nach Shanghai

Kurz nach zehn geht es für Dein Couseng auf die Bühne. Als vorletzter Act, vor MC Smook. Genialer Zeitslot also, oder? Geht so, denn vor seinem Gig gibt es noch eine kleine Pause. Seine eigene Idee, wie er später zugibt. Als Arman auf die Bühne geht, ist der Raum noch ziemlich leer. „Du hattest echt einen schwierigen Slot. Aber hast du wirklich gut gemacht”, lobt ihn sein Special Guest Lil Zucker nach dem Gig. Und er hat so recht. Für Arman ist das relativ kleine Publikum zu Beginn überhaupt kein Problem. „Geht’s euch gut?”, fragt er motivierend in den Raum und erntet verlegen nickende Köpfe. „Okay, okay”, sagt er lachend, „ich mach hier jetzt einen Comedy Club auf. Aber ohne die Witze.” Publikum lacht, Stimmung intim und witzig. 

Dein Couseng und seine Setlist für den Abend. Foto: Lennart Neuhaus.

Nach den ersten zwei Songs füllt sich der Raum schließlich und ist plötzlich rappelvoll. Dein Couseng liefert ab. Ein Freestyle aus Wörtern, die das Publikum reinruft. Kurze Gags zwischen den Songs. Mit Lil Zucker und Qwasto hat er auch zwei richtig gute Feature Gäste. „Ich will eure Discomoves sehen”, fordert er vom Publikum und bekommt, was er möchte. Gute Stimmung, guter Gig.

Danach ein kurzer Check-in im Backstage. Arman und Lil Zucker sitzen erschöpft auf dem Sofa. „War gut, hat Bock gemacht. Ich war etwas unvorbereitet. Wenn ich das Gefühl habe, ich krieg das schon hin, dann probe ich nicht mehr richtig”, erzählt er. Das Publikum merkt das an diesem Abend nicht. Was jetzt noch folgt sind Glückwünsche zum Auftritt, kurze Smalltalks und vor allem: Durchatmen. „Ich brauch jetzt erstmal ein Bier, Digga”, gesteht der Rapper. 

Fehlendes Narrativ und wenig Diversität

Wenn wir über den Abend in der Weststadthalle nachdenken, können wir uns ein bisschen Kritik nicht verkneifen. Was das „Underground Rap-Event des Jahres” werden sollte, war höchstens ein Rap-Event. Klar, dass junge Rapper und Musiker:innen wie Dein Couseng oder auch temi, Tolkiensplug und Jacco die Möglichkeit bekommen, hier auf der Bühne zu stehen, ist cool. Eine Chance, sich zu zeigen, begleitet von bereits größeren Namen und deren Crowd. „Underground Rap” beinhaltet im Ruhrgebiet aber absolut nicht nur Männer. Dass andere Rapper:innen also keine Chance bekommen, sich zu zeigen, ist einfach schade. 

Dein Couseng auf der Bühne der Weststadthalle. Foto: Lennart Neuhaus.

Das Narrativ, das dem Abend vorweg ging (Flughafendurchsagen, Abflugstimmung – Nonstop eben) ist zwar sehr cool, taucht aber den ganzen Abend lang nicht mehr richtig auf. Dein Couseng erwähnt es öfter, performt auch mit Pilotenmütze einer iranischen Fluggesellschaft. Auch DJ Beatamin C baut ab und zu kleine, passende Skits ein. Richtige „Wir-fliegen-jetzt-gemeinsam-von-Rapper-zu-Rapper”-Stimmung kommt aber an keinem Punkt des Abends auf. Klar, das ist alles Meckern auf sehr hohem Niveau. Sorgen die Veranstalter:innen aber beim nächsten Mal für ein diverseres Line-Up und einen strukturierteren Ablauf, wird das ein wirklich richtig gutes Event. 

Trotzdem: Der Abend ist cool. Es macht Spaß. Das Publikum ist gut drauf und hat mit Sicherheit einen guten, entspannten Sommerabend. Die besondere, familiäre Stimmung des Abends sorgt dafür, dass es sich ein bisschen anfühlt wie ein Klassentreffen. Mit dem Unterschied, dass sich in dieser Klasse alle richtig gerne mögen. 

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