Die Grand Snail Tour ist in Xanten gestartet. Das neue Langzeitformat der Urbanen Künste Ruhr bereist die nächsten drei Jahre alle 53 Städte des Ruhrgebiets und bringt die Kunst gleich mit. Im ersten Reisekoffer: ein Kiosk und eine Funkstation. Ob das Ruhrgebiet in Wahrheit eine große Schnecke ist und wie man zu den Sternen spricht – STROBO-Autorin Anastasia hat sich nach Xanten gewagt und es herausgefunden.
Das Ruhrgebiet und die Kohle – bis heute hinterlässt der Abbau Spuren. Wie eine Ameise, ein Wurm, oder gar wie eine Schnecke, gräbt sich die Geschichte der Industrialisierung durch die Flöze des Potts. Alte Kohleschächte stellen auch heute noch eine unterirdische Verbindung dar. Nun nagt sich ein neuer, irdischer Weg durch alle 53 Städte. Unter der künstlerischen Leitung von Britta Peters geht die Grand Snail Tour der Urbanen Künste Ruhr auf eine kunstvolle Reise durch das Ruhrgebiet. Die Schnecke fängt in Xanten an und zieht über die nächsten drei Jahre eine Spiralspur hinter sich her, bis sie 2027 in Herne endet.
Grand Snail Tour: Von Kunst und Kartoffeln
Auf dem Xantener Wochenmarkt gibt es am 26. September nicht nur Obst und Gemüse im Angebot. An diesem Donnerstag reichen sich Kunst und Kundschaft die Hände. Gut getarnt, aber dennoch auffällig: ein Kiosk und eine Satellitenschüssel stehen plötzlich auf dem Marktplatz. In Xanten, wo noch immer Fragmente römischer Bauten stehen, fehlt nämlich ein integrales Bauwerk der Ruhrgebiets-Kultur: die Bude. Mit dem „Snail Kiosk“ bringen Paula Erstmann und Lisa Klosterkötter für einen Tag etwas Trinkhallenkultur und Leckereien mit. Diese gab es ganz umsonst und selbstgemacht. In Zusammenarbeit mit der Xantener Jugendkulturwerkstatt eXit entwarfen Jugendliche eigene Verpackungen für Chips und Schokoriegel.

Auch die Lokalzeitung bleibt nicht unverschont. Eine fast komplett geschwärzte Ausgabe der Xantener Nachrichten ist vor dem mobilen Kiosk aufgestellt. Bei zweitem Hinsehen enttarnt sich doch noch eine Botschaft: „die Erfahrungen im Interesse aller stornieren“. Für dieses Gedicht ist die Künstlerin Lütfiye Güzel verantwortlich. In jeder Stadt setzt sie sich künstlerisch mit den örtlichen Nachrichten auseinander. Durch das selektive Ausschwärzen werden neue Sätze und Bedeutungen freigelegt. Dabei entstehen für jede Stadt ortsspezifische Arbeiten – die „Local Blackouts“.
A wie Außerirdisch – Ein Alphabet für das All
Wenn eine Nachricht nicht nur die Nachbarschaft erreichen soll, kann sie natürlich auch an ein etwas größeres Netzwerk gerichtet werden. Alles, was man dafür braucht ist ein Kompass, ein Satellitensender und eine Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst. Gut, dass Mona Schulzek alles dabei hat. Mit ihrem „Outer Space Transmitter“ schickt sie Botschaften ins All. Wer den Wocheneinkauf erledigt hat, kann sich an ihrer Funkstation ein Klemmbrett reichen lassen, um eine Botschaft für das Universum zu verfassen.
Ein Kästchen, welches den intergalaktischen Austausch genehmigt, muss dabei angekreuzt werden. Danach wird die „anonyme Botschaft zu einem Kunstbild gestaltet und ins All gefunkt“. Das Kunstbild setzt sich aus einem eigens entwickelten Alphabet zusammen, welches Buchstaben in Symbole übersetzt. Auf Mona Schulzeks Tisch häuft sich ein Stapel Papier, den es noch zu transkribieren gilt. Das Bild, das dann entsteht, wird zu Frequenzen, die aus Xanten an einen Satelliten im All gefunkt werden. Laut Mona Schulzek trennen uns „nur“ 1000 Lichtjahre.

In der Zwischenzeit entsteht während der Grand Snail Tour eine ganz eigene Reisechronik. Bei jedem Halt ist ein*e Chronist*in dabei, mit dem Auftrag im eigenen Medium die Eindrücke der Stadt zu verarbeiten. In Xanten ist Jul Gordon vor Ort. Sie zeichnet Comics und macht den Anfang mit ihrem Beitrag als Chronistin. Mit jeder Stadt kommt ein weiteres Fragment dazu, bis sich schließlich aus 53 Einzelteilen ein Gesamtkunstwerk des Ruhrgebiets erschließt.
Nächster Halt der Grand Snail Tour: Wesel.
Am 10. Oktober zieht die Grand Snail Tour weiter nach Wesel. Dort widmen sich die Künstler*innen einer literarischen Auseinandersetzung mit Stadtgeschichten. Auf dem Leyens-Platz gibt’s eine Lesung mit anschließendem Gespräch. Die Autorin Luna Ali trägt dabei Auszüge aus ihrem Debütroman „Da waren Tage“ vor, während Tobi Dahmen, bekannt als Autor und Illustrator, Teile seines Graphic Novels „Columbusstraße“ präsentiert. Zusammen mit der Stadtexpertin und Wissenschaftlerin Barbara Welzel wird anschließend hinterfragt, wie der städtische Raum gelesen und künstlerisch verarbeitet werden kann. Und wer nicht nach Wesel kommen kann hat Glück, denn die Grand Snail Tour kommt auch in eure Stadt. Langsam. Aber sicher.
Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Zu Besuch beim FAVORITEN Festival.